Lymphogranuloma venereum A55

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Co-Autor: Dr. med. Nima Nasserani

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Zuletzt aktualisiert am: 23.04.2021

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Synonym(e)

Anorektaler Symptomenkomplex; Bubo intraabdomineller; Durand-Nicolas-Favre-Krankheit; Elephantiasis genitalium; Elephantiasis genitoanorectalis ulcerosa; Esthiomène; Estiomène; Geschlechtskrankheit vierte; klimatischer Bubo; klimatischer oder tropischer Bubo; LGV; Lymphogranuloma inguinale; Lymphogranulomatosis inguinalis; Lymphogranuloma venereum; Lymphomatosis inguinalis suppurativa subacuta; Lymphopathia venerea; Morbus Durand-Nicolas-Favre; Nicolas-Durand-Favre-Erkrankung; Poradenitis inguinalis; vierte Geschlechtskrankheit

Erstbeschreiber

Hunter, 1786; Durand, Favre u. Nicolas, 1913; Frei, 1925

Definition

Seltene, zu den "sexuell transmitted diseases (STD)" zugehörige, v.a. in tropischen Ländern vorkommende und dort endemische meldepflichtige Infektionskrankheit durch Chlamydia trachomatis (L1-L3).

Erreger

Chlamydia trachomatis Serotyp L1-L3, ein obligat intrazelluiläres Bakterium. Für die Anheftung von Chlamydia trachomatis an die Wirtszelle sind das Hitzeschockprotein 70, sowie heparinähnliche Glykosaminoglykane verantwortlich. 

Vorkommen/Epidemiologie

In der westlichen Welt selten, in den Tropen und Subtropen häufigere venerische Erkrankung. Endemisch in Ost- u. Westafrika, Indien, Südostasien, Karibik und Südamerika. In einem großen spanischen Kollektiv wurden  LGV-Infektionen in >90% der Fälle in MSM (men who had sex with men)-Populationen nachgewiesen. In dieser Population lag die Inzidenzrate bei 282/100.000. Fast stets lag eine Koinfektion mit HIV vor.    

Ätiopathogenese

Ansteckung nahezu nur durch Geschlechtsverkehr.

Manifestation

95% der Betroffenen sind Männer, überwiegend MSM (men who have sex with men).

Lokalisation

Vor allem an Glans penis, Kranzfurche, Präputium, vorderer Urethra, Vulva, Vagina, Zervix oder Portio.

Klinisches Bild

Inkubationszeit 5-10 Tage (z.T. auch mehrere Wochen).

  • Stadium I: Primärläsion (Penis/Vulva oder genitorektal): Schmerzlose hirsekorn- bis reiskorngroße Papel, Übergang in Papulovesikel oder Papulopustel, die flach ulzeriert und seröses Sekret entleert. Flaches, schmierig belegtes Ulkus. Die Primärinfektion kann  sich auch als erosive Proktitis oder Colitis darstellen.
  • Stadium II: Bubonen 2-4 Wochen nach der Primärläsion einseitige oder doppelseitige bis hühnereigroße, schmerzhafte Schwellung der Leistenlymphknoten; auf der Unterlage gut, gegen die Haut nicht verschiebbar. Die Oberfläche der Knoten imponiert erst rot, dann blaurot, schließlich braunrötlich. Abszessbildung, Perforation nach außen. Fistelbildung mit Entleerung eines rahmigen weißlichgrauen, bröckligen Eiters. Eingezogene Narbenbildung. Bei Sitz der Primärläsion in Vagina oder Rektum: Befall der perirektalen und para-aortalen Lymphknoten. "Intraabdomineller Bubo": Festsitzende geschwollene Drüsen auf der Innenseite der Beckenschaufel.
  • Stadium III: Elephantiasis genitoanorectalis ulcerosa, Esthiomène, anorektaler Symptomenkomplex. Über Jahre schwelendes Endstadium mit Geschwüren, Strikturen und Fibrosen in Urethra, Genitaltrakt und Rektum. Elephantiasis genitalium: Vergrößerte Labien von gummiartiger Konsistenz, glatte Wulstbildungen, tiefe Furchen, verruköse papillomatöse Wucherungen. Auch Elephantiasis von Skrotum und/oder Penis.
    • Anorektaler Symptomenkomplex mit Hämorrhoiden u. Condylomata acuminata. Beteiligung der Gerota-Lymphknoten mit konsekutiver schwerer Stauung oberhalb des Afters. Verdickter, verhärteter, infiltrierter, eingezogener Enddarm mit zahlreichen Geschwüren. Perianale und perirektale Fistelbildungen. Dünner, blutig-eitrig belegter Stuhl.

