Tachykardie-Bradykardie-Syndrom I49.5

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 17.06.2020

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Synonym(e)

(e) Tachycardia-bradycardia syndrome; TBS

Erstbeschreiber

Im Jahre 1973 schlugen Kaplan und Mitarbeiter den Begriff des Tachykardie- Bradykardie- Syndroms vor, dessen Ursache überwiegend, aber nicht ausschließlich, eine Störung der Funktion des Sinusknoten umfasst (Lüderitz 1984).

Definition

Unter einem Tachykardie- Bradykardie- Syndrom (TBS) versteht man eine Form der Herzrhythmusstörung, bei der es primär zu einer Tachykardie in Form der paroxysmalen supraventrikulären Tachykardie , Vorhofflattern oder Vorhofflimmern kommt, der sich dann eine asystolische Pause anschließt, bevor der Rhythmus in einen bradykarden Sinusrhythmus übergeht (Herold 2020). Das TBS ist oftmals mit anderen Sinus- bzw. AV- Leitungsstörungen kombiniert (Classen 2009).

Mitunter wird in der Literatur das TBS synonym mit dem Sick-Sinus-Syndrom (SSS) benutzt (Ferri 2014), mitunter als Komplikation des SSS genannt (Tse 2017).

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Einteilung

Das Tachykardie- Bradykardie- Syndrom zählt zum Sick- Sinus- Syndrom (SSS) zusammen mit folgenden Symptomen:

  • Sinusbradykardie
  • Sinusarrest
  • sinuatriale Blockierungen (SA- Block)
  • chronotrope Inkompetenz des Sinusknotens (Herold 2020 / Classen 2009)

Das TBS tritt bei ca. 50 % aller Fälle eines Sick- Sinus- Syndroms auf und kompliziert dadurch den weiteren Verlauf (Tse 2017).

Vorkommen/Epidemiologie

Das TBS kann bereits bei Kindern mit angeborenem Herzfehler oder bei Z. n. Herz- OP auftreten.

Bei Erwachsenen findet man es eher im höheren Lebensalter (Ferri 2014).  Mitunter tritt das TBS auch familiär gehäuft auf (Duhme 2013).

Assoziierte Erkrankungen:

Das Auftreten eines TBS wird beschleunigt durch folgende Komorbiditäten:

Ätiopathogenese

Das TBS entsteht durch strukturelle und elektrophysiologische Veränderungen, die in erster Linie durch folgende Erkrankungen / Veränderungen verursacht werden können:

Pathophysiologie

Pathophysiologisch handelt es sich beim TBS um eine Funktionsstörung im Bereich der Ionenkanäle, welche für die Leitung und Initiierung der Herzaktionspotentiale verantwortlich sind. Durch die Störung kann es sowohl zu einer Bradykardie als auch zu einer Tachykardie kommen, wobei die Tachykardie das Risiko für eine Bradykardie erhöht und umgekehrt (Tse 2017).  Beim familiär gehäuften TBS findet sich eine genetische Dysfunktion der CHN4- Kanäle (Duhme 2013).

Klinisches Bild

Durch die Postkonversionspausen kann es in erster Linie zu folgenden Symptomen kommen:

  • Schwindel
  • Synkope (Stanger 2020)

Außerdem sind Symptome des Sick- Sinus- Syndroms möglich wie z. B.:

  • Palpitationen
  • Dyspnoe
  • Angina pectoris
  • Zeichen einer Herzinsuffizienz
  • Ausbildung einer sog. chronotropen Inkompetenz (inadäquate Steigerung der Herzfrequenz unter Belastung) (Brandes 2019 / Kasper 2017)

 

Diagnostik

Ruhe- EKG: Im EKG finden sich beim TBS typischerweise Phasen von:

