Nephrosklerose, maligne I12.90

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2021

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Synonym(e)

Hypertensive benigne Nephrosklerose; Hypertensive Nephropathie; Maligne Nephrosklerose; Nephroangiosklerose; Vaskuläre Nephropathie

Erstbeschreiber

Der Begriff „maligne Nephrosklerose“ wurde von Franz Volhard und Theodor Fahr 1914 bzw. 1916 geprägt. Beide waren aber unterschiedlicher Meinung hinsichtlich der Pathogenese. 

Als eigenständiges Krankheitsbild wurde die maligne Nephrosklerose endgültig von MacMahon 1968 akzeptiert. Von Bohle führte 1973 die klinische und histologische Unterteilung der malignen Form ein (Singh 2000).

 

Definition

Unter einer Nephrosklerose versteht man eine typische Folgeerkrankung eines langjährigen arteriellen Hypertonus (Lenz 2008), bei der es zu degenerativen Veränderungen der kleinen und großen arteriellen Gefäße der Niere kommt (Thomas 2006).

Einteilung

  • Benigne Nephrosklerose:

Die benigne Form geht hauptsächlich mit histologischen Veränderungen im Bereich der Media einher (Keller 2010). Sie stellt die häufiger vorkommende Form dar (Lenz 2008).

  • Maligne Nephrosklerose:
    • primäre Form (diese kann durch ein hämolytisch- urämisches Syndrom [HUS] etc. verursacht werden)
    • sekundäre Form (diese entsteht durch eine maligne HypertonieSklerodermie etc.) (Lenz 2008)

Die maligne Nephrosklerose kann sich sekundär im Rahmen einer malignen Hypertonie entwickeln (Herold 2020)

 

Vorkommen/Epidemiologie

Die systemische Hypertonie führt bei ca. 6 % der Betroffenen zu einer dauerhaften Schädigung der Nieren. Bei Afroamerikanern tritt die hypertensive Nephrosklerose 5 x häufiger auf als bei Weißen (Kasper 2015).

Die Nephrosklerose ist die häufigste Ursache einer im Alter vorkommenden Einschränkung der Nierenleistung. Die benigne Form entwickelt sich aus einem jahrelang bestehendem Hypertonus, während sich die maligne Form innerhalb von Monaten oder wenigen Jahren nach Auftreten einer Hypertonie entwickelt (Lenz 2008).

Ätiopathogenese

Benigne Nephrosklerose:

Die Ursache der benignen Nephrosklerose ist ein langjähriger arterieller Hypertonus.

Risikofaktoren sind:

  • Dauer des Hypertonus
  • Rasse
  • höheres Alter
  • männliches Geschlecht
  • vorbestehende Nierenerkrankung
  • niedriges Geburtsgewicht
  • Rauchen
  • Hypercholesterinämie (Kasper 2015)

Maligne Nephrosklerose:

Die Ursache der malignen Nephrosklerose sind multiple thrombotische Gefäßverschlüsse der kleinen intrarenalen Gefäße. Diese können entstehen durch:

  • eine massive Gefäßwandproliferation mit Stenosierung der Gefäße 
  • vermehrte Thrombenbildung in den intrarenalen Gefäßen 

Ursache dieser Schädigungen können sein:

  • postinfektiös durch
    • E. coli
    • HIV
    • Shigella dysenteriae
    • Streptokokken
  • medikamentös durch
    •  Chinin
    • Cyclosporin A
    • Mitomycin
    • orale Kontrazeptiva
    • Tacrolimus
    • Ticlopidin
  • sekundär durch:
  • sonstige Ursachen:
    • Drogenabusus (Kokain)
    • genetisch bedingt
    • idiopathisch (Lenz 2008)

 

Pathophysiologie

Durch die Hypertonie kommt es zunächst zu einer Vasokonstriktion der Vas afferens. Als Folge der chronischen Vasokonstriktion kommt es zu einer Hyalinose der renalen Gefäße, mit Ischämie der Glomeruli, Sklerose und interstitieller Fibrose. Der Verlust der Nierenfunktion zieht sich über einen langen Zeitraum hin (Lenz 2008).

