04.12.2018

Wir möchten Sie gut ernährt wissen

Die Weihnachtszeit sind die „süßesten Wochen“ des Jahres. Gebäck, kandierte Schnuckereien, üppige Abendessen und die Weihnachtsmärkte locken überall. Für den durch Allergien geplagten Patient ist wichtig zu wissen, dass nicht immer alle Inhaltsstoffe ausgewiesen werden. Und so kommt es vor, dass sich Allergien und Intoleranzen in dieser Zeit verstärken oder sogar erstmals ausbrechen. Für eine allergische Reaktion genügen unter Umständen schon 100 µg der allergenen Proteine oder Stäube einer allergenen Substanz, die durch Verarbeitungsabläufe dorthin gelangt ist, wo sie niemand vermutet.

Liebe Kollegen und Kolleginnen,

ich schreibe Ihnen heute persönlich, weil wir uns mitten in den „süßesten Wochen“ des Jahres befinden. Gebäck, kandierte Schnuckereien, üppige Abendessen und die Weihnachtsmärkte locken überall. Für den durch Allergien geplagten Patient ist wichtig zu wissen, dass nicht immer alle Inhaltsstoffe ausgewiesen werden. Und so kommt es vor, dass sich Allergien und Intoleranzen in dieser Zeit verstärken oder sogar erstmals ausbrechen. Für eine allergische Reaktion genügen unter Umständen schon 100 µg der allergenen Proteine oder Stäube einer allergenen Substanz, die durch Verarbeitungsabläufe dorthin gelangt ist, wo sie niemand vermutet.

Zahlreiche Allergene sind außerdem hitzestabil und werden durch das Rösten oder Backen nicht zerstört. Ja, ihre Allergenität kann noch akzentuiert hervortreten. Wann immer Sie also bei Ihren Patienten Unverträglichkeiten vermuten, wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, juckende Erytheme oder Quaddeln, Flatulenz, Völlegefühl, Ödeme, Haarausfall, Obstipation oder Diarrhöe, oder einen permanent niedrigen Eisenspiegel; empfehlen sie Ihren Patienten, eine Pause einzulegen mit der Bitte um eine subtile Überlegung hinsichtlich ihrer Ernährung.

Wussten Sie eigentlich, dass bei glutenintoleranten Menschen bereits 5 mg Gluten, also ein Hauch von Nichts, in der Lage ist, einen Schub einer Zöliakie oder einer glutenbedingten Dermatose auszulösen?

Ungesättigte Fette, Glutene, Zucker, Nüsse, Erdnüsse, Sojaprodukte, Histamin sind in vielen Lebensmitteln versteckt, in denen wir sie nicht immer vermuten. Schokolade, Gebäck, Soßen, Wurstwaren, Fertigprodukte wie Pommes frites, Reibekuchen, Lakritz oder Gewürzmischungen können sie enthalten; ungewaschene, getrocknete Hülsenfrüchte, Nüsse oder Mandeln können Gluten aufweisen.

Hier einige hilfreiche Hinweise für Ihre Patienten:

  • Beachten Sie einen möglichen Zusammenhang zwischen Ernährung und klinischen Symptomen.
  • Trinken Sie einige Wochen Tees, nicht allergene Getränke und reichlich Wasser.
  • Verzichten sie mehrere Tage auf Zucker, Alkohol und Milchprodukte, denn auch diese können sich allergieverstärkend auswirken.
  • Essen Sie eine Weile gluten- laktose- und histaminfrei.
  • Sehen oder spüren Ihre Patienten nach mindestens einer Woche Erleichterung, sollten sie weiter so verfahren. Beginnen Sie stufenweise damit, innerhalb einiger Wochen einzelne Lebensmittel auf ihre Bekömmlichkeit zu überprüfen.

Nur so können Sie oder Ihre Patienten ein wirkliches Gefühl dafür bekommen, welche Produkte Reaktionen und Symptome ausgelöst haben. Dieser Weg ist zweifellos etwas mühsam, aber nicht immer lässt sich eindeutig über eine Bestimmung von Antikörpern der Übeltäter ausfindig machen. Eine gewisse Ernährungssensibilität und etwas Askese ist nach meiner langjährigen Erfahrung immer der richtige Weg.

 

Achten Sie auf Ihre Patienten, Ihre Lieben und auf sich selbst
 

Zur Zeit beschäftige ich mich intensiver mit interdisziplinären Krankheitsbildern zwischen Gastroenterologie und Dermatologie. Dabei wird Gluten ein zunehmend großes Thema. Ich habe persönlich beobachtet, dass Patienten zunehmend von Gluten-sensitiven Symptomen betroffen sind. Es ist mir dabei aufgefallen, dass dieses medizinische Feld im Vergleich zu Italien und den USA in Deutschland noch vernachlässigt wird.

 

So verhält es sich auch mit der seit langem bekannten Gluten-sensitiven Dermatitis herpetiformis Duhring (DhD). Gluten-sensitive Dermatosen verlaufen langfristig und werden meiner Erfahrung nach erstaunlich selten treffend diagnostiziert und behandelt. Sie gehen oftmals nicht mit einer klassischen Zöliakie einher. Lediglich 25% aller Dermatitis-herpetiformis-Patienten manifestieren die klassischen gastroenterologischen Symptome.

