Pruritus des Skrotums L29.1

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 27.09.2022

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Synonym(e)

Ano-genitaler Pruritus; Genitalpruritus; Hodenjuckreiz; Juckreiz am Hodensack; Juckreiz am Skrotum; Juckreiz des Skrotums; Pruritus scroti; Skrotalpruritus

Definition

Der Juckreiz des Skrotums ist ein häufiges, polyätiologisches,  akutes oder chronisches bzw. chronisch- rezidivierendes Symptom, das deutlich die Lebensqualität des Betroffenen reduziert, indem es die täglichen Abläufe des Lebens stört (Köhn M et al. 2018). Beim akut auftretenden Juckreiz kann die auslösende Ursache meist rasch gefunden werden. Beim chronischen Juckreiz muss eine sorgfältige Anamnese erhoben werden um die Zusammenhänge besser verstehen zu können.

Vorkommen/Epidemiologie

Infektionen 

  • Candidose der Genitalregion
  • Pediculosis pubis
  • Tinea inguinalis
  • Lokalisierte Skabies
  • Condylomata acuminata
  • Oxyuriasis

Dermatologische Grunderkrankungen mit Juckreiz

  • Allergische Kontaktdermatitis
  • Toxisches Kontaktekzem (übertriebene Reinlichkeit)
  • Atopische Dermatitis (auch als lokalisierte Minusvariante)
  • Lichen planus
  • Intertrigo
  • Psoriasis (intertriginöse Psoriasis, auch isoliert auftretend)
  • Pemphigoid bullöses (selten)
  • Dyskeratosis follicularis (selten)
  • Pemphigus chronicus benignus familiaris  
  • Lichen sclerosus et atrophicus
  • Urtikaria

Metabolische und endokrine Störungen

  • Diabetes mellitus (s.a. Diabetes mellitus Hautveränderungen)
  • Nierenerkrankungen (v.a. Dialysepatienten)
  • Lebererkrankungen (Bilirubinerhöhungen)
  • Hyper/Hypothyreose (s.a. Schilddrüsenerkrankungen Hautveränderungen)
  • Hypovitaminosen (insbes. B6-Mangel; Pellagra mit pellagroider Skrotaldermatitis)
  • Sonstige Systemerkrankungen
  • Eisenmangelanämie
  • Polycythämia vera
  • Morbus Hodgkin

Psychische Faktoren:

  • Psychogene Faktoren (Abwehr- oder Wunsch-Symptom).
  • Pruritus scroti als Zeichen einer somatoformen Störung.

Sonstige:

  • Pruritus scroti bei Harn-und/oder Stuhlinkontinenz
  • Pruritus bei altersbedingten Involutionsvorgängen (sog. seniler Pruritus)
  • Pruritus bei lumbosakralen Radikulopathie (radiologische und neurologische Abklärung - Messung der Nervenleitgeschwindigkeit - Cohen A et al. 2005) 
  • Pruritus bei erhöhter mechanischer un/oder thermischer Belastung (Dauerlaufen, größere Spaziergänge)
  • Anale Fissuren
  • Fisteln
  • Entzündliche Darmerkrankungen
  • Extramammärer Paget (Cervantes J et al. 2018)

Ätiopathogenese

Die Ursachen sind vielfältig und umfassen einerseits lokalisierte Hauterkrankungen, andererseits polytopische Hauterkrankungen mit Beteiligung des Genitals (Skrotums) oder auch allgemeine mit Pruritus eingehergehende Systemerkrankung (z.B. Diabetes mellitus, chronische Nieren- und Lebererkrankungen oder neurologische Erkrankungen). Bei pruritischen internistischen Systemerkrankungen ist es allerdings eher selten, dass sich der Juckreiz nur auf die männlichen Genitalien begrenzt. Letztlich kommen psychosomatische Erkrankungen in Frage.

Klinisches Bild

Kratzen im Skrotalbereich führt, unabhängig von der Ursache, sehr rasch zu Erythemen, und bei dauerhaftem Kratzen zu einer Lichenifikation mit Verdickung der Skrotalhaut. Es können sich rundliche und striäre Exkoriationen sowohl im Bereich des Skrotums als auch des Schrittes, oft auch übergehend auf die Oberschenkel, zeigen.

Häufig jedoch ist der klinische Befund diskret. Es finden sich unscharf begrenzte Rötungen, Exkoriationen ggfl. mit Krustenbildungen, feinlämelläre Schuppungen. Bei längerer Bestandsdauer eines intensiven Juckreizes kommt es zu Lichenenifikationen der Skrotalhaut.

