Atopische Dermatitis im Säuglingsalter L20.8

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 22.04.2025

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Synonym(e)

Atopic dermatitis; Atopisches Ekzem des Säuglings; Crusta lactea; eccema infantum; Ekzem Säuglingsekzem konstitutionelles; Frühexsudatives Ekzematoid; Konstitutionelles Säuglingsekzem; Milchschorf; Neurodermitis; Säuglingsekzem

Definition

Chronische Ekzemform des Säuglings die sich im Gegensatz zu dem  seborrhoischen Ekzem im Kindesalter nicht vor dem 3. Lebensmonat manifestiert.

Ätiopathogenese

Unterschiedliche Faktoren werden diskutiert, u.a. Ernährungsstörungen/-allergien (Kuhmilch, Ei, säurehaltige Nahrungsmittel, Tomaten), Dysfunktion der Talgdrüsen, Infektionen durch Malassezia species. Echte Nahrungsmittelallergien werden allerdings nur bei etwa 1/3 der Säuglinge gefunden.

Manifestation

Im 1. Lebensjahr, nicht vor dem 3. Lebensmonat.

Lokalisation

Beginn an den Wangen, dann Kapillitium, Hals, Extremitäten (eher streckseitig als beugeseitig), evtl. gesamte Körperoberfläche.

Klinik

Unterschiedlich ausgeprägte, chronisch persistierende oder rezidivierende Dermatitis, die von leichter Sebostase, über diffuse Erytheme bis hin zu ausgedehnten Entzündungsherden der Haut reichen kann.  

Neben diffusen schuppenden Erythemen kommt es zur Ausbildung kleiner Papeln, Papulovesikel oder schuppenden Plaques.  Stets begleitend ein unterschiedlich ausgeprägter häufig quälender Juckreiz der die Säuglinge (und die Eltern) nicht zur Ruhe kommen läßt. Ein Übergang in nässende, später verkrustete Ekzemplaques ist möglich.  

Oft bakterielle Sekundärinfektionen v.a. bei nässenden Stellen.

Am Capillitium flächenhafte festhaftende Schuppenauflagerungen möglich die u.U. des gesamten Bereich des behaarten Kopfes gleichmäßig überziehen können. Der Vergleich zu verbrannter Milch führte zu dem Begriff Crusta lactea oder Milchschorf.

Die Maximalvariante ist das erythrodermische atopische Ekzem des Säuglings (S.a. Ekzem atopisches erythrodermisches). 

Der Windelbereich bleibt, auch bei ausgeprägter und großflächiger Ekzemreaktion typischerweise frei (wichtiges diagnostisches Zeichen).

 

Differentialdiagnose

Die schwere atopische Dermatitis muss von Krankheitsbildern untershcieden werden bei denen schwere Immundefekte mit ekzematösen Veränderungen kombiniert auftreten. Hierzu gehören: 

Hyper-IgE-Syndrom (rezidiverende Pneumonien, Hautinfektionen "kalte Abszesse")

Omenn-Syndrom (Neonatale ichthyosiforme Erythrodermie, Alpezie, Hepatomegalie, Lymphasdenopathie, Gedeihsötrungen)

Wiskott-Aldrich-Syndrom (männliche Säuglinge/Kleinkinder, generalisiertes Ekzembild mit petechchialer Note, rezidivierende Infekte)

Netherton-Syndrom (neonatale ichthysiforme Erythrodermie, serpiginöse Erytheme mit randständiger Schuppenkrause/Ichthyosis linearis circumflexa, rarifizierte Kopfhaardichte, Trichorrhexis invaginata)

IPEX (männliche Säuglinge/Kleinkinder, Immundysregulationen, Polyendokriknopathie, Enteropathie, X-chromosomale Vererbung. An der Haut besteht eine generalisierte pruriginöse Dermatitis, die teils lichenoid, teils psoriasiform oder einer atopischen Dermatitis gleichend auftritt).

CBM-opathien: Immundefekte durch Mutationen im CADD11-BCL10-MALT1-Komplex.