- maligne Nephrosklerose:

Die maligne Nephrosklerose geht hauptsächlich mit Veränderungen der Intima, insbesondere des subendothelialen Raumes einher (Keller 2010). Es kommt zu fibrinoiden Nekrosen in den kleinen Blutgefäßen und einer thrombotischen Mikroangiopathie (Kasper 2015). Dies führt zu einer extremen Verengung des Gefäßlumens mit raschem Verlust der Filterfunktion (Keller 2010).

Proteinurie:

Die Verdickung der Intima- Wände durch den Hypertonus lässt auch die Gefäßwände versteifen. Dadurch kommt es zum Auftreten einer Pulswelle, deren Druck sich auf die glomerulären Kapillaren überträgt und eine Mikroalbuminurie verursacht (Segerer 2014).

Klinisches Bild

Klinisch ist die benigne Nephrosklerose symptomlos. Erst durch die zunehmende Verschlechterung der Nierenfunktion mit Urämie oder Begleiterkrankungen kommt es zu Symptomen (Lenz 2008).

Bei Patienten mit einer Nephrosklerose bestehen typischerweise:

  • ein langjähriger Hypertonus mit sekundären Schäden wie z. B.:
    • linksventrikuläre Hypertrophie
    • hypertensive Augenhintergrundveränderungen
  • langsam steigende Proteinurie
  • unauffälliges Sediment
  • langsam progrediente Niereninsuffizienz (Keller 2010)

Maligne Nephrosklerose

Bei der malignen Form finden sich:

  • akute Verschlechterung des Allgemeinzustandes (Lenz 2008)
  • akute Verschlechterung der Nierenfunktion unter hypertensiver Entgleisung (Keller 2010)
  • Auftreten eines hypertensiven Notfall mit:
    • Brustschmerzen
    • Papillenödem
    • Nierenversagen  (Kasper 2015)

Diagnostik

Die Diagnose einer Nephrosklerose kann i. d. R. gestellt werden durch:

  • ausführliche Anamnese
  • körperliche Untersuchung
  • Urinanalyse
  • serologische Tests

Gesichert werden kann die Diagnose nur durch eine Biopsie. Diese ist i. d. R. aber nicht erforderlich (Lenz 2008). 

Ein frühes Symptom der Nephrosklerose ist die Mikroalbuminurie, so dass bei einem V. a. eine Nephrosklerose primär nach dieser gesucht werden sollte (Segerer 2014)

Bildgebung

Sonographie: Sonographisch stellen sich die Nieren klein und höckrig dar (Keller 2010). Der Parenchymsaum ist meistens verschmälert (Lenz 2008).

Duplexsonographie: Zur Abgrenzung der differentialdiagnostischen Erkrankungen sollte eine Duplexsonographie der Nierenarterien durchgeführt werden (Wolff 2012).

Labor

  • langsam steigende Retentionswerte (Keller 2010)

Da das Serumkreatinin im Alter bei abnehmender Muskelmasse eine zu gute Nierenfunktion vortäuschen kann, sollte die Bestimmung der Kreatinin- Clearance erfolgen (Lenz 2008). 

  • milde unselektive glomeruläre (Hofmann 2001) klein- und großmolekulare Proteinurie (Herold 2020) von meistens < 1 g / 24 h
  • Urinsediment typischerweise unauffällig
  • Hyperurikämie (als Zeichen der Reduktion des renalen Blutflusses) (Keller 2010)

Histologie

Man differenziert bei der hypertensiven Nephrosklerose zwischen 4 verschiedenen histologischen Veränderungen:

  • 1. präglomeruläre, vaskuläre Veränderungen mit
    • Einlagerung hyalinen Materials durch Plasmainsudation in die Intima und / oder Media 
    • Mediahypertrophie
  • 2. Sklerose der Glomeruli
  • 3. Atrophie der Tubuli
  • 4. interstitielle Fibrose (Keller 2010)

Die Einlagerung hyalinen Materials stellt vermutlich den frühesten Schädigungsmechanismus dar. Dieser ist potentiell reversibel. Erst im weiteren Verlauf kommt es zu glomerulären Veränderungen. (Keller 2010). 

Die maligne Nephrosklerose geht hauptsächlich mit Veränderungen der Intima einher (Keller 2010). 

Differentialdiagnose

Komplikation(en)

Die Nephrosklerose stellt mit 32 % die zweithäufigste Ursache für eine chronische Niereninsuffizienz in Deutschland dar (Glonke 2017).

