Minimal-Change-Glomerulopathie N05.0

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 07.11.2022

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Synonym(e)

Glomeruläre Minimalläsionen; Lipoidnephrose; MCD; MCGN; Minimal change disease; Minimal Change Glomerulonephritis; Minimal-Change-Glomerulonephritis; Minimal change-Glomerulopathie; Minimal change nephrosis

Definition

Die Minimal-Change-Glomerulopathie (und die Fokal-Segmentale Glomerulosklerose–s.u. Maas RJ et al.2017) ist eine, bisher ätiopathogenetisch nicht eindeutig geklärte Erkrankung, die mit Veränderung der Podozyten (der Glomeruli) einhergeht und häufig zu einem nephrotischen Syndrom führt (Hogan J et al. 2013). Sie sit im Kindesalter die häufigste Ursache eines nephrotischen Syndroms

Einteilung

Idiopathische MCD: ein Großteil der MCD muss als idiopathisch eingeordnet werden

Sekundär (bekannte oder vermutete Ursachen):

Ätiopathogenese

Die Schädigung der Podozyten führt zu einer verminderten Synthese von Polyanionen wie Heparansulfat, die Ladungsselektivität der Blut-Harn-Schranke nimmt ab; kleine, negativ geladene Eiweißmoleküle wie Albumin werden filtriert und erscheinen im Urin. Die Ausscheidung großer, neutraler Eiweißmoleküle nimmt dagegen nur unwesentlich zu (selektive Proteinurie). Der diffuse Verlust der Podozyten-Fußfortsätze oder deren Abflachung beruht möglicherweise auf einer Verminderung von Dystroglykanen, Adhäsionsmoleküle mit denen Podozyten an der glomerulären Basalmembran verankert sind (Cara-Fuentes G et al. 2016).

Klinisches Bild

Die Minimal-Change-Glomerulonephritis äußert sich durch plötzliches abruptes Auftreten eines nephrotischen Syndroms mit:

  • Proteinurie
  • peripheren Ödemen durch eine Hypalbuminämie von < 2,5 g/dl im Serum und einer
  • Hyperlipoproteinämie
  • Erhöhung des Infektions-und Thromboserisikos
  • Bei Kindern ist die Serum-Kreatinin-Konzentration meist normal, bei Erwachsenen kann sie auch geringgradig erhöht sein. Bei Erwachsenen einem Proteinverlust von mehr als 1 g/m² Körperoberfläche pro Tag, ist häufig der Blutdruck erhöht. Selten ist die Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz.

Histologie

Lichtmikroskopisch erscheinen die Glomeruli meist normal. Bei der direkten immunhistologischen  (DIF) Untersuchung sind keine Immunkomplexe nachweisbar. Elektronenmikroskopisch zeigen sich eine diffuse Verbreiterung und eine Verschmelzung der Fußfortsätze der Podozyten.

Differentialdiagnose

Andere Ursachen eines nephrotischen Syndroms.

Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung zur Fokal-Segmentalen Glomerulonephritis, bei der die Veränderungen der Podozyten-Fußfortsätze nicht von der Minimal-Change-Glomerulonephritis zu unterscheiden sind. ioptisch 

Die charakteristischen, segmental sklerosierenden Veränderungen sind bei der Fokal-Segmentalen Glomerulonephritis nicht in allen Nierenkörperchen anzutreffen und werden bei einer Biopsie so unter Umständen nicht erfasst.

Eine noch nicht klar umrissene Erkrankung ist die C1q-Nephropathie. Bei der immunhistologischen Untersuchung werden in den Nierenkörperchen Ablagerungen der Komplementkomponente C1q gefunden. Die Erkrankung tritt vorwiegend bei Kindern und jungen Erwachsenen auf. Die Proteinurie spricht schlecht auf Kortikosteroide und Immunsuppressiva an. Werden nur glomeruläre Minimalveränderungen gefunden so ist die Prognose hinsichtlich der Nierenfunktion günstig.

Therapie

Allgemeine Therapie des nephrotischen Syndroms.

Glukokortikoide sind die Therapeutika der 1. Wahl. Sie führen in > 90 % der Fälle zu einer kompletten Remission der Proteinurie.

Erwachsene:

  • Bei Erwachsenen ist das Krankheitsbild eine seltenere Ursache des nephrotischen Syndroms und es können mehrere Monate vergehen, bis die Erkrankung auf die Behandlung anspricht. Daher ist beim Erwachsenen vor Beginn einer Behandlung die Sicherung der Diagnose durch eine Nierenbiopsie erforderlich.

Kinder:

