Pneumonie, käsige A16.2

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 25.12.2018

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Synonym(e)

Käsige Lobulärpneumonie, Verkäsende Pneumonie, Tuberkulöse Pneumonie; Käsige Pneumonie

Erstbeschreiber

1882 entdeckte Robert Koch das Tuberkulose-Bakterium. Der Artname M. tuberculosis wurde 1896 von Lehmann und Neumann eingeführt. 1908 gelang es A. Calmette und C. Guérin einen Stamm von M. bovis durch Passagen in Kulturmedien zu züchten.

Definition

Im Rahmen einer postprimären Tuberkulose kommt es – besonders im apikalen (S1) und posterioren (S2) Oberlappensegment und auch im oberen Segment des Lungenunterlappens (S6) (Spitzenoberlappen-Tbc)  zu einer zentralen (käsigen) Nekrose der Granulomzentren. Diese Nekrose kann sich im weiteren Verlauf verflüssigen und damit zur Bildung einer Kaverne führen. Durch Befall mehrerer Segmente bzw. Lappen verschmelzen diese Herde und führen zu einer sogenannten verkäsenden Pneumonie.

Erreger

Tuberkulosebakterien (Tuberkulosekomplex) sind nicht pigmentierte Mykobakterien. Im Gegensatz zu den ubiquitären Mykobakterien, die zum Teil sehr intensive Pigmente zu bilden vermögen, weist Mycobacterium tuberculosis in etwa eierschalenfarbene, Mycobacterium bovis fast durchscheinende, bis grau-weißliche Kolonien auf.  Taxonomisch weist der Genus „Myobacterium“ etwa 95 verschiedene Arten aus: M.tuberculosis, M. bovis, M.africanum, M.microti, M.Canetti; weiterhin M. leprae und ubiquitäre Mykobakterien.   

 

Vorkommen/Epidemiologie

Ungefähr ein Drittel der Weltbevölkerung ist mit dem Tuberkelbazillus infiziert. Tuberkulosebkterien (TB, Mycobacterium tuberculosis-Komplex) als Erreger einer Pneumonie sind aber eher selten. Nach einer Erstinfektion mit dem Mykobakterium tuberculosis tritt bei ca. 5% in den folgenden 2 Jahren und ebenfalls bei 5% im Laufe des weiteren Lebens eine postprimäre Tuberkulose auf. Die Tuberkulose steht weltweit auf Platz 7 der häufigsten Todesursachen, die Pneumonie (unabhängig vom Erreger) auf Platz 3.

Ätiopathogenese

Ausbruch einer postprimären Tuberkulose nach Erstinfektion mit Mykobakterium tuberculosis (betrifft in industrialisierten Ländern häufig ältere Menschen und Immunsupprimierte) kann im weiteren Verlauf zu einer käsigen Pneumonie führen.

Klinisches Bild

Symptome:

  • rezidivierende Fieberschübe, mitunter auch nur subfebrile Temperaturen (50 %)
  • Nachtschweiß (50%)
  • produktiver Husten (bis 65 %)
  • Heiserkeit
  • allgemeine Schwäche mit ausgeprägtem Krankheitsgefühl
  • Gewichtsabnahm
  • Dyspnoe
  • Hämoptoe (25%)

Die tuberkulöse Pneumonie manifestiert sich i. d. R. als eine fulminant verlaufende Pneumonie (Segment- oder Lobärpneumonie) und lässt sich klinisch von einer durch andere Bakterien ausgelösten Pneumonie nicht unterscheiden. Von daher besteht bei jeder Lungenspitzenveränderung (S1, S2, S6) bis zum Beweis des Gegenteils der V.a. auf eine tuberkulöse Genese. Ebenso ist bei Patienten mit einer therapieresistenten Pneumonie eine Tuberkulose als Ursache auszuschließen. Da Koinfektionen mit Tuberkulose und HIV/AIDS in den letzten Jahren zugenommen haben, sollte gleichzeitig eine Testung auf eine mögliche HIV-Infektion erfolgen.