Es besteht eine hohe Konkordanz auf mit:

  • einer linksventrikulären Hypertrophie
  • hypertensiven Augenhintergrundveränderungen (Wolff 2012)

Therapie

Therapeutisch werden in 1. Linie normotone Blutdruckwerte angestrebt. Wichtig ist, dieses Ziel kontinuierlich zu erreichen, da es Hinweise darauf gibt, dass selbst kurzfristige Druckanstiege zu einer erheblichen und auch dauerhaften Verschlechterung der Nierenfunktion führen. Wahrscheinlich reicht eine Drucksenkung auf Werte < 140 / 90 mmHg aus (Wolff 2012).

Sofern der Patient eine Proteinurie aufweist, sollten Angiotensinhemmer eingesetzt werden (Wolff 2012).

Wenn bereits ein Diabetes mellitus oder eine Nierenerkrankung vorliegen, empfehlen die Leitlinien eine Blutdruckeinstellung von < 130 / 80 mmHg (Kasper 2015). Bislang konnte kein Nutzen aus einer Senkung < 130 mmHg systolisch nachgewiesen werden, selbst nicht bei einer eGFR < 20 ml / min / 1,73m2 (Bock 2019).

Bei Vorliegen einer Nierenerkrankung erfolgt die antihypertensive Behandlung zu Beginn durch 2 Medikamente: 

plus

Die meisten Patienten benötigen jedoch ein 3. Medikament. (Kasper 2015)

Verlauf/Prognose

Bei einer Nephrosklerose mit eingeschränkter Nierenfunktion ist eine Heilung normalerweise nicht mehr möglich (Lenz 2008).

Durch die Senkung des Bluthochdrucks wird zwar das Fortschreiten der proteinurischen Nierenerkrankung verlangsamt, die Therapie ändert aber nichts an dem Verlauf der hypertensiven Nephrosklerose (Kasper 2015). Man vermutet hierbei genetische Einflüsse als Ursache (Keller 2010).

Bei Afroamerikanern hat sich gezeigt, dass eine mit einem ACE- Hemmer eingeleitete Behandlung die Verschlechterungder Nierenfunktion verlangsamen kann – unabhängig von den Auswirkungen auf die Blutdruckeinstellung (Kasper 2015).

Bei bioptisch gesicherten Erkrankten hat sich bei 30 % innerhalb der nächsten 13 Jahre eine terminale Niereninsuffizienz entwickelt (Segerer 2014).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Bock A (2019) Antihypertensive Therapie bei Niereninsuffizienz: welche Zielwerte, wie erreichen? Therapeutische Umschau Vol. 75 NO.6 Doi:https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001010
  2. Glonke N (2017) Prospektive Verlaufsstudie über die Auswirkung der RAAS-Blockade bei Trägern des Alport-Syndroms. Inaugural- Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizinischen Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen
  3. Herold G et al. (2021) Innere Medizin. Herold Verlag 301
  4. Hofmann W et al. (2001) Harnuntersuchungen zur differenzierten Diagnostik einer Proteinurie: Bekanntes und Neues zu Teststreifen und Harnproteinen. Dtsch Arztebl 98 (12): A - 756 / B - 618 / C - 578
  5. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1630, 1847 - 1848 
  6. Keller C K, Geberth S K (2010) Systemerkrankungen mit Nierenbeteiligung. In: Praxis der Nephrologie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-10213-4_9
  7. Lenz T et al. (2008) Hypertonie in Klinik und Praxis. Schattauer Verlag 256 - 258
  8. Segerer K et al (2014) Module Innere Medizin: Niere und ableitende Harnwege. Springer Verlag 101
  9. Singh C A (2000) Änderung der Nierenfunktion bei Patienten mit primär maligner Hypertonie und sekundär maligner Nephrosklerose im Vergleich zu Patienten mit Glomerulonephritis. Von der Medizinischen Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Medizin genehmigte Dissertation. 
  10. Thomas C et al. (2006) Histopathologie: Lehrbuch und Atlas zur Befunderhebung und Differentialdiagnostik. Schattauer Verlag 191 – 192
  11. Wolff T R et al. (2012) Internistische Therapie 2012/2013 - mit Zugang zum Elsevier-Portal. Elsevier Urban und Fischer Verlag 705

 

Weiterführende Artikel (2)

ACE-Hemmer; Thiazide;

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