Paraneoplastische Syndrome, rheumatische (Übersicht)

Zuletzt aktualisiert am: 13.11.2022

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Synonym(e)

Paraneoplastische Syndrome, rheumatologische; Rheumatoide paraneoplastische Syndrome; Rheumatologische paraneoplastische Syndrome

Definition

Rheumatologische paraneoplastische Syndrome sind selten, stellen jedoch eine wichtige Differenzialdiagnose zu klassischen rheumatologischen und anderen, rheumatologisch akzentuierten Krankheitsbildern (z.B. systemische Sklerodermie/Dermatomyositis) dar. Durch das frühzeitige Erkennen der Syndrome gfls. unter Berücksichtigung  ergänzender Labor- und sonstiger Untersuchungsbefunden, ist das frühe Auffinden einer zugrundeliegenden Malignität und gfls. eine kurative Therapie möglich.

Einteilung

  • Paraneoplastische Arthritis (PA): Die paraneoplastisches Arthritis ist besonders schwierig zu erkennen, da neben der Polyarthritis bei bis zu 23% ein positiver Rheumafaktor und bei 11 % der Patienten positive anti-citrullinierte Proteine (ACPAs) vorliegen (Kisacik B et al. 2014). Eine asymmetrische Gelenkbeteiligung (91%) bei männlichen Patienten und ein mangelhaftes Therapieansprechen auf Disease-modifying anti-rheumatic drugs (DMARDS) lassen auf eine paraneoplastische Genese schließen.
  • Palmare Fasziitis mit Polyarthritis (PFPAS): Das seltene PFPAS-Syndrom bildet, im Vergleich zur paraneoplastischen Arthritis, durch die assoziierte Inflammation der palmaren/plantaren Faszien ein klar abgrenzbares Erscheinungsbild. Die diffuse Entzündung der Palmarfaszie, der Sehnenscheiden, der Gelenke der Finger und Handgelenke, führt rasch zu einer (Sklerodermie-artigen) Beugekontraktur der Hände (woody hands). Der klinische Verlauf zeigt Analogien zur Dupuytren Kongtraktur. Ursprünglich wurde das Palmare Fasziitis- / Polyarthritis-Syndrom mit einem Ovarialkarzinom in Verbindung gebracht (> 50% der Patienten). Es ist inzwischen jedoch auch mit mehreren anderen malignen Erkrankungen assoziiert z.B. mit einem Adenokarzinom der Lunge, mit dem nicht-kleinzelligem Karzinom der Lunge (Okumura H et al. 2022; Manger B et al. 2014; Sheehy C et al. 2007).
  • Pankreatische Pannikulitis mit Polyarthritis (PPP): Mit PPP wird ein Syndrom bezeichnet, bei dem eine Polyarthritis zusammen mit Pannikulitis assoziiert ist. PPP tritt häufig bei Patienten mit Pankreatitis und stark erhöhten Lipasewerten auf (Narváez J et al. 2010). Am häufigsten betroffen sind Knie-, Sprung-, Hand- und Metacarpophalangealgelenke. Beim Azinuszellkarzinom des Pankreas kommt es häufig zum PPP mit hohen Lipasewerten. Hier geht das PPP-Syndrom mit einer schlechten Prognose einher (Zundler S et al. 2016).
  • Remitting seronegative symmetrical synovitis with pitting edema (RS3PE): Klinisch präsentieren sich die RS3PE-Patienten mit meist akut aufgetretenen, beidseitigen, massiven, kissenartigen Schwellungen der Hand- und/oder Fußrücken, mit assoziierter Synovitis der Hand- und Fingergelenke (die rheumatologische Komponenten ist häufig maskiert). Die Ödeme sind tief eindrückbar und zeigen eine prompte Besserung auf Glukokortikoide und NSAR. Weitere, jedoch seltener betroffene Gelenke sind die MTP- und kleinen Zehengelenke, die Ellbogen-, Schulter-, Hüft-, Knie- und Knöchelgelenke.  Niedrigdosierte Kortikosteroide führen zu sehr gutem Therapieansprechen. Schlechtes Therapieansprechen ist hinweisend auf das Vorliegen eines paraneoplastischen RS3PE, das bei etwa 30% dieser  Patienten vorliegt (Li H et al. (2015). Serologisch konnten bei Patienten einer japanischen Kohorte erhöhte Serum Matrix Metalloproteinase 3 (MMP-3) Spiegel nachgewiesen werden (Li H et al. (2015).
