Hydroa vacciniforme L56.8

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Co-Autor: Sietske Poortinga

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Zuletzt aktualisiert am: 23.04.2022

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Synonym(e)

Bazin`s hydroa vacciniforme; Dermatopathia photogenica; Hidroa aestivale; Hidroa aestivalia; Hidroa vacciniforme; Hidroa vacciniformia; Hidroa vacciniformis; Hydroa vaccinfomia; Hydroa vacciniformia; Sommerprurigo Hutchinson

Erstbeschreiber

Bazin 1862

Definition

Seltene Lichtdermatose mit pathologisch gesteigerter Lichtempfindlichkeit und intermittierender Ausbildung von juckenden und brennenden ErythemenPapeln, urtikariellen Plaques, Blasen und konsekutiven Narben in den belichteten Arealen. Störungen des Porphyrinstoffwechsels bestehen nicht!

Einige Autoren definieren die Hydroa vacciniforme als eine kutane Untergruppe der mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) assoziierten lymphoproliferativen T / NK-Erkrankungen (LPDs) (Iwatsuki K et al. 2019). 

Vorkommen/Epidemiologie

Prävalenz: 0,1-0,5/100.000 Einwohner/Jahr.

Ätiopathogenese

Es wird eine enge Verwandtschaft zur polymorphen Lichtdermatose angenommen und somit eine Überempfindlichkeitsreaktion vom verzögerten Typ auf ein bisher unbekanntes photo-induziertes Antigen vermutet.

Wahrscheinlich jedoch spielen virale Infekte eine komorbide Rolle. So wurden Assoziationen mit einer Epstein-Barr Virus-Infektion beschrieben (serologischer EBV-Nachweis und PCR-Nachweis von EBV-Antigen im läsionalen Gewebe), wie auch (deutlich seltener) mit einer Herpes simplex Virus-Infektion

Genetische Faktoren werden bei familiärer Häufung vermutet.

Manifestation

Im frühen Kindesalter, meist 3.-15. LJ auftretend, seltener bei Säuglingen oder Erwachsenen. Keine Geschlechtspräferenz. Erkrankungsbeginn in Frühjahr oder Frühsommer, meist wenige Stunden nach Sonnenexposition.

Lokalisation

Lichtexponierte Areale, insbesondere Gesicht und Hände.

Klinisches Bild

Plötzlich, meist wenige Stunden nach Sonnenexposition auftretende, an den lichtexponierten Arealen, umschriebene Erytheme mit Ausbildung von bis zu 2,0 cm großen, teilweise genabelten Blasen mit serösem oder hämorrhagischem Inhalt.

Eintrocknen, Bildung eines schwärzlichen Schorfes, nach dessen Abstoßung schüsselförmige, varioliforme, oft depigmentierte Narben entstehen. Gleichzeitiges Vorkommen aller Stadien, sodass ein polymorphes Erscheinungsbild resultiert. Entstellende Mutilationen von Nase und Ohrmuscheln sind möglich. Weiterhin sind ophthalmologische Komplikationen in Form von rezidivierenden Keratokonjunktivitiden beschrieben (Mortazavi H et al. 2015). 

Bei schwer verlaufenden Fällen kann es zu Fieberreaktionen und Störungen der Allgemeinbefindens kommen. 

Labor

Kein Hinweis für Porphyrie.

Histologie

Intra- und subepidermale Blasen; nekrotische Areale in der Epidermis mit umgebendem chronisch-entzündlichem Infiltrat.

Diagnose

Klinik; Photoprovokation insbesondere mit UVA (z.B. 3mal 1-1,5 MED UVA1 im Abstand von jeweils 24 Std.); Histologie; Porphyrine im Stuhl und Serum (Ausschluss Porphyrie).

Differentialdiagnose

Erythropoetische Porphyrie (Nachweis von Porphyrinen in Blut und Urin; Erythrozytenfluoreszenz) 

Hepatische Porphyrie (Nachweis von Porphyrinen in Blut und Urin)

Erythema (exsudativum) multiforme (exanthematischer Verlauf; Kokardenform der Effloreszenzen)

Aktinische Prurigo (seltene Lichtdermatose, flächig lichenifizierte Herde) 

Bullöser Lupus erythematodes (selten, v.a. an nicht-lichtexponierten Arealen, Histo)

Bullöse Impetigo (große, schlaffe Blasen auf gerötetem Untergrund, mit zunächst klarem, dann weißlich-grauem, rahmig eitrigem Inhalt)

Hydroa vacciniformia-artiges Lymphom (histologische Abklärung mit unreifzelligem Infiltrat)

Externe Therapie

Im akuten Stadium kurzfristig Glukokortikoide wie zB. Prednicarbat (z.B. Dermatop Creme). Augenbeteiligung abklären und ggf. behandeln. 

