Neurokinin-Rezeptorantagonisten

Autor: Dr. med. Christina I. Hirth

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Zuletzt aktualisiert am: 13.12.2025

Definition

Neurokinin-Rezeptorantagonisten (NK-RA) sind Substanzen, die die Wirkung durch spezifische Neuropeptide/ Neurohormone am jeweiligen Neurokinin-Rezeptortyp vermittelte Signalübertragung selektiv blockieren.

Die Gruppe der Neurokinin-Rezeptoren (auch als Tachikininrezeptoren bekannt) besteht aus drei Rezeptortypen dem Neurokinin-1-Rezeptor (NK1-R) dem Neurokinin-2-Rezeptor (NK2-R) und dem Neurokinin-3-Rezeptor (NK3-R), die jeweils mit unterschiedlicher Affinität durch verschiedene Neuropeptide/Neurohormone (Substanz P, Neurokinin A, Neurokinin B) aktiviert werden. Die Neurokinin-Rezeptorfamilie wiederum ist Teil der großen, sehr umfangreichen Gruppe der G-Protein gekoppelten Rezeptoren (G-protein coupled receptors GPCRs), die auf Zellmembranen lokalisiert sind und extrazelluläre Signale durch z.B. Hormone oder Neurotransmitter zu intrazellulären Reaktionen vermitteln.

Neurokinin-Rezeptoren sind weitverbreitet im zentralen und peripheren Nervensystem sowie in peripheren Organsystemen wie z.B. Verdauungssystem, Herz und Gefäßen, Skelettmuskel, Immunsystem, Urogenitalsystem und spielen eine wichtige Rolle bei der zentralen und peripheren Regulation und Vermittlung zahlreicher physiologischer Prozesse, wie Regulation des Hormonhaushaltes, autonome Regulation von Herz und Gefäßen, Neuroimmunologische Regulation und Immunmodulation, Atmung, sensorischer Signalverarbeitung, Emosionen, Schmerz, Schlaf, Nahrungsaufnahme, Energiehaushalt und Metabolismus.

Aufgrund der zentralen Rolle bei der Regulierung dieser sehr unterschiedlichen, vielfältigen und wichtigen physiologischen Prozesse haben sie in jüngster Zeit zunehmende Bedeutung als Drug Target in der Entwicklung neuer medikamentöser Therapien erlangt.

 

Neurokinin-1-Rezeptorantagonisten (NK1-RA) sind Substanzen, die im Gehirn den Neurokinin-1 Rezeptor (NK1-R) selektiv blockieren und die Wirkung des Liganden Substanz P (SP) hemmen.

NK1-R finden sich weit verbreitet im gesamten Körper, haupsächlich aber lokalisiert im zentralen und peripheren Nervensystem, insbesondere in Hirnregionen, die wesentlich die Regulation von Schmerz und Erbrechen kontrollieren, wie Nucleus tractus solitarius und der Area postrema in der Medulla oblongata (Hirnstamm). Haben darüberhinaus aber auch weitreichende Bedeutung in der Verarbeitung sensorischer Information, Emotion, sowie endokrine and parakrine Sekretion, autoregulatorische Funktionen wie Vasodilation, und auch in der Regulation von Zellproliferation und Immunität.

NK1-RA werden derzeit zur Prävention und Behandlung von Chemotherapie induziertem verzögertem Übelkeit und Erbrechen (CINVchemotherapy-induced nausea and vomiting) eingesetzt.

In der EU zugelassen und in Deutschland im Handel sind folgene Substanzen:

Aprepitant (Emend®), oral

Fosaprepitant als Prodrug von Aprepitant, iv

Rolapitant (Rezumen®) oral

Netupitant (auch mit Palonosetron (5-HT3-Antagonist) als Akynzeo®)

 

Neurokin-2-Rezeptorantagonisten (NK2-RA) sind Substanzen, die selektiv den NK2-R und damit die Wirkung des hauptsächlichen Liganden Neurokinin A (NKA) blockieren.