 

Die von mir beobachteten Erkrankungsfälle an DhD waren außerordentlich vielgestaltig. Sie verhielten sich eminent chronisch und schubweise. Die Schübe traten mit disseminierten Hauterscheinungen auf, begannen einige Stunden nach Glutenverzehr und intensivierten sich bei wiederholtem Konsum glutenreicher Mahlzeiten. Nicht immer fanden sich die lehrbuchmäßig beschriebenen „herpetiform angeordneten“ Effloreszenzen. Kräftig rote oder violette, 0,1-0,2 cm große, urtikarielle Papeln, Papulovesikeln, Bläschen Erosionen, auch unangenehme, tiefreichende, schmerzende Ulzera können das Bild prägen. Der brennende „Juckreiz“, der eher jedoch als ein quälend stechender Schmerz empfunden wird, ist das hervortretende Leitsymptom, das die Patienten zum Arzt führt. Diese Symptome gehen mit systemischen Beschwerden einher. Über Völlegefühl und Unwohlsein, Müdigkeit oder Übelkeit, Kopfschmerz oder Blähungen wird geklagt (nach diesen Symptomen muss man die Betroffenen explizit befragen).

Nicht selten wird die DhD-Symptomatik durch Hausstaub- und Pollenallergien überlagert. Auch Farb-, Acryl- oder Latexallergien können komplikativ auftreten.

Ihre DhD-Patienten neigen häufiger zu Candidosen; auch zu lokalen bakteriellen Superinfektionen, womit Ihnen die Diagnose DhD nicht gerade erleichtert wird.

Wir wissen inzwischen, dass es sich bei der DHD um eine chronische, inflammatorische Autoimmunerkrankung handelt. Autoantigen ist die epidermale Transglutaminase, die nicht zwingend mit der intestinalen Transglutaminase zusammenhängt. Je länger sie besteht, umso atypischer kann der Verlauf sein.

Die Pathogenese der DhD ist hochspannend und nicht allen ausführlich bekannt. Ich möchte Sie Ihnen an dieser Stelle noch einmal kurz darlegen:

Offenbar liegen der Zöliakie und den glutensensitiven Dermatosen anfangs dieselben pathogenetischen Mechanismen zugrunde. Voraussetzung ist eine genetische Disposition. In 95-100% der Fälle bestehen Assoziationen mit HLA-Klasse II-Molekülen (DQ2). Ein kleinerer Teil (2-10%) exprimiert serologisch den DQ8-Haplotyp. HLA-DQ2 und -DQ8-negative Patienten erkranken nicht an der DhD!

Diese Prädisposition in Verbindung mit den vorliegenden Umweltfaktoren führen dann zu einer systemischen Autoimmunerkrankung mit spezifischen gegen Transglutaminasen gerichteten (IgA) Antikörpern. In der Haut können 6 Isoenzyme der Transglutaminasen (Tg) nachgewiesen werden. Die meisten spielen bei der Verhornung der Haut eine Rolle.

Aus bisher nicht bekannten Gründen bleibt der Darm (im Gegensatz zur Zöliakie) bei der DhD anfänglich und häufig auch im späteren Verlauf der Erkrankung klinisch symptomlos. Insofern erfolgt auch bei diesen Patienten keine Glutenkarenz. Dieses Verhalten führt nach mehreren Jahren der permanenten Glutenprovokation zur Bildung von hochaffinen Antikörpern gegen die Transglutaminasen (TG). Diese, im Serum auftretenden, spezifischen AK gegen Transglutaminasen bilden, mit der für die DhD wichtige epidermalen Transglutaminase (TG-Isoenzyme), Immunkomplexe. Sie lagern sich in den Papillarkörpern der Haut ab und verursachen dort eine spezifische Inflammation.

Wichtig! Wenn Patienten über mehrere Monate eine glutenfreie Kost einhalten, verschwinden die Antikörper vollständig aus dem Blut. Dies sollte man wissen, denn mit einem negativen Antikörperprofil ist die Diagnose DhD nicht vom Tisch.

Somit kommt der direkten dermatologischen Diagnostik eine Schlüssselstellung zu. Wegweisend ist eine immunfluoreszenmikroskopische Untersuchung einer frischen (unbehandelten und nicht erosiven) Läsion mit dem Nachweis der IgA-Immunkomplexe in den Papillarkörpern, eine genaue Anamnese und klinische Beobachtung des Patienten.

Merke: Bei der DhD ist das Auffinden der frischen Primäreffloreszenz der Schlüssel zur Diagnose.

Die Behandlung der DhD oder anderer glutensensitiver Dermatosen bedarf Geduld, genauer Beobachtungen und Überzeugungskraft. Das „alte“ Dapsone ist immer noch Mittel der Wahl, natürlich neben der strengen glutenfreien Diät.

Einige Patienten werden aber auch bei strikter Diät ohne Dapsone erscheinungsfrei. Hilfreich erweist sich auch langfristig topisches Gentamicinsulfat im Wechsel mit topischem Hydrocortison-acetat. Bläschen und Erosionen sollten frühzeitig so behandelt werden. Regelmäßige Reinigungen mit rückfettender Seife sowie eine saubere Baumwollkleidung und die Rücksichtnahme von Partnern und Familie im Ernährungsplan sind hilfreich.

Wenn man damit erst einmal Erfahrung und Besserung erlebt hat, ist das Leben wieder angenehm. Aber jeder Patient sei gut informiert, denn es bleibt eine lebenslange Geschichte für ihn selbst und für seine Familie.

Ich hoffe, werte Kolleginnen und Kollegen, Ihnen mit diesen persönlichen Erfahrungswerten nützlich zu sein. Auch im kommenden Jahr werde ich gelegentlich über Alltägliches und Nicht-Alltägliches berichten. Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Themen interessieren und Anklang finden.

Das gesamte Redaktionsteam der Enzyklopädie wünscht Ihnen allen noch eine schöne Adventszeit, Ihren Familien und Mitarbeitern eine gesegnete Weihnacht und ein gesundes und erfolgreiches 2019.

 

Herzliche Grüße

Ihr Peter Altmeyer

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