mikro-RNAs

Zuletzt aktualisiert am: 09.12.2025

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Synonym(e)

micro-RNAs; miRNAs

Definition

miRNAs sind kurze, evolutionär konservierte nicht-codierende RNAs (≈20–24 nt), die in einem mehrstufigen Prozess über Drosha/DGCR8, Exportin-5, Dicer und Argonaute-Proteine gebildet werden. Sie regulieren die Genexpression hauptsächlich posttranskriptionell durch Seed-abhängige Bindung an Ziel-mRNAs, was zu translationaler Repression und mRNA-Abbau führt.

Neben dem kanonischen Biogeneseweg existieren Drosha- und Dicer-unabhängige alternative Pfade. miRNAs sind integrale Komponenten nahezu aller zellulären Regulationsnetzwerke. Ihre Dysregulation kann ursächlich zu zahlreichen Erkrankungen führen (insbesondere Krebs, kardiovaskuläre und neurologische Erkrankungen). Gleichzeitig werden miRNAs als stabile zirkulierende Biomarker und als Ansatzpunkte für therapeutische Interventionen intensiv untersucht (s.u. RNA-Interferenz; RNA-Therapeutika). Eine einzelne miRNA kann Dutzende bis Hunderte Ziel-mRNAs regulieren, und umgekehrt wird eine mRNA oft von mehreren miRNAs kontrolliert.

Allgemeine Information

Kanonische Biogenese: Die kanonische Biogenese umfasst eine zweistufige Prozessierung durch RNase-III-Enzyme (Drosha, Dicer):

  1. Transkription (Nukleus)
    1. miRNA-Gene werden meist durch RNA-Polymerase II transkribiert pri-miRNA (hundert bis tausende nt, 5’-Cap, Poly(A)-Schwanz, Haarnadel-Strukture(n)).
  2.  Microprocessor-Komplex (Drosha/DGCR8)
    1. DGCR8 erkennt dsRNA-Haarnadeln in der pri-miRNA
    2. Drosha schneidet ~11 nt oberhalb der Haarnadelbasi pre-miRNA (~60–70 nt Haarnadel mit 2-nt 3’-Überhang).
  3. Export aus dem Nukleus
    1.  pre-miRNA wird von Exportin-5/Ran-GTP in das Zytoplasma transportiert.
  4. Dicer-Prozessierung (Zytoplasma)
    1. Dicer (RNase-III) erkennt die pre-miRNA und schneidet nahe der Haarnadel-Schleife. Es entsteht ein ~22 nt dsRNA-Duplex mit 2-nt 3’-Überhängen (miRNA:miRNA*).
  5. RISC-Beladung
    1. Der Duplex wird in den Argonaute-(AGO-)Komplex geladen. Ein Strang (guide strand, z. B. miR-21-5p) bleibt in RISC; reife miRNA.
    2. Der andere Strang (passenger / miRNA*) wird meist abgebaut (oder in einigen Fällen funktionell).

Nicht-kanonische Biogenesewege. Neben dem kanonischen Weg existieren mehrere nicht-kanonische Pfade, die Teile der Standardmaschinerie umgehen:

  1. Drosha-unabhängige (aber Dicer-abhängige) Wege.
  2.  Dicer-unabhängige (aber Drosha-abhängige) Wege
    1. Drosha produziert eine ungewöhnlich kurze pre-miRNA.
    2. Statt Dicer übernimmt AGO2 eine endonukleolytische Prozessierung → reife miRNA.
  3. Weitere Varianten
    1. pri-miRNAs, die von RNA-Polymerase III stammen
    2. miRNA-ähnliche RNAs aus tRNAs, snoRNAs oder anderen strukturierten RNAs. Diese alternativen Pfade erweitern das Regulationspotenzial und erklären miRNAs in Kontexten, wo klassische Drosha/Dicer-Signalwege gestört sind, aber dennoch miRNA-ähnliche Moleküle auftreten.

Mechanismen der Genregulation durch miRNA. Die reife miRNA im miRISC (miRNA-induzierter Silencing-Komplex) erkennt Ziel-mRNAs hauptsächlich über die Seed-Region (nt 2–8 vom 5’-Ende). Zielerkennung:

  1. Hauptbindestelle: 3’-UTR von mRNAs
  2. auch Bindung an CDS und 5’-UTR beschrieben
  3. Bindung meist über partielle Komplementarität (Tiere)

Regulation der miRNA-Expression. miRNAs sind selbst Teil komplexer Regulationsnetzwerke:

