Forcierte Diurese

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 10.02.2023

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Definition

Synonyme

Giftelimination; Eliminationsverfahren;

 

 

Definition

Unter einer forcierten Diurese versteht man die Steigerung der Ausscheidung toxischer Stoffe, die renal eliminiert werden durch eine medikamentös induzierte Steigerung des Harnvolumens (Marx 2015).

Allgemeine Information

Durchführung

Nach Legen eines Blasenkatheters bieten sich verschiedene Formen bei der Durchführung einer forcierten Diurese an:

  • 1. Schleifendiuretika:

Der Patient erhält alle 4 Stunden:

- 1 l NaCl 0,9 % zur Hyperhydratation

plus

- 40 mg Furosemid (Herold 2022), Kasper (2015) empfiehlt 20 – 80 mg i. v. in steigender Dosierung.

Dies erfolgt unter ständiger Kontrolle der Diurese und des Wasser- bzw. Elektrolythaushaltes (Herold 2022).

 

  • 2. Mannitol:

Bei einer anderen Form der forcierten Diurese erhält der Patient Mannitol, ein osmotisch wirksames Diuretikum. Mannitol wird 0,25 – 1 g / kg i. v. über 20 min infundiert und dieses alle 4 – 6 h wiederholt. Der Vorteil unter Mannitol- Gabe ist ein nicht saurer Urin (Klauwer 2013).

 

  • 3. RenalGuard System:

Durch das RenalGuard- System wird eine hohe Urinausscheidung bei gleichzeitiger Euvolämie erreicht.

Hierbei wird der Urin in einem Beutel aufgefangen, der an einer digitalen Waage hängt. Die Waage wiederum ist an eine hochvolumige Flüssigkeitspumpe angeschlossen. Jeder Tropfen Urin, der in den Beutel gelangt, wird durch die Flüssigkeitspumpe durch NaCl ersetzt.

Zu Beginn wird zunächst ein kleiner Flüssigkeitsbolus von ca. 3 ml / kg KG infundiert, die Einleitung der Diurese erfolgt mit niedrigen Dosen Furosemid (0,25 mg / kg KG). Die Urinausscheidung steigt dadurch in etwa 60 min auf 500 – 600 ml / min und kann ohne zusätzliche Diuretikagabe i. d. R. über 6 h aufrecht erhalten werden (Solomon 2014).

 

 

Hinweis(e)

 

Pharmakodynamik 

- Kontrastmittel:

Bei der forcierten Diurese wird die Tubuluspassage beschleunigt und damit die Kontaktzeit des Kontrastmittels verkürzt (Latus 2020).

 

- Schleifendiuretika:

Schleifendiuretika mindern die tubuläre Rückresorption (Michels 2010).

 

- Mannitol:

Mannitol zählt zu den osmotisch wirksamen Diuretika. Diese werden glomerulär filtriert, aber nicht in den Tubuli resorbiert. Dadurch kann im Tubulus Wasser osmotisch gebunden werden. Die Na+- Ausscheidung ist hierbei gering (Freissmuth 2012).

Zusätzlich kann Mannitol intravasal Wasser binden, was z. B. zum Abschwellen eines Hirnödems erforderlich ist (Dellas 2018).

 

- Steigerung der Diurese:

Besteht bei der Elimination von Giften eine pH- abhängige Dissoziation, so kann durch Ansäuerung oder Alkalisierung des Urins die Wirksamkeit der Diurese noch gesteigert werden (Füllgraff 2007).

 

 

Indikation

Schleifendiuretika:

- zur Vermeidung einer Kontrastmittel- induzierten Nierenschädigung (AKI) durch jodhaltige Kontrastmittel, die Verwendung finden bei z. B. der Herzkatheteruntersuchung, Computertomographie etc.. Die forcierte Diurese sollte mindestens 12 h vor der Untersuchung beginnen und frühestens 12 h nach der Untersuchung enden (Latus 2020).