NK2-R finden sich im zentralen und peripheren Nervensystem, sowie in verschiedenen peripheren Organen, wie Ileum und Immunsystem  NK2-R wird hauptsächlich durch das Neuropeptid Neurokinin A aktiviert. Es wird vermutet, daß NK2-R bei der Enstehung depressiver Erkrankungen eine Rolle spielt und daneben eine wichtige Bedeutung in der neurohumoralen Regulation des Immunsystems und bei der Entstehung von chronischen Entzündungen und Autoimmunerkrankungen hat. NK2-R ist daher Drug Target für Substanzen zur Behandlung von Depressionen, chronischen Entzündungen wie Asthma, Colitis sowie zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen.

Drei NK2-RA (Saredutant, Ibodutant, Nepadudant) haben in Phase III Studien jedoch keine Wirkung gezeigt und es gibt derzeit keine zugelassenen Substanzen in der EU.

Jüngere Studien zeigen daneben, daß NK2-R auch eine Rolle in der Regulation des Energiehaushaltes und wichtiger metabolischer Vorgänge spielen könnten. Derzeit befinden sich daher Substanzen, die als NK2-R Agonisten wirken und potentiell zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden könnten im frühen experimentellen Stadium als Drug Target am NK2-R.

 

Neurokinin-3-Rezeptorantagonisten (NK3-RA) sind Substanzen, die im Gehirn den NK3-R selektiv blockieren und die Wirkung des Neurotransmitters Neurokinin-B (NKB) hemmen.

NK3-R finden sich in unterschiedlichen Hirnregionen z.B. Frontaler Kortex, Amygdala, Mediales Septum und Hippocampus und auch in anderen Organen wie Ovarien, Uterus und Verdauungsorganen. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Signalübertragung der hypothalamisch-pituitär-gonadalen (HPG) Achse und beeinflussen die zentrale Regulation fundamentaler physiologischer Prozesse wie Regulation der Sexualhormone und Reproduktion, Themperaturregulation, Regulation des Flüssigkeitshaushaltes, Ausschüttung von Vasopressin, Regulation kardiovaskulärer Funktionen, Schmerz, Lokomotion, psychischer Zustände, Belohnung, Merkfähigkeit und Erinnerung.

Neurokinin-B ist ein Peptidhormon (Neuropeptid, Neurohormon) das im Hypothalamus gebildet wird und u.a. die stärkste Wirkung auf den Neurokinin-3-Rezeptor hat (preferentieller Signalligand).

Neurokinin B zeigt in seiner Wirkung als Signalligand signifikant geschlechtsspezifische Wirkung, die bei Frauen über Östrogen und bei Männern über Androgene vermittelt wird.

NK3-RA werden aufgrund ihrer zentralen Wirkung auf die Thermoregulation zur nichthormonellen Behandlung von moderaten bis schweren vasomotorischen Symptomen (Hitzewallungen) bei Frauen in der Menopause, sowie bei Frauen mit hormonsensitiven Mammacarcinom unter antiöstrogener Behandlung eingesetzt.

In der EU sind derzeit folgende Neurokinin-3-Rezeptorantagonisten zugelassen:

Fezolinetant (Veoza®) zugelassen 2023, seit 2024 in Deutschland im Handel. Erster zugelassener NK3-RA für die Behandlung vasomotorischer Symptomatik bei Frauen in der Menopause.

Elinzanetant (Lynkuet®) ist ein dualer Neurokinin-NK1/NK3-Rezeptorenantagonist, der in der EU seit Herbst 2025 zugelassen ist und damit die zweite nichthormonelle Behandlungsalternative für vasomotorische Bescherden. Die Substanz ist der erste duale NK1-RA/NK3-RA und soll auch positiv auf Schlafstörungen wirken. Das Präparat ist in Deutschland noch nicht im Handel.

Zur erfolgreichen Behandlung von refraktären Hitzewallungen bei Männern mit Prostatakarzinom unter antiandrogener Therapie siehe Case Report NEJM (Lin KR et al 2025).

 

 

Literatur
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