  1. Transkriptionelle Kontrolle
  2. miRNA-Promotoren werden durch klassische Transkriptionsfaktoren (z. B. MYC, p53) reguliert.
  3. Epigenetische Modifikationen (DNA-Methylierung, Histonmarkierungen) verändern miRNA-Genaktivität.
  4. Posttranskriptionelle Regulation der Biogenese
    1. Modulation von Drosha, DGCR8, Dicer, AGO2 (Expression, PTMs)
    2. RNA-Bindungsproteine (z. B. hnRNPs, Lin28) beeinflussen spezifische pri- oder pre-miRNAs.
  5. RNA-Editing und SNPs
    1. A-zu-I-Editing in pri-/pre-miRNAs kann Seed-Sequenz oder Struktur verändern.
    2. Polymorphismen in miRNA-Genen oder Zielsequenzen modifizieren Bindung und Funktion.
  6. ceRNA-Netzwerke (Competing Endogenous RNAs)
  7. lncRNAs, zirkuläre RNAs (circRNAs) und mRNAs können als „Sponges“ miRNAs binden. Dabei wird die  effektive Verfügbarkeit der miRNA für andere Ziele reduziert.

Turnover und Abbau von miRNAs. miRNAs sind relativ stabil (Halbwertszeiten von Stunden bis Tagen), werden aber aktiv abgebaut, um dynamische Regulation zu erlauben:

  1. 3’-Tailing und Trimming
  2. Addition von U- oder A-Nukleotiden durch TUTasen oder PAPs → Destabilisierung.
  3. Exonukleasen trimmen das 3’-Ende.
  4. Exonukleolytischer Abbau
  5. u. a. XRN- und SDN-ähnliche Nukleasen (speziesabhängig).
  6. Target-Directed miRNA Degradation (TDMD)
    1. stark komplementäre Ziel-RNAs induzieren spezifischen miRNA-Abbau.

Biologische Funktionen. miRNAs sind an den meisten grundlegenden zellulären Prozessen beteiligt:

  1. Entwicklung und Differenzierung
  2. z. B. miR-1 (Muskel), miR-124 (Neuron), let-7 (Entwicklungszeitsteuerung)
  3.  Zellzyklus, Proliferation, Apoptose
  4. miR-17–92-Cluster, miR-34-Familie u. a.
  5. Stammzell-Selbsterneuerung & Pluripotenz
  6. Metabolismus und Energiestoffwechsel
  7. Regulation von Insulinsignalwegen, Lipid- und Glukosestoffwechsel
  8. Immunsystem und Entzündung
  9.  z. B. miR-155, miR-146a in angeborener und adaptiver Immunantwort
  10. Neuronale Funktionen
  11. Synaptische Plastizität, Gedächtnisbildung, Axonführung
  12. Stressantworten
  13. Hypoxie, DNA-Schäden, oxidativer Stress

miRNAs bei Krankheiten. Fehlregulierte miRNA-Netzwerke sind in vielen Erkrankungen nachgewiesen:

  1. Krebs
  2. OncomiRs (z. B. miR-21, miR-155) fördern Proliferation, Angiogenese, Invasion.
  3. Tumorsuppressor-miRNAs (z. B. let-7, miR-34) werden oft herunterreguliert.
  4. Kardiovaskuläre Erkrankungen
  5. miR-1, miR-133, miR-208, miR-499 u. a. bei Hypertrophie, Infarkt, Rhythmusstörungen.
  6. Neurologische und neurodegenerative Erkrankungen
  7. miR-9, miR-124, miR-132 etc. bei Schizophrenie, Alzheimer, Parkinson diskutiert.
  8. Metabolische Erkrankungen
  9. miRNA-Profile verändert bei Diabetes, Fettleber, Adipositas.
  10. Infektionskrankheiten
  11. Wirt- und virale miRNAs modulieren Virusreplikation (z. B. Herpesviren, Hepatitisviren).

miRNAs als Biomarker

  1. miRNAs sind in Blut, Serum, Plasma, Speichel, Urin nachweisbar, häufig in
  2. Exosomen, Mikrovesikeln oder AGO-Komplexen geschützt.
  3. Hohe Stabilität, relative Spezifität der Muster, attraktive diagnostische und prognostische Biomarker (z. B. in Onkologie, Kardiologie).

Therapeutische Ansätze:

  1.  miRNA-Mimetika
  2. synthetische miRNAs, die fehlende Tumorsuppressor-miRNAs ersetzen sollen.
  3.  miRNA-Inhibitoren
  4. Antagomirs, LNA-modifizierte Oligonukleotide, Sponge-Konstrukte zur Hemmung von OncomiRs.

Weiterführende Artikel (2)

Dicer; Kanonisch;
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