Bildgebung

Röntgen: Typisches Bild ist ein Oberlappeninfiltrat mit Kavernenbildung. Da aber auch Normalbefunde vorkommen, empfiehlt es sich bei entsprechendem Verdacht im Zweifelsfall immer eine Computertomografie durchführen lassen.

Labor

Die Laborbefunde sind häufig unauffällig. CRP und Procalcitonin steigen in Relation zu einer normalen bakteriellen Pneumonie nur gering an. Im weiteren Krankheitsverlauf kann es dann zu einer normochromen, normozytären Anämie, Hypalbuminämie, Leukozytose, sowie Hypergammaglobulinämie kommen.

Histologie

Granulomatöse Entzündung mit zentraler, z.T. konfluierender  (käsiger) Nekrose. 

Diagnose

Die Diagnose wird allein durch den Nachweis von Mycobacterium tuberculosis gesichert. Dazu eignen sich sowohl für den Ausstrich als auch für die Anlage einer Mykobakterienkultur

  • Morgensputum (ggf. als provoziertes Sputum nach Inhalation von 10 % iger Kochsalzlösung)
  • bronchoskopisch gewonnenes Bronchialsekret
  • Bronchiallavage (BALF)
  • Nüchternmagensaft

Es sollten stets drei aufeinander folgende Proben untersucht werden, da der lichtmikroskopische Nachweis nur bei Keimzahlen von >10.000/ml gelingt, was einer Sensitivität von 40% - 60 % entspricht. Da Mykobakterien nur langsam wachsen, dauert es ca. 4 - 6 Wochen, ehe ein Wachstum in der Kultur erkennbar ist. In modernen Laboren werden deshalb heutzutage molekularbiologische Nachweismethoden bevorzugt, durch die ein bakteriologischer Nachweis bereits nach 2-3 Wochen vorliegt. 

Hinweis: Aufgrund ihrer Fähigkeiten bestimmte Farbstoffe auch durch Säure-und Alkoholbehandlung nicht wieder abzugeben, werden die Tuberkulosebakterien auch als säurefeste Stäbchen oder säurefeste Bakterien bezeichnet.

Cave: Das für die Kultur bestimmte Gewebematerial nicht in Formalin konservieren.

Differentialdiagnose

Pneumonie anderer Genese, Bronchialkarzinom, Mykose der Lunge

Therapie

Bei Nachweis einer tuberkulösen Genese besteht die Indikation zur antituberkulotischen Therapie.

Sofern ein Pleuraerguss besteht, empfiehlt sich zur Vorbeugung einer Schwartenbildung eine initiale Pleuradrainage.

Die medikamentöse Behandlung der tuberkulösen Pneumonie entspricht der Behandlung einer pulmonalen Tuberkulose und erfolgt immer mit einer Kombination von Medikamenten. Dazu stehen 4 Hauptsubstanzen als Mittel der 1. Wahl zur Verfügung: Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol. Mittel der 2. Wahl ist neuerdings - laut WHO - Streptomycin, da es nicht oral verabreicht werden kann und in mehreren Ländern für die Behandlung einer unkomplizierten Tuberkulose nicht mehr angewandt wird.

 

Bei täglicher Gabe wird folgende Dosierung empfohlen:

  • Isoniazid (INH) 5 mg/kg KW, max. 300 mg
  • Rifampicin (RMP) 10 mg/kg KW, max. 600 mg
  • Pyrazinamid (PZA) 25 mg/kg KW, max. 2500 mg
  • Ethambutol (EMB)15 mg/kg KW, max. 1600 mg

 

Unter einer Standard-Kurztherapie wird beim Erwachsenen eine 6-monatige Chemotherapie verstanden. In den ersten 2 Monaten, der sogenannten Initialphase, wird mit einer Kombination aus INH, RMP, PZA und EMB behandelt.