Therapie

S. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für STI

 

Therapie

In den Stadien I u. II antibiotische Therapie mit Sulfonamiden, Doxycyclin (z.B. Supracyclin) 2mal/Tag 100 mg für 3 Wochen, Cotrimoxazol (z.B. Cotrimox Wolff 2mal/Tag 2 Tbl.) für 14 Tage.

Alternativ Ofloxacin (z.B. Tarivid) 2mal/Tag 300 mg für 7-14 Tage, Tetracycline (z.B. Tetracyclin Wolff Kps.) 4mal/Tag 500 mg für 14 Tage oder Erythromycin (z.B. Erythrocin Filmtbl.) 4mal/Tag 500 mg für 14 Tage.

Ggf. Tetracyclin in Kombination mit Cotrimoxazol. Im Stadium III bei Vorliegen einer Elephantiasis operative Maßnahmen.

Cave! Mitbehandlung des Partners.

Schwangere und stillende Frauen sollten mit Azithromycin 1,5g p.o. einmalig oder alternativ mit Erythromycin 500mg 4x tgl. p.o über 7d (oder 2x tgl. p.o. über 14d) behandelt werden.

Verlauf/Prognose

Bei frühzeitiger Therapie Ausheilung. Bei abszedierenden Entzündungen oft chronische Verläufe.

Prophylaxe

Kondomgebrauch

Hinweis(e)

Klassische Verläufe mit Ulzera am Penis und regionaler Lymphknotenschwellung werden zunehmend seltener beobachtet; so treten auch Infektionen unter dem Bild einer chronischen Proktitis auf.

Cave! Bei Frauen besteht Gefahr der Sterilität!

Fallbericht(e)

26-jähriger Mann mit deutlich vergrößerten und druckschmerzhaften inguinalen Lymphknotenschwellung (s.Abb.). Vorausgegangen war vor 3 Monaten ein ungeschützter Kontakt mit unbekanntem Partner.

Befund: Kein genitales Ulcus (habe früher bestanden).

Urethra- und Rektalabstriche auf Chlamydien: negativ.

Labor: Chlamydien: LPS-IgM-ELISA: positiv; Syphilis: TPHA-Test: neg., VDRL: neg.

Bei persistierender Lymphadenopathie erfolgte eine Punktion des inguinalen Lymphknotens mit Sicherung einer Chlamydieninfektion durch Serovar L 2 mittels DNA-Nachweis.

Therapie: Doxycyclin 200mg/Tag p.o. über 3 Wochen

Verlauf: Abheilung des Befundes.

Literatur
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  1. Czelusta A et al. (2000) An overview of sexually transmitted diseases. Part III. Sexually transmitted diseases in HIV-infected patients. J Am Acad Dermatol 43: 409-432
  2. Dal Conte I et al. (2015)  Lymphogranuloma venereum in North-West Italy, 2009-2014. Sex Transm Infect 91:472
  3. Durand NJ, Nicolas J, Favre M (1913) Lymphogranulomatose inguinale subaiguë d'origine génitale probable, peut-être vénérienne. Bulletin de la Société des Médecins des Hôspitaux de Paris 35: 274-288
  4. Gaydos CA et al. (2004) Comparison of three nucleic acid amplification tests for detection of Chlamydia trachomatis in urine specimens. J Clin Microbiol 42: 3041-3045
  5. Frei WS (1925) Eine neue Hautreaktion bei Lymphogranuloma inguinale. Klin Wochenschr (Berlin) 4: 2148-2149
  6. Gscheit F (1986) Genitale Clamydieninfektionen. Hautarzt 37: 312-319
  7. Hunter J (1786) A Treatise on the Veneral Disease. Longmans, London
  8. Mabey D, Peeling RW (2002) Lymphogranuloma venereum. Sex Transm Infect 78: 90-92
  9. Martí-Pastor M et al. (2015) HIV Surveillance Group. Epidemiology of infections by HIV, Syphilis, Gonorrhea and Lymphogranuloma Venereum in Barcelona City: a population-based incidence study. BMC Public Health 15:1015
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  11. Petzoldt D et al. (2002) Sexually transmitted diseases in Germany. Int J STD AIDS 13: 246-253
  12. Rodriguez-Dominguez M et al. (2015) High Prevalence of Co-Infections by
  13. Invasive and Non-Invasive Chlamydia trachomatis Genotypes during the
  14. Lymphogranuloma Venereum Outbreak in Spain. PLoS One PubMed PMID: 25965545

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