Anetodermie L90.1

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 15.02.2024

This article in english

Synonym(e)

Anetoderma; Anetoderma maculosa cutis; Anetodermia; Anetodermia erythematosa; Atrophia maculosa cutis; Atrophoderma maculosa pemphigoides; Atrophodermie erythemateuse en plaques; Dermatitis atrophicans maculosa; Dermatitis maculosa atrophicans; Elastolyse erworbene; Macular atrophy

Erstbeschreiber

Schweninger u. Buzzi, 1881; Pellizari, 1884; Jadassohn, 1892

Definition

Die Anetodermie (von griech. aneto=schlaff) bezeichnet eine Gruppe sehr seltener, erworbener, entzündlicher oder nicht-entzündlicher (idiopathischer), zur Elastolyse führender, rumpfbetonter, chronischer Bindegewebsveränderungen, die zu umschriebener Atrophie und charakteristischer hernienartiger Ausstülpung (auch Einsenkungen) der Haut führt.   

Sehr selten wird eine Lichtprovozierbarkeit der anetodermischen Herde beobachtet.

Zu dem Formenkreis der Anetodermien kann auch die Medio-dermale Elastolyse gerechnet werden, die i.A. durch großflächigere Herde gekennzeichnet ist, ätiopathogenetisch jedoch keine wesentlichen Unterschiede zur Anetodermie aufweist.  

Ätiopathogenese

Unbekannt; pathogenetisch führen primäre oder postinflammatorische Prozesse zur Fragmentierung und Rarefizierung des elastischen Fasernetzes der Haut. Nachweis von Phagozytose von Elastikafragmenten in Makrophagen. Anlagerung von IgM und C3 an die Basalmembran, von C3 auch an elastische Fasern. Biochemischer Nachweis von Desmosin (Elastin) in läsionaler Haut.

Mehrfach beschrieben ist das Auftreten der Anetodermie im Zusammenhang mit HIV-Infektionen, Syphilis sowie Lichen planus und anderen Autoimmunerkrankungen.

Merke! Ursächlich liegt der Anetodermie eine (überwiegend) erworbene (irreversible) zirkumskripte (wahrscheinlich entzündlich induzierte) Elastolyse zugrunde.

Merke! Mehrere Fälle von Familiarität der Erkrankung sind beschrieben (auch in Assoziation mit Skelett- und Augenanomalien sowie neurologischen Störungen).

Manifestation

Jugendliche und Erwachsene (2.-4. Lebensdekade), weibliche Geschlecht bevorzugt betroffen.

Klinisches Bild

Einzelne oder multiple, 0,2 cm bis 1,0 cm große, scharf begrenzte, rundliche bis ovale Herde mit häufig fein gefälteter, verdünnter Haut. Herde teils eingesunken, teils hernienartige Vorwölbung des subkutanen Fettgewebes. Die Veränderungen verursachen keine Beschwerden und werden eher zufällig entdeckt.

  • Typ Jadassohn: Anetodermie nach entzündlichem Stadium mit Rötung und Schwellung.
  • Typ Pellizari: Urtikarielles Vorstadium.
  • Typ Alexander: Nach bullösem Initialstadium.
  • Typ Schweninger-Buzzi: Ohne entzündliches Vorstadium.

 Merke! Es gibt berechtigte Zweifel an der Validität der zuvor genannten klinischen (historischen) Klassifikation; in den meisten Fällen handelte es sich um postinflammatorische (sekundäre) Elastolysen, deren Ursachen meist unbekannt bleiben!

Auch eine Unterteilung in primäre (idiopathische) und sekundäre (postinflammatorische) Anetodermien ist aus klinischer Sicht wenig befriedigend, da entzündliche Stadien eher selten beobachtet werden.

Wir verstehen die Anetodermie als atrophisch-narbiges Endstadium unterschiedlicher Entzündungsprozesse der Haut.

Histologie

Fragmentation, Rarefizierung und Phagozytose der elastischen Fasern; abschnittsweise fehlen elastische Fasern komplett. Kollagenfasern verdünnt oder fragmentiert, mit größeren Zwischenräumen zwischen den Faserbündeln (Beurteilung in der Elastica-van Gieson-Färbung). Anzahl der Fibroblasten vermindert. Je nach Akuität schüttere perivaskuläre Rundzellinfiltrate.