Komplikation(en)/Assoziierte Erkrankungen

Assoziierte Nahrungsmittelallergien: Ewa jeder dritte schwer betroffene Säugling weist zusätzlich eine Nahrungsmittelalergie auf. Am häufigsten lassen sich Sensibilisierungen gegen Hühnerweiweiss, Kuhmilch, Erdnuss, Soja oder Baumnüsse nachweisen.  

Kinder mit schweren atopischer Dermatitis zeigen eine erhöhte Assoziation mit Aufmerksamkeit-Defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS).Dabei steigt die Odds-Ratio mit dem Grad der Schlafstörung. Schwer betroffene Kinder haben krankheitsbedingt außerdem häufigere Fehlzeiten in der Kindertagesstätte. 

Zur Abgrenzung einer schweren atopischen Dermatitis von dermatitischen Veränderungen bei Immundefekten sind anamnestische Hinweise, Besonderheiten des klinischen Bildes und eine orientierende Labordiagnostik wegweisend:

  • ungewöhnlich frühe Manifestation (postpartal oder in den ersten Lebenswochen)
  • schwerer, großflächiger, disseminierter Befall (Maximalvariante: neonatale Erythrodermie, kongenitale Ichthyose) mit rezidivierenden Hautabszessen, chronischen Candidainfektionen der Haut, Schleimhäute und/oder der Nägel.
  • therapierefraktärer Verlauf
  • Hinzu kommen Zeichen der Immundysregulation die unter dem Akronym GARFIELD zusammengefasst werden und Laborveränderungen (Serum IgE>100jU/l, schwere Eosinophilie (>1.500/ul), Lymphopenie, Neutropenie, Thrombozytopenie, Anämie; Hypogammaglobulinämie kann ein Warnzeichen für einen B-Zell-Defekt sein!) (Weins Ab et al. 2024).

 

Therapie

Meiden möglicher auslösender Allergene, z.B. Milcheiweiß, Kontakt mit Tierepithelien. Tragen luftdurchlässiger Kleidung (möglichst Baumwolle). Symptomatische externe Therapie mit pflegenden Externa wie Ungt. emulsif. aq., 2-5% Harnstoff-Creme/Lotio (Eucerin 3% Urea Lotion, R102 ), Penaten-Öl, 5% Dexpanthenol-Creme (z.B. Bepanthen Creme, R064 ), Baden in Ölbädern (z.B. Balneum Hermal), Vermeiden von Irritationen und Okklusion.

Verlauf/Prognose

Beim klassischen Typ der frühkindlichen atopischen Dermatitis entwicklet sich nach anfänglicher Betonung der der Kopf-Hals-Region und der strekcseiten der Extremitäten im Kleinkindesalter eine zunehmende Beugebetonung. Den nummulären Typ kennzeichnet eine deutlich stärkere Infiltration der ekzematösen Plaques bei nur gering ausgeprägter Sebostase. Bei stärkerer Exsudation lässt sich in der Regel eine Besiedlung mit Staphylokokkus aureus nachweisen.

Typische irritative Provokationsfaktoren bie Kleinkindern sind ungüsntige Kleidung (Wolle-Seide-Strampler-Synthetik-Strumpfhosen) oder das Babyschwimmen in stark gechlortem Wasser.        

Abheilung, aber auch Übergang in ein atopisches Ekzem des Erwachsenen möglich.

Literatur
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  1. Baumann U et al. (2010) Primäre Immundefekte - Warnzeichen und Algorithmen zur Diagnosefindung. In: Vol. 1. Auflage. D-28323 Bremen: UNI-MED Verlag AG 2010.
  2. Cunningham-Rundles C et al. (1999) Common variable immunodeficiency: clinical and immunological features of 248 patients. Clin Immunol 92:34-48.
  3. Monto AS et al. (1993) Acute Respiratory Illness in the Community - Frequency of Illness and the Agents Involved. Epidemiol Infect 110:145-160.
  4. Weins AB et al. (2024) Severe atopic dermatitis in early infancy: characteristics, challenges and new perspectives in clinical practice. J Dtsch Dermatol Ges 22:350-355.  

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