Primär sklerosierende Cholangitis K83.0

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2018

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Synonym(e)

primary sclerosing cholangitis; PSC

Definition

Die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) ist eine chronische, cholestatische Lebererkrankung, die durch eine nichteitrige Cholangitis mit progressiver Destruktion des intra- und/oder extrahepatischen Gallenwegsystems charakterisiert ist (Lindor K et al. 2015).

Die PSC tritt gehäuft bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen auf und ist mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Malignome (13–14 %), vor allem dem cholangiozellulären Karzinom, dem kolorektalen Karzinom und dem Pankreaskarzinom assoziiert.

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: 1:100.000 Einwohner; Prävalenz: 4–16/100 000 (EASL 2009).  Die Inzidenz hat über die letzten 20 Jahre zugenommen (> 35 % Zunahme in 10 Jahren).

Ätiopathogenese

Ätiologie und Pathogenese der PSC sind ungeklärt. Erhöhtes Erkrankungsrisiko bei erstgradig Verwandten und nachgewiesener HLA-Assoziation (B8, DR2, DR3 oder DR3w52a). Häufung der Erkrankung in skandinavischen Ländern.

Manifestation

Überwiegend sind Männer (62–70 %) mittleren Alters betroffen (m: w=2:1); kann aber auch bei Kindern < 10 Jahre und älteren Patienten > 70 Jahre auftreten. Die Diagnosestellung erfolgt durchschnittlich zwischen dem 36. und 52. Lebensjahr.

Klinisches Bild

Im Frühstadium meist asymptomatisch; nicht selten zufälliger Laborbefund; bis zu 50% der Patienten sind bei der Erstdiagnose der PSC beschwerdefrei. Ansonsten unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit und Erschöpfung, Gewichtsverlust, Juckreiz, Ikterus oder rechtsseitige Oberbauchschmerzen. Später quälender Juckreiz (20–70 %, meist deutlich vor Eintreten des Ikterus), Ikterus.  Mit der fortschreitenden Destruktion der Gallenwege kommt es zur Progredienz der Lebererkrankung, zur Entwicklung einer Fibrose oder Zirrhose. Der individuelle Verlauf ist hierbei sehr unterschiedlich

PSC und CED: Die PSC zeigt eine starke Assoziation mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED). In den Daten aus Nordeuropa und Nordamerika beträgt die Prävalenz von CEDs 60–80% (Broome U et al. 1996). Insbesondere bestehen Assoziationen zur Colitis ulcerosa (60–80 % bei vorliegender PSC); weiterhin zum Morbus Crohn (7–21 % bei vorliegender PSC). 

PSC und cholangiozelluläre Karzinom (CCC): Neben der Entwicklung einer (biliären) Zirrhose ist das cholangiozelluläre Karzinom (C22.1) eine schwerwiegende Komplikation, die mit einer schlechten Prognose verbunden ist. PSC-Patienten haben ein Risiko von 13–14 %, an einem CCC zu erkranken. Wichtig: Bei bis zu 50 % der Fälle wird die Diagnose eines CCC bei der Erstdiagnose PSC oder innerhalb des ersten Jahres gestellt. Mit dem CA 19-9 steht ein Tumormarker für das CCC zur Verfügung (Lutz H et al. 2013).

PSC und Gallenblasenkarzinom: PSC-Patienten haben ein erhöhtes Risiko für Gallenblasenpolypen und ein Gallenblasenkarzinom. Die Prävalenz von Karzinomen bei Vorliegen unklarer Gallenblasenstrukturen ist bei PSC-Patienten hoch (> 50 %) (Lutz H et al. 2013).

Labor

Erhöhte Cholestaseparameter, PSC-spezifische Antikörper sind nicht bekannt. ANA und antineutrophilen cytoplasmatischen Antikörpern (pANCA) sind in 60% der Fälle nachweisbar. CA 19-9 als Tumormarker für das CCC.

Diagnose

Bei cholestatischer Hepatopathie unklarer Genese ist an eine PSC zu denken. Bei nachgewiesener Cholestase, erfolgen die weiteren diagnostischen beziehungsweise therapeutischen Schritte. Nach den gängigen Leitlinien der Fachgesellschaften wird der Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP) mit einer Sensitivität > 80 % und Spezifität > 90 % die entscheidende Rolle zugebilligt (Dave M et al.2010).

Bei sonographisch nachgewiesener Gallenwegserweiterung sollte direkt die endoskopische retrograde Cholangiographie (ERC) durchgeführt werden. Zusätzlich: intraduktale Ultraschalluntersuchung, duktale Cholangioskopie und die Endosonographie der extrahepatischen Gallenwege.

Eine Leberbiopsie ist nicht routinemäßig erforderlich. Sie ist indiziert, wenn die Darstellung der Gallenwege ohne signifikanten Befund bleibt und weiterhin die Notwendigkeit der Abklärung cholestatische Lebererkrankung besteht (z.B. bei Verdacht auf ein Overlap-Syndrom mit einer Autoimmunhepatitis oder einer primär biliären Zirrhose (PBC).

Therapie

Die medikamentösen Therapiemöglichkeiten sind eingeschränkt, eine Prognoseverbesserung durch Ursodeoxycholsäure (UDCA) konnte in randomisierten kontrollierten Studien nicht gezeigt werden. Die ERCP wird zur Ballondilatation dominanter Stenosen und zur Therapie von Cholangitiden eingesetzt (Lutz H et al. 2013).

Aufgrund des hohen Rezidivrisikos besteht nur in einem sehr ausgewählten Patientenkollektiv darüber hinaus die Möglichkeit einer Lebertransplantation. Vorausetzungen hierfür sind unter anderem fehlende Fernmetastasen und der Ausschluss einer lymphatischen Filiarisierung durch eine abdominale Lymphadenektomie. Durch eine Lebertransplantation kann ein 10-Jahres-Überleben von 80 % erreicht werden.