In der daraufhin folgenden 4-monatigen Stabilisierungsphase wird lediglich mit einer Zweier-Kombination aus INH und RMP weiterbehandelt.

Die Verabreichung der Medikamente sollte 1 x / d als Einzeldosis oral erfolgen. .

 

In manchen Ländern wird während der Stabilisierungshase die intermittierende Medikamentengabe mit 3 x wöchentlicher Einnahme praktiziert. Dieses Vorgehen wird in Deutschland nicht empfohlen, da die maximale Therapiesicherheit nur bei täglicher Einnahme der Medikamente gegeben ist.

 

Sollten Zweifel an der regelmäßigen Einnahme der Medikamente bestehen, so muss die Einnahme ständig überwacht werden.

 

Der Erfolg der Therapie sollte regelmäßig 1 x monatlich kontrolliert werden, einschließlich der Organe, die durch die Medikamenteneinnahme gefährdet sind. Dazu gehören:

  • Leberfunktion bei INH, RMP, PZA (additive Wirkung!)
  • ophthalmologische Kontrollen bei EMB
  • Nierenfunktion bei Aminoglykosiden
  • Audiogramm kontrollieren bei Aminoglykosiden
  • Blutzuckerkontrollen bei zusätzlicher Gabe von Kortison (s.o)

Außerdem sollte das Körpergewicht des Patienten ebenfalls regelmäßig kontrolliert werden.

 

Bei mehr als 80 % der Patienten sind nach 2 Monaten der Kombinationstherapie negative Kulturen zu erwarten.

 

Verlauf/Prognose

Der Verlauf der käsigen Pneumonie hängt vom Verlauf der Tuberkulose (s.d.) ab. Prophylaxe: Seit 1921 steht ein aktiver BCG-Impfstoff aus einem attenuierten M.- Bovis-Stamm zur Verfügung. Das RKI empfiehlt diesen seit 1998 jedoch nicht mehr:

  • niedrige Tbc-Inzidenz in Deutschland
  • nicht sicher wirksam (laut Studien Wirksamkeit zwischen 80% und völlig wirkungslos).
  • UAW

Bei Immunkompetenten und ausreichener Therapie erfolgt die Ausheilung mit ausgeprägter Narbenbildung und intrapulmonalen Verziehungen.

Bei schlecher Abwehrlage Übergang in eine Sepsis acutissima tuberculosa (Landouzy-Sepsis) möglich. Letalität sehr hoch.      

Hinweis(e)

Nach dem IfSG §6 und §7 besteht eine Meldepflicht für die tuberkulöse Pneumonie.

  • Arztmeldepflicht: Sowohl die Erkrankung als auch der Tod an einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose sind namentlich meldepflichtig, selbst dann, wenn der bakteriologische Nachweis nicht vorliegt. Außerdem besteht Meldepflicht bei Verweigern bzw. Abbruch der Behandlung einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose.
  • Labormeldepflicht: Der Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum ist meldepflichtig, gefolgt vom direkten Erregernachweis und dem Ergebnis der Resistenzbestimmung.

Literatur
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  1. Bange FC et al. (2016) Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie:  337-350
  2. Bundesgesetzblatt (2017) Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Erkrankungen 49: 2615-2639
  3. Gerok W et al. (2007) Die Innere Medizin S 424.
  4. Herold G et al. (2018) Innere Medizin S 414.
  5. Kasper DL et al. (2015) Harrisons Innere Medizin 19. Auflage 1353-1360
  6. Kasper DL et al. (2015) Harrison's Principles of Internal Medicine (19th Ed) 1108-1114
  7. Kroegel C et al. (2014) Klinische Pneumologie S 435-438.
  8. Matsuura H et al. (2018) Tuberculous pneumonia. QJM: An International Journal of Medicine 111: 131.
  9. Thomas C et al. (2001) Histopathologie S 86.

 

Disclaimer

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