  • Sinustachykardie (> 100 Schläge / min.)
  • Sinusbradykardie (< 60 Schlägen / min.; bei jungen bzw. trainierten Patienten < 40 / min [Kasper 2015])
  • tachykarde supraventrikuläre Arrhythmien (meistens Vorhofflimmern)
  • Vorhoftachykardien (Renz- Polster 2008)

Belastungs- EKG: unter einer ergometrischen Belastung können maximal bis zu 70 % des altersabhängigen Frequenzanstieges erbracht werden (chronotrope Inkompetenz) (Herold 2020)

Weitere Diagnostik s. Sick- Sinus- Syndrom

Differentialdiagnose

  • bei Bradykardie:
    • AV- Block
  • bei Tachykardie:
    • Vorhofflimmern bzw. Vorhofflattern
    • Sinustachykardie (Ferri 2014)

Therapie

Die Behandlung symptomatischer Patienten besteht in:

  • Implantation eines Herzschrittmachers
  • Katheterablationantiarrhythmischer Therapie (Herold 2020 / (Zhang 2019)
  • Schrittmacher- Implantation:  Bei symptomatischen Patienten sollte ein Schrittmacher implantiert werden. Eine antiarrhythmische Therapie ist zusätzlich zu empfehlen (Herold 2020).
  • Antiarrhythmika; Dosierungsempfehlung der Antiarrhythmika z. B.:

- Dronedaron z. B. 2 x 400 mg / d

- Flecainid z. B. 2 x 100 mg – 150 mg / d

- Propafenon z. B. 3 x 150 mg – 300 mg / d

- Sotalol z. B. 2 x 80 mg – 160 mg / d

- Amiodaron z. B. 1 x 200 mg / d (Kirchhof 2016)

  • Katheterablation: In einer 150 Patienten umfassenden Studie der Dalian Medical University zwischen 2002 bis 2013 hat sich gezeigt, dass durch die Katheterablation beim überwiegenden Teil der Patienten sowohl die Tachykardie als auch die Bradykardie verschwanden. Die Reduktion des Vorhofflimmerns bewirkte auch eine Reduktion der Schlaganfälle (5,1 % versus 15,4 % bei Patienten nach Schrittmacher- Implantation). Von den mit einer Katheterablation behandelten Patienten wiesen 70,9 % einen Sinusrhythmus ohne lange Pausen auf, eine zusätzliche Therapie mit Antiarrhythmika war bei ihnen nicht erforderlich.

Persistierendes Vorhofflimmern fand sich in 1,3 %. Bei den Patienten mit Schrittmacher- Implantation waren es 9,9 % (Zhang 2019)

  • medikamentöse Therapie: Gute Ergebnisse finden sich bei mit Amiodaron behandelten Patienten ohne gleichzeitige Schrittmacherversorgung (Dosierungsempfehlung: Amiodaron z. B. 1 x 200 mg / d - Kirchhof 2016).
  • Antikoagulation: Patienten mit einem TBS sind durch Thromboembolien besonders gefährdet und sollten deshalb – bei entsprechender Komorbidität - eine Antikoagulation erhalten (Stanger 2020).

Das dadurch erhöhte Risiko einer Thromboembolie kann anhand des CHA2 DS2 – VASc – Scores berechnet werden (Kasper 2015).

CHA2 DS2 – VASc – Score:

- Chronische Herzinsuffizienz oder linksventrikuläre Dysfunktion: 1 Punkt

- Hypertonie: 1 Punkt

- Alter ≥ 75 Jahre: 2 Punkte

- Diabetes mellitus: 1 Punkt

- Apoplex / TIA / Thromboembolie: 2 Punkte

- Vaskuläre Vorerkrankung: 1 Punkt

- Alter 65 – 74 Jahre: 1 Punkt

- Sex category (weibliches Geschlecht): 1 Punkt (Baenkler 2010))