Therapie allgemein

Kausale Therapie ist nicht bekannt (Karlsen TH et al. 2014). Weglassen aller potenziellen Lebernoxen (Alkohol, Medikamente); alle Patienten sollten bei neg. Virusstatus gegen HA/HB geimpft werden. Zusätzliche Hepatitisinfektionen führen zu einem schweren Verlauf mit erhöhter Letalität.

 

Interne Therapie

Die medikamentöse Behandlung der PSC stellt ein Problem dar, weil bisher weder eine spezifische, noch eine effektive Behandlungsoption existieren. Immunsuppressiva, Immunmodulatoren und auch antifibrotische Therapieansätze zeigen keine wesentliche Wirkung und werden daher im klinischen Alltag nicht angewendet (Williamson KD et al. 2015).

Eine große Tradition in der medikamentösen Behandlung der PSC hat die Ursodeoxycholsäure (UDCA: 17–23 mg/kg KG, 10–30 mg/kg KG), eine hydrophile Gallensäure. Der klinische Nutzen wird jedoch (im Gegensatz zur primär biliären Zirrhose) kontrovers diskutiert (Williamson KD et al. 2015).

Behandlung des Juckreizes: Hierbei zeigte der Opioidantagonist Naltrexon in placebokontrollierte, randomisierten Studien einen moderaten positiven Effekt auf die Pruritusintensität (Tandon P et al. (2007). Der Stellenwert der UDCA zur Prävention des CCC wie auch des kolorektalen Karzinoms wird bei PSC-Patienten kontrovers diskutiert. Als Konsequenz aus diversen Negativstudien, hat sich die American Association for the Study of Liver Diseases (AASLD) grundsätzlich gegen den Einsatz von UDCA bei der PSC ausgesprochen.

Lebertransplantation (LTx): Die Lebertransplantation stellt die einzige kurative Therapieoption für PSC-Patienten dar (Hirschfield GM et al. 2013). Der optimale Zeitpunkt für die LTx sollte sich jedoch nach der individuellen Prognose des jeweiligen Patienten ausrichten. Eine fortschreitende schwere Lebererkrankung mit persistierender Bilirubinerhöhung oder rezidivierende Cholangitiden mit oder ohne Entwicklung von dominanten Stenosen trotz optimaler endoskopischer Therapie wie auch eine Reduktion des BMI von > 10 % in 12 Monaten sollten Gründe für die LTx-Listung sein.

Bei Gallenwegsinfektionen: Einsatz von Antibiotika (z.B. Ceftriaxon i.v.)  

Verlauf/Prognose

Die PSC ist eine chronisch schleichende Erkrankung, die klinisch oft über Jahre unerkannt bleibt. Heilung ist unter der medikamentösen Therapie nicht erreichbar. Nach Diagnosestellung beträgt die Zeit bis zum Tod oder zur Lebertransplantation 12–18 Jahre. Das Risiko, an den Folgen eines komplikativ auftretenden Malignoms zu sterben, beträgt 40–58 %.

Hinweis(e)

Eine Frühform der PSC ist möglicherweise die sogenannte „small-duct PSC“, eine Lebererkrankung mit histologisch PSC-typischen Befunden, aber unauffälligem Cholangiogramm, wobei circa 20 % der Patienten eine Progression zu einer klassischen PSC entwickeln. Die Mehrzahl dieser Patienten entwickelt jedoch keine destruierende Gallenwegserkrankung und hat auch kein erhöhtes Malignomrisiko.

Literatur
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  1. Bowlus CL et al. (2014) The diagnosis of primary biliary cirrhosis. Autoimmun Rev 13:441-444. 
  2. Broome U et al. (1996) Natural history and prognostic factors in 305 Swedish patients with primary sclerosing cholangitis. Gut 38: 610–615
  3. Dave M et al. (2010) Primary sclerosing cholangitis: meta-analysis of diagnostic performance of MR cholangiopancreatography. Radiology 256: 387–396
  4. EASL (2009) Clinical Practice Guidelines: management of cholestatic liver diseases. J Hepatol 51: 237–267
  5. Hirschfield GM et al. (2013) Primary sclerosing cholangitis. Lancet 382:1587-1599.
  6. Karlsen TH et al. (2014) Review article: controversies in the management of primary biliary cirrhosis and primary sclerosing cholangitis. Aliment Pharmacol Ther 39:282-301. 
  7. Lindor K et al. (2015) DACG Clinical Guideline: Primary Sclerosing Cholangitis. Am J Gastroenterol 110:646-659; quiz 660. 
  8. Lutz H et al. (2013) Primär sklerosierende Cholangitis. Dtsch Arztebl Int 110: 867-874
  9. Marí-Alfonso B et al. (2015) Prognostic implications of extra-hepatic clinical manifestations, autoimmunity and microscopic nail capillaroscopy in patients with primary biliary cirrhosis. Med Clin (Barc) 146:8-15. 
  10. Strassburg CP et al. S2k Leitlinie Autoimmune Lebererkrankungen. Z Gastroenterol 2017; 55: 1135–1226
  11. Tandon P et al. (2007) The efficacy and safetyofbile Acid binding agents, opioid antagonists, or rifampin in the treatment of cholestasis-associated pruritus. Am J Gastroenterol 102: 1528–1536.
  12. Webb GJ et al. (2015) The immunogenetics of primary biliary cirrhosis: A comprehensive review. J Autoimmun 64:42-52. 
  13. Williamson KD et al. (2015) Primary sclerosing cholangitis: a clinical update. Br Med Bull 114:53-64. 

 

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