Vergiftung T65.9

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 11.02.2023

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Synonym(e)

Intoxikation

Definition

Summe der Funktionsstörungen durch intestinal oder kutan absorbierte Giftstoffe. Die Exposition und der zeitliche Verlauf der Symptome können akut (akzidentell und suizidal), subakut oder chronisch (Arzneimittelnebenwirkung, Berufserkrankung) sein. Die Zahl der Gifte ist unbegrenzt, z.B. Brandgase, Chlor, DDT, E 605, Phospor, Putzmittel im Haushalt, Digitalis, Antihistaminika, Psychopharmaka, Schlaf- und Schmerzmittel, Opiate, Mottenkugeln, Muskatnuss, Nikotin. Die Symptomatik ist je nach Gift z.T. unterschiedlich und kann zentralnervöse, intestinale, pulmonale und kardiale Störungen aufweisen.

Therapie

Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen, Maßnahmen zur Verhütung weiterer Resorption (Entgiftung), sowie zur Beschleunigung der Giftausscheidung (s. Tabelle 1). Gabe spezifischer Antidots (s. Tabelle 2). Zusammenarbeit mit dem Internisten erforderlich.

Tabellen

Entgiftung und Beschleunigung der Giftelimination

 

Maßnahmen

Anwendung/Durchführung

Verhütung weiterer Resorption bei Aufnahme per os

Kochsalz-Emesis

Bei bewusstseinsklaren Pat. 1-2 Glas einer Kochsalzlösung (1-2 Eßlöffel/Glas).

Alternativ: Apomorphin oder Magenspülung

Apomorphin-Emesis

Bei bewusstseinsklaren Pat. 0,1-0,15 mg/kg KG s.c. Zusätzlich 10 mg Norfenefrin i.m. zur Kreislaufstabilisierung

Ipecacuanha-Emesis

Bei bewusstseinsklaren Kindern unter 6 Jahren (kein Kochsalz- oder Apomorphin Erbrechen).

Kinder < 1 ½ Jahre: 10 ml Sirup

Kinder < 1 1/2-4 Jahre: 15 ml Sirup

Kinder > 4 Jahre: 20 ml Sirup, anschließend 200 ml Wasser

Magenspülung

Bei bewusstseinsgetrübten Pat. in Halbseitenlage oder Kopftieflage mit 10-30 Litern, ggf. auch mit 30-60 Litern Wasser, und anschl. 30-40 g Aktivkohle spülen

 

Beschleunigung der Elimination

Forcierte Diurese

12 Liter Elektrolytlösung infundieren und innerhalb von 24 Std. ausscheiden. Gefahr der Niereninsuffizienz, Nierenparameter kontrollieren!

Hyperventilation

Insufflation von CO2 (bei Vergiftung mit Kohlenwasserstoffen)

Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs

Instillation von Aktivkohle oder Cholestyramin im Duodenum (3mal 4 g/24 Std.)

Hämoperfusion

Extrakorporale Giftelimination

Hämodialyse

Elimination nur nierengängiger Giftstoffe

Weitere Verfahren

Plasmaseparation, Ultrafiltration, Peritonealdialyse, Blutaustauschtransfusion

 

 

Spezifische Antidots oder spezifische Behandlung

 

Toxine/Ursache der Vergiftung

Antidota

Schwermetalle (Arsen, Quecksilber, Gold, z.T. organisches Quecksilber)

Chelatbildner (Dimercaprol, D-Penicillamin)

Blausäure

Methämoglobinbildner (Amylnitrit, Natriumnitrit, Dimethylaminophenol)

Kobaltverbindungen zur CN-Bindung (Co-EDTA, Hydroxocobalamin, Natriumthiosulfat)

Organophosphate

Atropin

Oxime als Reaktivatoren (Toxogonin, PAM)

Morphin und Derivate

Morphinantagonisten (Levallorphan, Naloxon)

Methämoglobinbildner

Thionin, Methylenblau

Dicumarol und Derivate

Vitamin K

Fluoride

Calciumsalze

Methanol

Ethanol

Schlangen- und Spinnenbisse

Spezifische Antiseren

Kohlenmonoxid

Keine Analeptika!, reine Sauerstoff-Gabe oder Carbogen.

Blei

D-Penicillamin oder CaNa2-EDTA. Dimercaprol ist kontraindiziert!

Thallium

Kolloidales Eisen (III)-hexacyanoferrat (II), sonst frühzeitig symptomatisch. Dimercaprol kontraindiziert!

Beryllium

Salicylsäure und Aurintricarbonsäure als Chelatbildner

Carbaminsäure (Carbamate)

Atropin in hohen Dosen

Lösemittel

Nicht Erbrechen induzieren! Flüssiges Paraffin (5 ml/kg KG), Laxantiengabe. Kein Rizinusöl - Öle beschleunigen die Resorption!

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Henderson A et al. (1993) Experience with 732 acute overdose patients admitted to an intensive care unit over six years. Med J Aust 158: 28–30
  2. von Mach MA et al. (2003) Current diagnosis of poisoning. Dtsch Med Wochenschr 128: 1121-1123
  3. Wegner R (2002) Poisoning due to heavy metals and arsenic. Internist (Berl) 43: 818, 821-827

Weiterführende Artikel (2)

Antihistaminika, systemische; Muskatnuss;

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