  • Tumorinduzierte Osteomalazie (TIO): Das Syndrom wird durch seltene mesenchymale ossäre Tumorentitäten (40%) oder Weichtteiltumore (55%) verursacht, wobei etwa 8% maligne sind (Jiang Y et al. (2012). Tumorzellen setzen fibroblast growth factor 23 (FGF 23) frei, der durch Bindung an Rezeptoren proximaler Nierentubuluszellen zu vermehrter Phosphatsekretion führt (Hautmann AH et al. 2015). Laborchemisch liegt eine Hypophosphatämie, Hyperphosphaturie, erhöhte alkalische Phosphatase und ein normwertiger bis erniedrigter 1,25-Dihydroxycholecalciferol-Spiegel vor. Klinisch kommt es zu Knochenschmerzen, Spontanfrakturen, Muskelschwäche und Fatigue.
  • Hypertrophe Osteoarthropathie (Marie-Bamberger) (HOA): Diese klassische Paraneoplasie wird insbesondere durch thorakale Malignome (Lungenkarzinome/Izumi M et al. 2010). Durch vermehrte Produktion von vascular endothelial growth factor (VEGF) kommt es zur Differenzierung des Periosts zu Osteoblasten (Martinez-Lavin M (2007). Hierdurch kommt es zu den typischen Trommelschlegel-fingern, -zehen, Arthritis, Arthralgien, Knochenschmerzen vor allem in Tibia und Femur durch Osteoproliferationen die mittels bildgebender  Verfahren (Szintigrafie und Positronenemissionstomografie ) dargestellt werden können.
  • Malignom-assoziierte Myositis (CAM): Inflammatorische Myopathien (IIM) umfassen eine heterogene Gruppe von Muskelerkrankungen (Lundberg IE et al. 2017) und gehen mit einem unterschiedlichen Malignomrisiko einher. Die Untergruppe der Dermatomyositiden geht im Unterschied zu den anderen teilweise schlecht definierten IIM mit einem deutlichen erhöhten Malignomrisiko einher  (Qiang JK et al. 2016).                                                                                            Das Malignomrisiko von Dermatomyositis-Patienten mit Nachweis von Anti-TIF1γ-Antikörpern ist um das 27-fache erhöht (Trallero-Araguás E et al. (2012). TIF-1γ ubiquitiniert das Tumorsuppressorgen p53, reguliert es dadurch herunter, was zu einer verminderten Apoptose von Tumorzellen führt. Das vermehrte Vorkommen von TIF-1γ in Haut und Muskelzellen unterstützt die äthiopathogenetische Bedeutung von TIF-1γ. Antikörper gegen das nukleäre Matrixprotein 2 (NXP2) gehen ebenfalls mit einem etwa 4-fach erhöhtem Malignomrisiko im Vergleich zur Normalbevölkerung einher (Albayda J et al.2017). Das Fehlen spezifischer Antikörper bei IIM Patienten ist ebenfalls mit einem erhöhten Malignomrisiko assoziiert (Trallero-Araguás E et al. 2012). Es gibt Evidenz die ein blindes Screening von IIM Patienten unterstützt und klare Algorithmen für das Screening bei IIM Patienten (Selva-O'callaghan A et al. 2018). Die größte Wahrscheinlichkeit für ein Malignom liegt 1 Jahr nach und 1 Jahr vor Symptombeginn, und dehnt sich auf etwa 3 bis 5 Jahre vor/nach Symptombeginn aus (Sigurgeirsson B et al. 1992).