  • Empfehlungsgrad / Evidenzgrad ESC 2016 einer dauerhaften oralen Antikoagulation:
    • I A:
      • für alle männlichen Patienten ab einem CHA2 DS2 – VASc – Score von 2 oder höher
      • für alle weiblichen Patienten ab einem CHA2 DS2 – VASc – Score von 3 oder höher
    • IIa B:
      • für alle männlichen Patienten ab einem CHA2 DS2 – VASc – Score ab 1 unter Berücksichtigung individueller Merkmale und Präferenzen
      • für alle weiblichen Patienten ab einem CHA2 DS2 – VASc – Score von 2 unter Berücksichtigung individueller Merkmale und Präferenzen (Kirchof 2016)

In angelsächsischen Ländern wird bereits bei Patienten ab 1 Punkt mit Gerinnungshemmern behandelt. Bei jüngeren Frauen kann hierbei auch die Therapie mit ASS in Betracht gezogen werden (Kasper 2015)

  • Wahl der Antikoagulation:
    • I B:
      • Vitamin- K- Antagonisten wie z. B. Warfarin, Phenprocoumon (INR 2,0 – 3,0 oder höher) bei Patienten mit mittelgradig schwerer Mitralklappenstenose oder nach Implantation mechanischer Herzklappen. Diese Patienten sollten keine NOAK erhalten.
    • I A:
      • bei bestehender Indikation für einen Vitamin- K- Antagonisten sollte, falls es in Frage kommt, einem NOAK wie z. B. Apixaban, Dabigatran, Edoxaban oder Rivaroxaban bevorzugt gegeben werden
    • IIb A:
      • bei bereits mit einem Vitamin- K- Antagonisten vorbehandelten Patienten kann eine Umstellung auf NOAK erfolgen, wenn die TTR nicht stabil ist oder der Patient NOAK bevorzugt und keine Kontraindikationen (z. B. Klappenprothese) aufweist (Kirchhof 2016)

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Baenkler H W et al. (2010) Kurzlehrbuch Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 72 – 75
  2. Brandes R et al. (2019) Physiologie des Menschen mit Pathophysiologie. Springer Verlag 195
  3. Classen M et al. (2009) Innere Medizin Elsevier Urban und Fischer Verlag 131 – 133
  4. Duhme N et al. (2013) Altered HCN4 Channel C-linker Interaction Is Associated With Familial Tachycardia-Bradycardia Syndrome and Atrial Fibrillation. Eur Heart j 34 (35) 2768 – 2775
  5. Ferri F f (2014) Ferri's Clinical Advisor 2014 E-Book: 5 Books in . Elsevier Mosby Inc.1073 - 1074
  6. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 281
  7. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1467 - 1470
  8. Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 1792 – 1796
  9. Kirchhof P et al. (2016) ESC Pocket Guidelines: Management von Vorhofflimmern. DGK Börm Bruckmeier Verlag 164
  10. Lüderitz B (1984) Therapie der Herzrhythmusstörungen: Leitfaden für Klinik und Praxis. Springer Verlag 215
  11. Pinger S (2019) Repetitorium Kardiologie: Für Klinik, Praxis, Facharztprüfung. Deutscher Ärzteverlag. 766 - 768
  12. Renz- Polster (2008) Basislehrbuch Innere Medizin: kompakt – greifbar – verständlich. Elsevier Urban und Fischer Verlag 110
  13. Stanger O (2020) Kompendium der modernen Herzchirurgie beim Erwachsenen : Entscheidungsgrundlagen für den verantwortlichen Herzchirurgen. Springer Verlag 162
  14. Tse G et al. (2017) Tachycardia-bradycardia syndrome: Electrophysiological mechanisms and future therapeutic approaches (Review). Int J Mol MED (39) 519 – 526
  15. Zhang S et al. (2019) Long-term Effect of Catheter Ablation on Tachycardia-Bradycardia Syndrome: Evidenced by 10 Years Follow Up. Acta Cardiol (28) 1 - 7

Weiterführende Artikel (3)

Amiodaron; Propafenon; Sick-Sinus-Syndrom (SSS);

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