Wichtig ist der Lichtschutz von Haut und Augen.  

Interne Therapie

In schweren Fällen systemische Glukokortikoide (50-75 mg Prednison p.o.). Therapieansätze mit Chloroquin sind beschrieben, aber nicht überzeugend; ebenso Therapieansätze mit Pyridoxin (600mg/Tag). 

Ein Versuch mit Beta-Karotin erscheint sinnvoll. 

Verlauf/Prognose

Häufig alljährliche Rezidive im Frühjahr. Spontanes Abklingen postpubertär.

Prophylaxe

Vermeiden von direkter Sonnenlichtbestrahlung, UV-Schutz-Brille. Konsequenter Lichtschutz für UVA und UVB.

Sinnvoll ist Light-hardening mit Schmalband-UVB oder PUVA vor Beginn der sonnenreichen Jahreszeit.

Hinweis(e)

Eine höchst überflüssige Diskussion über die Bazin'sche Bezeichnung "Hydroa vacciniforme" währt seit ihrer Erstbezeichnung im Jahre 1862 (s.u. Synonyma). Der Begriff "Hydroa" ist in keinem Sprachlexikon zu finden, also eine fehlerhafte Wortneuschöpfung, der schon Joseph Jakob Plenck und der französische Baron Jean Louis Alibert zum Opfer fielen. Bazin bezeichnete ursprünglich die Krankheit als "l'hydroa boulleux" (konsequenter wäre, wenn schon axiologisch falsch, "boulleuse" in der weiblichen Schreibweise) und leitete das Wort "Hydroa" von Wasser ab, was nach Rille terminologisch kompletter "nonsens" ist. Hidroa stammt von "hidros" - Schweiß - ab. Somit wäre die richtige Bezeichnung "Hidroa vacciniformia". Aber nichts hält sich in der Medizin so sicher wie Fehlbezeichnungen. Also folgen wir seufzend dem Zwang der internationalen Mehrheit und bleiben bei einem linguistischen Fehltritt (nachzulesen bei Johann Heinrich Rille 1938), der auch hinsichtlich seiner ätiopathogenetischen Deutung kerzengerade in die Sackgasse führt.    

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Bazin E (1862) Lecons theoriques et cliniques sur les affections generiques de la peau. Paris Delabrage 1: 133-134
  2. Di Lernia V et al. (2013) Epstein-Barr virus and skin manifestations in childhood. Int J Dermatol 52:1177-1184
  3. Guo N et al. (2019) Clinicopathological categorization of hydroa vacciniforme-like lymphoproliferative disorder: an analysis of prognostic implications and treatment based on 19 cases. Diagn Pathol 14:82.

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  5. Haddad JM et al. (2014) Hydroa vacciniforme: a rare photodermatosis. Dermatol Online J  PubMed PMID: 25148284.
  6. Hann SK et al. (1991) Hydroa vacciniforme with unusually severe scar formation: diagnosis by repetitve UV-A phototesting. J Am Acad Dermatol 25: 401-403
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  8. Iwatsuki K et al. (1999) The association of latent Epstein-Barr virus infection with hydroa vacciniforme. Br J Dermatol 140: 715-721
  9. Iwatsuki Ket al. (2019) Hydroa vacciniforme: a distinctive form of Epstein-Barr virus-associated T-cell lymphoproliferative disorders. Eur J Dermatol 29: 21-28. 
  10. Jaschke E et al. (1981) Hydroa vacciniforme - Aktionsspektrum. UV-Toleranz nach Photochemotherapie. Hautarzt 32: 350-353
  11. Miranda MFR et al. (2018) Hydroa Vacciniforme-Like T-Cell Lymphoma: A Further Brazilian Case. Am J Dermatopathol 40:201-204
  12. Mortazavi H et al. (2015) Hydroa vacciniforme with eye involvement: report of two cases. Pediatr Dermatol 32:e39-41.
  13. Pahlow Mose A et al. (2014) Antiviral treatment of a boy with EBV-associated hydroa vacciniforme. BMJ Case Rep doi: 10.1136/bcr-2014-206488
  14. Rille JH (1938) Hydroa vacciniformis oder vacciniforme? Archiv für Dermatologie und Syphilis 177: 122-124
  15. Stratigos AJ et al. (2003) Spectrum of idiopathic photodermatoses in a Mediterranean country. Int J Dermatol 42: 449-454
  16. Uchiyama M et al. (2015)  A case of recurrent facial herpes simplex mimicking hydroa vacciniforme. Int J Dermatol 54(3):e84-85

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