Chronische Dermatitis: Am häufigsten handelte es sich um eine toxische Kontaktdermatitis, ausgelöst durch chronische Irritationen, z.B. bei Harn- und/oder Stuhlinkontinenz, durch häufiges übertriebenes Waschen mit Detergenzien, durch die Anwendung von Kosmetika, Duftstoffen, Desinfektionsmitteln u.a.

Unter Pruritus scroti und ggfls. skrotalem Wundsein leiden z.B. verstärkt Langstreckenläufer oder Triathleten. Auch nach langen sommerlichen Spaziergängen kann sich deutlicher Pruritus einstellen. Ursächlich sind erhöhtes Schwitzen und längerzeitige mechanische Irritationen. Weiterhin sollte das Tragen ungeeigneter Slips vermieden werden, deren Zuschnitt den Direktkontakt von Skrotum und Oberschenkelinnseiten nicht verhindern (z.B. weite Boxershorts).

Auch Einlagen bei Inkontinenz oder Kondome stellen mögliche Kontaktnoxen dar. Mitauslösend sind Okklusiveffekte, durch enganliegende Kleider (Chan MP et al. 2015).

Atopische Dermatitis: Nicht selten ist eine (lokalisierte) atopische Dermatitis Ursache eines Pruritus im Genitalbereich. Auch der Lichen simplex chronicus kann ursächlich sein.

Kontaktallergische Dermatitis: Ernstzunehmende Allergene beim männlichen genitalen Juckreiz stellt die Kleidung dar; Unterwäsche und ihre Zusätze z. B. Farbstoffe. Besonders dunkle Farben können allergische Reaktionen auslösen, ebenso Duftstoffe in feuchten Toilettenpapieren oder Waschmitteln.

Infektionen: Eine weitere Ursache des skrotalen Juckreizes sind Infektionen mit Hefepilzen (meist Candida albicans) und Fadenpilzen. Weiterhin sind Filzläuse und eine Skabies auszuschließen.

Senile Atrophie des Skrotums: Altersinvolutionen des Skrotums können zu einer beträchtlichen pergamentartigen Atrophie der Skrotalhaut mit Exsikkose Pruritus und feinlamellärer Schuppung führen (Berger TG et al. 2013).

Therapie

Die Therapie richtet sich nach der zugrundeliegenden Ursache (s.a. unter Genitalekzem). Bei toxischer oder allergischer Dermatitis wird eine kurzfristige Therapie mit einem Klasse II Glukokortikoid sinnvoll sein. Der infektbedingte Juckreiz bedarf einer spezifischen Therapie (antimykotisch, antiskabiös). Bei der senilen Skrotalatrophie empfiehlt sich eine konsequente fettende Pflege sowie das Vermeiden von Reizen jeglicher Art (Kantor GR 1990). Bei Fällen von systemisch ausgelöstem Juckreiz ist eine interdisziplinäre ärztliche Betreuung erforderlich, die in der Regel zu einer Aufklärung und einer erfolgreichen Therapie führt. Auch somatoforme Störungen sollten berücksichtigt werden.

 

Hinweis(e)

Bei Puritus scroti ist auch auf Erkrankungen der Glans penis (Balanitis), ferner auf eine Erkrankung des inneren Präputialblattes (Posthitis) zu achten. Im Bereich der Glans penis sollte stets auch auf das Vorliegen eines Lichen sclerosus et atrophicus, einer Zoon`schen Balanitis bzw. auf eine Candidabalanitiis geachtet werden.

Literatur
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  1. Berger TG et al. (2013) Pruritus in the older patient: a clinical review. JAMA 310:2443-2450.
  2. Cervantes J et al. (2018) Enlarging Bump on the Scrotum. Skin Appendage Disord 5:52-55.
  3. Chan MP et al. (2015) Vulvar dermatoses: a histopathologic review and classification of 183 cases. J Cutan Pathol 42: 510-518
  4. Cohen A et al. (2005) Neuropathic scrotal pruritus: anogenital pruritus is a symptom of lumbosacral radiculopathy. J Am Acad Dermatol 52:61-66

  5. Kantor GR (1990) What to do about pruritus scroti. Postgrad Med 88:95-96

  6. Köhn M et al. (2018) IN: G. Plewig et al. (Hrsg.), Braun-Falco`s Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Springer Reference Medizin S.1504
  7. Surani A et al. (2018) Multiple pruritic plaques on scrotum-what is your diagnosis? Indian J Sex Transm Dis AIDS 39:141-142.

Verweisende Artikel (2)

Genitalpruritus; Pruritus, Genitalpruritus;

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