Immundefekte (Übersicht) D84.9

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

immundeficiency; Immundefizienz

Definition

Störung des Immunsystems die zu einer pathologischen Antwort des Organismus bei Einwirken eines immunogenen Reizes führt.

Einteilung

Man unterscheidet primäre (angeborene) von den sekundären (erworbenen) Störungen der Abwehrfunktion des Immunsystems. Unter dem Begriff „Primäre Immundefekte“ (Synonym: PID/Immundefizienz-Syndrome) werden zahlreiche angeborene (>300 Entitäten) Erkrankungen des Immunsystems zusdammengefasst, die durch eine passagere oder auch irreversible Störung der Abwehrfunktion gekennzeichnet sind. Als primär werden Erkrankungen (PID) bezeichnet, bei denen die Immundefizienz angeboren ist, familiär gehäuft auftritt und/oder vererbt werden kann.

Der PID-Gruppe werden Erkrankungen gegenübergestellt und mit dem Oberbegriff „sekundäre Immundefekte“ bezeichnet, bei denen eine die Immundefizienz erworben wurde. Das bekannteste Beispiel hierfür ist AIDS (acquired immune deficiency syndrome).

Immundefekte, primäre angeborene (Hereditäre Immundefekte (ausführliche Übersicht und Klasifikation s.u. Immundefekte primäre, Klassifikation):

  • Antikörpermangel (D80.9) (50-60% der primären Immundefekte)
    • Reduktion aller Ig-Isotypen mit verminderten oder fehlenden B-Zellen
      • Agammaglobulinämie kongenitale Typ Bruton (D80.0) x-chromosomaler Erbgang mit Mutation im Bruton-Tyrosin-Kinase-Gen (Btk-Gen)
      • Agammaglobulinämie kongenitale Typ mit autosomal-rezessivem Erbgang
      • Reduktion von mindestens 2 Ig-Isotypen mit normalen oder leicht verminderten B-Lymphozyten-Zahlen
      • Immundefektsyndrom variables (Common variable Immunodeficiency - CVID- D83.9)
      • Kombinierter IgA-und IgG-Mangel bei normalem oder leicht erhöhtem IgM und normaler Zahl an B-Lymphozyten (D80.5)
      • Isotypen - und Leichtketten-Mangel bei normalen B-Lymphoyzten-Zahlen
        • Isolierter IgG-Subklassenmangel (D80.3)
        • IgA mit IgG-Subklassenmangel (D80.3) 
        • Selektives IgA-Mangelsyndrom (D80.2), häufigster primärer Immundefekt
    • Defizienzien anderer Ig-Isotypen 
  • Immundefekte, kombinierte (T- und B-Zell)-Funktionsstörungen (SCID):10-20% der primären Immundefekte. Die Klassifikation dieser  Immundefektsyndrome beruht zunächst überwiegend auf klinischen Befunden und immunologischen, krankheitsspezifischen Auffälligkeiten, die sich u.a. aus morphologischen, funktionellen und phänotypischen Untersuchungen des lymphatischen Systems ergeben. Die Möglichkeit, die zugrunde liegenden Defekte auf molekularer Ebene zu definieren, erlaubt zunehmend eine Einteilung nach pathogenetischen Gesichtspunkten. Einzelheiten s.u. SCID (OMIM: 304400). S.a. primäre T-zelluläre Immundefekte.

Immundefekte sekundäre (erworbene):

Folgende Erkrankungen können einen Hinweis auf einen sekundären Immudefekt geben: 

  • Das Asthma bronchiale ist z.B. mit einer erhöhten Frequenz von Pneumonien assoziiert.
  • Diabetes mellitus oder Herzerkrankungen, Adipositas oder chronische Rauchexposition prädisponieren zu einer erhöhten Infektionsanfälligkeit.
  • Angeborene Erkrankungen mit erhöhter Infektionsanfälligkeit sind z.B. die zystische Fibrose und die primäre Ziliendyskinesie (Kartagener-Syndrom (Bush A et al.2007).
  • Ungewöhnlich verlaufende mykotische oder bakterielle Erkrankungen wie Botryomykose, Aktinomykose, Infektionen durch atypische Mykobakterien.
  • AIDS: Ein schwerwiegender erworbener sekundärer Immundefekt ist AIDS verursacht durch eine HIV-Infektion.
  • Sekundärer Antikörpermangel z.B. durch chronischen enteralen oder renalen Verlust, Medikamenteneinnahme (z.B. manche Antiepileptika, Antimalaria-Medikamente, Immunsuppressiva oder Chemotherapien) oder maligne Erkrankungen, insbesondere Lymphome und Leukämien kann zu einer pathologischen Infektionsanfälligkeit führen. Patienten mit einer erworbenen oder funktionellen Asplenie zeigen eine besondere Anfälligkeit für Infektionen durch bekapselte Erreger.

Vorkommen/Epidemiologie

Primäre Immundefekte zählen zu den seltenen Erkrankungen, wobei genaue Daten zu den Prävalenzen der mittlerweile fast 300 verschiedenen, meist molekulargenetisch definierten Immundefekte fehlen. Aus Daten aus den USA wird die Prävalenz für einen klinisch relevanten Immundefekt zwischen 1:1200 und 1:2000 geschätzt.

Manifestation

Bei den hereditären Immundefekten ist die Familienanamnese besonders wichtig. Es gilt zu erfassen, ob ungewöhnliche Infektverläufe aufgetreten sind, ob ein Familienmitglied im frühen Lebensalter aufgrund einer durchgemachten Infektion plötzlich verstorben ist oder Autoimmunerkrankungen in der Verwandtschaft diagnostiziert wurden.

Weitere Anhaltspunkte liefern eventuell aufgetretene Impfkomplikationen, Entzündungen beim Zahnen und Omphalitiden beim Neugeborenen. So gilt die Abheilung des Nabels als einer der ersten Prüfungen für das Immunsystem. Tritt beim Abheilen des Nabels eine Omphalitis auf oder fällt er sehr spät ab, könne das ein erster Hinweis auf eine Granulozytenfunktionsstörung sein.

Labor

Als orientierende Basisdiagnostik sollte ein Differenzialblutbild erstellt werden. gemacht werden. Dabei ist es wichtig, auch die Absolutzahlen der verschiedenen Zellpopulationen zu erfassen. Weiterhin: Erfassung der Immunglobulinspiegel (IgA, IgM, IgG, IgE). IgE ist ein sensibler Parameter, um eine Immundysregulation zu erfassen.

Weiterhin gelten Impfantikörper als sehr gute Surrogatmarker, um die B-Zell-Achse des humoralen Immunsystems näher zu bestimmen. Beo Verdacht auf einen primären Immundefekt muss eine  weiterführende Diagnostik erfolgen.

Hinweis(e)

Folgende Akronyme stehen für Infektanfälligkeit bzw. Immundysregulation

„ELVIS“ (pathologische Infektanfälligkeit)

  • Erreger
  • Lokalisation
  • Verlauf
  • Intensität

„GARFIELD“ (Immundysregulation)

  • Granulome
  • Autoimmunität
  • Rezidivierendes Fieber
  • Fieber
  • Ekzeme
  • Lymphoproliferation
  • Chronische Darmentzündung

Disclaimer

Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.

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