Bei der medio-dermalen Elastolyse bleibt der Verlust der elastischen Fasern bandförmig auf die mittlere Dermis beschränkt!

Differentialdiagnose

Therapie

Berichtet wird über verschiedene Behandlungen! Keine hat sich bei etablierten Läsionen als wirksam erwiesen. Colchicin verhindert nachweislich die Entstehung neuer primärer Anetodermie-Läsionen. Bei sekundärer Anetodermie sollte die Bekämpfung der ursächlichen Dermatosen theoretisch die Entstehung neuer Läsionen verhindern (Kineston DP et al. 2008).

Zu den anderen Behandlungen, deren Wirksamkeit nicht nachuntersucht wurde, gehören Kryotherapie, intraläsionale Steroide, Colchizin, Hydroxychloroquin, Vitamin E, orales Penicillin G, Epsilon-Aminocapronsäure, Aspirin, Niacin, Dapson und Phenytoin (Braun RP et al. 1998).

Etablierte Läsionen können zur endgültigen Behandlung exzidiert werden, was jedoch bleibende Narben hinterlässt.

Eine Laserbehandlung kann das Erscheinungsbild der Läsion verbessern, wie aus einigen Fallberichten hervorgeht (Cho S et al. 2012)

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Bilen N et al. (2003) Anetoderma associated with antiphospholipid syndrome and systemic lupus erythematosus. Lupus 12: 714-716
  2. Braun RP et al. (1998) Treatment of primary anetoderma with colchicine. J Am Acad Dermatol 38:1002-1003.
  3. Cho S et al. (2012) Treatment of anetoderma occurring after resolution of Stevens-Johnson syndrome using an ablative 10,600-nm carbon dioxide fractional laser. Dermatol Surg 38:677-679.
  4. Dikarinen AI, Palatsie R, Adomian GE et al. (1984) Anetoderma: Biochemical and ultrastructural demonstration of elastin defect in the skin of three patients. J Am Acad Dermatol 11: 66–72
  5. Emer J et al. (2013)  Generalized Anetoderma after Intravenous Penicillin Therapy for Secondary Syphilis in an HIV Patient. J Clin Aesthet Dermatol 6:23-28
  6. Fujioka M et al. (2003) Secondary anetoderma overlying pilomatrixomas. Dermatology 207: 316-318
  7. Fukayama M et al. (2018) Japanese familial anetoderma: A report of two cases and review of the published work. J Dermatol 45:1459-1462.

  8. Ghomrasseni S et al. (2002) Anetoderma: an altered balance between metalloproteinases and tissue inhibitors of metalloproteinases. Am J Dermatopathol 24: 118-129
  9. Hodak E et al. (2003) Primary anetoderma: a cutaneous sign of antiphospholipid antibodies. Lupus 12: 564-568
  10. Hunt R (2011) Circumscribed lenticular anetoderma in an HIV-infected man with a history of syphilis and lichen planus.Dermatol Online J 17: 2
  11. Jadassohn J (1892) Über eine eigenartige Form von Atrophia maculosa cutis. Arch Dermatol Syphilol (Berlin) 1: 342-358
  12. Kasper RC et al. (2001) Anetoderma arising in cutaneous B-cell lymphoproliferative disease. Am J Dermatopathol 23: 124-132
  13. Kineston DP et al. (2008) Anetoderma: a case report and review of the literature. Cutis 81:501-506.
  14. Patrizi A et al. (2011) Familial anetoderma: a report of two families. Eur J Dermatol 21:680-685
  15. Pellizari C (1884) Eritema orticato atrofizzante atrophia partiale idiopathica della pelle. Gior Ital Mal Ven 19: 230
  16. Schweninger E, Buzzi F (1881) Multiple benign tumor like new growth of the skin. In: Internationaler Atlas von seltenen Hautkrankheiten, Teil 5 Tafel 15. L. Voss, Leipzig

Disclaimer

Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.

Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 15.02.2024