Diagnose

Hinweise auf ein rheumatisches paraneoplastisches Syndrom .

  • atypische Symptomkonstellation
  • ungewöhnliches Erkrankungsalter
  • ungewöhnliches Gelenkbefallsmuster
  • ungewöhnlich hohe humorale Entzündungsaktivität
  • B-Symptomatik
  • starke distale Ödembildung
  • palmare oder plantare Fasziitis
  • schlechtes Ansprechen der rheumatologischen Symptome auf Glukokortikoide, NSAR oder Immunsuppressiva
  • Bei Myositiden: Nachweis von Anti-TIF-1γ, Anti-NXP-2 Autoantikörpern,
  • ausgeprägte Muskelbeteiligung (sehr hohe Kreatinkinasewerte),
  • ausgeprägte, auch ungewöhnliche und therapieresistente Hautsymptome (evtl. Teilmanifestationen der paraneoplastischen Symptomkonstellation)

Literatur
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  1. Albayda J et al.(2017) Antinuclear Matrix Protein Autoantibodies and Edema, Muscle Disease, and Malignancy Risk in Dermatomyositis Patients. Arthritis care & research 69: 1771–1776
  2. Izumi M et al. (2010) Incidence of hypertrophic pulmonary osteoarthropathy associated with primary lung cancer. Respirology 2010; 15: 809–812
  3. Jiang Y et al. (2012) Tumor-induced osteomalacia: An important cause of adult-onset hypophosphatemic osteomalacia in China: Report of 39 cases and review of the literature. Journal of Bone and Mineral Research 27: 1967–1975
  4. Kisacik B et al. (2014) Diagnostic dilemma of paraneoplastic arthritis: Case series. International Journal of Rheumatic Diseases 17: 640–645
  5. Li H et al. (2015) RS3PE: Clinical and Research Development. Curr Rheumatol Rep 17: 49
  6. Lundberg IE et al. (2017) European League Against Rheumatism/American College of Rheumatology classification criteria for adult and juvenile idiopathic inflammatory myopathies andtheir major subgroups. Annals of the rheumatic diseases 76:1955
  7. Manger B et al. (2014) Palmar fasciitis and polyarthritis syndrome—Systematic literature review of 100 cases. Seminars in Arthritis and Rheumatism 44: 105–111
  8. Martinez-Lavin M (2007) Exploring the Cause of the Most Ancient Clinical Sign of Medicine: Finger Clubbing. Seminars in Arthritis and Rheumatism 36: 380–385
  9. Medsger TA Jr. et al. (1982) Palmar Fasciitis and Polyarthritis Associated with Ovarian Carcinoma. Annals of Internal Medicine 96: 424–431
  10. Narváez J et al. (2010) Pancreatitis, Panniculitis, andPolyarthritis. Seminars in Arthritis and Rheumatism 39: 417–423
  11. Qiang JK et al. (2016) Risk of Malignancy in Dermatomyositis and Polymyositis: A Systematic Review and Meta-Analysis. Journal of Cutaneous Medicine and Surgery  21: 131–136
  12. Selva-O'callaghan A et al. (2018) The diagnostic work-up of cancer-associated myositis. Curr Opin Rheumatol 30: 630–636
  13. Sigurgeirsson B et al. (1992) Risk of Cancer in Patients with Dermatomyositis or Polymyositis. New England Journal of Medicine  326: 363–367
  14. Trallero-Araguás E et al. (2012) Usefulness of anti-p155 autoantibody for diagnosing cancer-associated dermatomyositis: A systematic review and meta-analysis. Arthritis & Rheumatism 64: 523–532.
  15. Zundler S et al. (2016) Pancreatic panniculitis in a patient with pancreatic-type acinar cell carcinoma of the liver – case report and review of literature. BMC Cancer 2016; 16: 130

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