- zum Ausschwemmen von Harnleitersteinen (Wilhelm 2017)

- Hyperkalziämie (ausschließlich bei leichter Hyperkalziämie angezeigt, da die Wirkung nur gering ist [Kasper 2015])

Indikationen für eine forcierte Diurese zur sekundären Giftelimination sind schwere Intoxikationen mit renal auszuscheidenden Giften wie z. B.:

- Barbiturate, Phenobarbital

- Lithium

- Salicylate wie z. B. ASS

- Thallium (Herold 2022)

 

Mannitol:

- während einer Chemotherapie mit z. B. Cisplatin, um Nierenschäden zu vermeiden (Kasper 2015)

- bei Vergiftungen (Freismuth 2012)

- bei Patienten mit z. B. arterieller Hypertonie und bereits bestehender Nierenschädigung etc. (Crona 2017)

Mannitol wird außerdem eingesetzt zur Notfallbehandlung des

- akuten Glaukoms

- akuten Hirnödems (Freissmuth 2012), da es intravasal Wasser binden kann (Dellas 2018).

 

RenalGuard System:

Dieses wird in erster Linie zur Verhütung von Nierenschäden durch jodhaltige Kontrastmittelgabe eingesetzt (Solomon 2014). Es mindert laut MYTHOS- Studie aus dem Jahre 2012 (Marenzi 2012) die Zahl der Kontrastmittel- induzierten Nephropathien (CIN) von 18 % (bei forcierter Diurese mit NaCl und Furosemid s. o.) auf 4,6 % (Latus 2020).

 

 

Unerwünschte Wirkungen

Schleifendiuretika:

Es besteht die Gefahr einer Störung des Wasser-, Elektrolyt-, Basen- und Säurehaushalts (Herold 2022).

 

Mannitol:

- Volumenexpansion

- Hyponatriämie

- Hypoosmolarität

- Kopfschmerzen

- Schwindel

- Übelkeit / Erbrechen

- kardiale Dekompensation bei Volumenexpansion (Freissmuth 2012

 

Kontraindikation

NaCl:

- Herzinsuffizienz

- Niereninsuffizienz

- Krampfleiden

- Schockzustand (Herold 2022)

 

Mannitol:

- Herzmuskelinsuffizienz

- Lungenödem

- Anurie (Dellas 2018)

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Crona D J, Faso A, Nishijima T F, McGraw K A, Galsky M D, Milowsky M I (2017) A Systematic Review of Strategies to Prevent Cisplatin‐Induced Nephrotoxicity. The Oncologist 22 (5) 609 – 619
  2. Dellas C (2018) Last Minute Pharmakologie. Elsevier Urban und Fischer Verlag München 55
  3. Freissmuth M, Offermanns S, Böhm S (2012) Pharmakologie und Toxikologie: Von den molekularen Grundlagen zur Pharmakotherapie. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 368
  4. Füllgraff G, Brune K, Palm D (2007) Pharmakotherapie: Klinische Pharmakologie. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 525
  5. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 940
  6. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 102e- 12, 610, 1809, 2480, 2481, 472e- 3
  7. Klauwer D, Neuhäuser C, Thul J, Zimmermann R (2013) Pädiatrische Intensivmedizin – kinderkardiologische Praxis. Deutscher Ärzteverlag GmbH 105
  8. Latus J, Schwenger V, Schlieper G, Reinecke H, Hoyer J, Persson P B, Remppis B A, Mahfoud F (2020) Kontrastmittelinduzierte akute Nierenschädigung – Konsensuspapier der Arbeitsgemeinschaft „Herz – Niere“ der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. und der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie e. V. Der Kardiologe (14) 494 – 504
  9. Marenzi G, Ferrari C, Marana I, Assanelli E, De Metrio M, Teruzzi G, Veglia F, Fabbiocchi F, Montorsi P, Bartorelli A L (2012) Prevention of Contrast Nephropathy by Furosemide With Matched Hydration: The MYTHOS (Induced Diuresis With Matched Hydration Compared to Standard Hydration for Contrast Induced Nephropathy Prevention) Trial. JACC: Cardiovascular Interventions 5 (1) 90 - 97
  10. Marx G, Muhl E, Zacharowski K, Zeuzem S (2015) Die Intensivmedizin. Springer Verlag Berlin 1319
  11. Michels G, Kochanek M (2010) Repetitorium Internistische Intensivmedizin. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 105
  12. Solomon R (2014) Forced diuresis with the RenalGuard system: impact on contrast induced acute kidney injury. J Cardiol. 63 (1) 9 - 13
  13. Wilhelm K (2017) Forced diuresis for acute ureteric colic. Urologe A. 56 (11) 1461 - 1464
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