  • Wegen der Häufigkeit der Erkrankung im Kindesalter und des schnellen Ansprechens auf eine Behandlung innerhalb von wenigen Wochen wird bei Kindern meist auf eine Sicherung der Diagnose durch Nierenbiopsie verzichtet (Vivarelli M et al. 2017). Beginn der Therapie mit Prednison in hoher Dosierung. 1 Monat nach Verschwinden von Eiweiß aus dem Urin wird die Dosis von Prednison zunächst auf eine Gabe jeden 2. Tag umgestellt und nach weiteren 2 Monaten langsam reduziert.
  • Die meisten Kinder sprechen innerhalb von 4 Wochen auf diese Behandlung an. 30 % der Kinder heilen komplett aus. 10–20 % haben < 4 Rezdive. Einige haben unter der Therapie bereits häufigere Rückfälle, oder es kommt bei der Dosisreduktion von Prednison zu einem Rückfall.
  • Kinder mit häufigen Rezidiven der Kinder, bei denen das Prednison nie komplett abgesetzt werden konnte, können alternativ 3 Monate mit Cyclophosphamid behandelt werden, um die Nebenwirkungen von Prednison zu vermeiden. 10% der Kinder sprechen nicht auf Prednison an. Bei diesen Kindern besteht ein erhöhtes Risiko, im weiteren Verlauf der Erkrankung einen Verlust der Nierenfunktion zu erleiden. Bei etwa 20 % der Kinder, die nicht auf Prednison ansprechen, lässt sich eine Mutation in Genen nachweisen, die Proteine der Podozyten kodieren (NPHS2-Gen, WT1-Gen). Kinder, bei denen eine dieser Mutationen nachweisbar ist, sollten nicht immunsuppressiv behandelt werden. Kinder, bei denen kein Hinweis auf ein angeborenes nephrotisches Syndrom besteht, können versuchsweise mit Cyclosporin, Cyclophosphamid oder Chlorambucil behandelt werden. Ist eine immunsuppressive Behandlung erfolglos oder nicht sinnvoll, werden die Ödeme mit Einschränkung von Salz- und Flüssigkeitszufuhr sowie mit Diuretika behandelt. Kinder mit persistierendem nephrotischem Syndrom sind anfällig gegenüber Infekten und sollten daher gegen Pneumokokken und Varizellen geimpft werden.

Erwachsene

  • Vorab ist die Diagnose durch Nierenbiopsie zu sichern. Therapie der Wahl ist Prednison; führt bei über 90 % der Erwachsenen im Verlauf von mehreren Monaten zu einer schlagartigen (innerhalb von 2 Wochen) und kompletten Remission der Proteinurie. Rezidive In 50–60 % der Fälle. Wiederholte Rezdivie werden bei 10–25 % der betroffenen Erwachsenen beobachtet. Prednison wird in hoher Dosis 3-4 Monate lang verabreicht und dann über einen Zeitraum von 6 Monaten langsam reduziert. Rezidive werden über einen kürzeren Zeitraum mit höheren Prednisondosen behandelt. Patienten mit häufigen Rezidiven werden auch über einen längeren Zeitraum mit Prednison behandelt. Dann allmähliches Ausschleichen der Dosis. Ggf. kann Prednison auch jeden 2. Tag verabreicht werden. Bei häufigen Rückfällen und bei erheblichen Nebenwirkungen der steroidalen Therapie, additiv Cyclophosphamid (2 mg/kg Körpergewicht für 12 Wochen) oder Cyclosporin A (initial maximal 5 mg/kg Körpergewicht - Spiegel: 120-150 ng/ml für zunächst 12 Monate). Alternativ zu Cyclosporin A Gabe von Mycophenolat Mofetil (1000–1500 mg/die). Reserveoptionen sind Tacrolimus (Xu D et al. 2017), Mycophenolat, sowie der Anti-CD20 Antikörper Rituximab (Kronbichler A et al. 2014).  Bei persistierender Proteinurie, Zugabe von ACE-Hemmern und/oder AT1-Antagonisten. Die Fettstoffwechselstörung wird mit Statinen therapiert. Bei ausgeprägtem nephrotischen Syndrom kann auch die Gabe von Diuretika und Antikoagulanzien erforderlich werden.

Wichtig: Osteoporoseprophylaxe: Calcium 1000 mg/die + Vitamin D 500 IU/die  ggf. Risedronat 5 mg/die .

Verlauf/Prognose

Im Allgemeinen ist die Prognose der Minimal-Change-Glomerulonephritis gut. Bei Rezidivpatienten bzw. bei Patienten, bei denen Prednison wegen ständiger Rezidivgefahr nicht abgesetzt werden kann (steroidabhängige MCD), muss bei 10–40 % der Erkrankten damit gerechnet werden, dass die Erkrankung bis in das Erwachsenenalter fortbesteht.

Literatur
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  1. Cara-Fuentes G et al. (2016) Pathogenesis of proteinuria in idiopathic minimal change disease: molecular mechanisms. Pediatr Nephrol 31:2179-2189.
  2. Florens N et al. (2017)  Chronic Lyme borreliosis associated with minimal change glomerular disease: a case report. BMC Nephrol 18:51.
  3. Herlitz LC et al. (2014) IgA nephropathy with minimal change disease. Clin J Am Soc Nephrol. 2014 9:1033-1039.
  4. Hogan J et al. (2013) The treatment of minimal change disease in adults. J Am Soc Nephrol 24:702-711.
  5. Kronbichler A et al. (2014) Rituximab in adult minimal change disease and focal segmental glomerulosclerosis. Nephron Clin Pract 128:277-282.
  6. Maas RJ et al.(2017) The Clinical Course of Minimal Change Nephrotic Syndrome With Onset in Adulthood or Late Adolescence: A Case Series. Am J Kidney Dis. 69:637-646.
  7. Tsai JL et al. (2016) Minimal change disease in a patient with myasthenia gravis:  A case report. Medicine (Baltimore) 95:e5008.
  8. Vivarelli M et al. (2017) Minimal Change Disease. Clin J Am Soc Nephrol 12:332-345.
  9. Waldman M et al. (2007): Adult minimal-change disease: clinical characteristics, treatment, and outcomes. Clin J Am Soc Nephrol 2:445–453
  10. Xu D et al. (2017) Tacrolimus improves proteinuria remission in adults with cyclosporine A-resistant or -dependent minimal change disease. Nephrology (Carlton) 22:251-256.
  11. Yildiz H et al. (2016) Minimal change disease associated with malignant pleural mesothelioma: case report and review of the literature. BMJ Case Rep pii: bcr2016217958.

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