Fallotsche Tetralogie Q21.3

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 17.11.2022

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Synonym(e)

Fallot Tetralogie; Tetralogy of Fallot; TOF

Erstbeschreiber

Bereits im Jahre 1571 beschrieb Nils Stensen erstmals die Fallot- Tetralogie (Apitz 2015) und 1866 wurde das Krankheitsbild von Sir Thomas Bevill Peacock anatomisch- pathologisch dargestellt (Chopra 2013). Der französische Pathologe Etienne Louis Arthur Fallot, nach dem die Fallot Tetralogie letztlich benannt wurde, prägte 1888 den Begriff „Tetralogie“ (Chopra 2013).

Die erste operative Maßnahme führte Alfred Blalock 1944 in Form einer Palliativ- OP durch (Apitz 2015), indem er die A. subclavia und die Pulmonalarterie mit einem Shunt verband (Schmid 2004).

Die erste Korrektur der Fallot Tetralogie mit Hilfe einer Cross circulation erfolgte 1954 durch Lillihei und ein Jahr später mit Hilfe der Herz- Lungen- Maschine durch Kirklin (Schmid 2004).

Definition

Bei der Fallot Tetralogie findet sich eine Verlagerung des Infundibulumseptums nach rechts, anterocephal. Diese Verlagerung führt zu unterschiedlichen Veränderungen der Anatomie des Herzens (s. u. „Anatomie“). Das Bild wird durch den Schweregrad der Obstruktion der rechtsseitigen Ausflussbahn bestimmt (Kasper 2015).

Einteilung

Anatomie

Laut Becker (1985) beruht die primäre Fehlbildung auf einer Verlagerung im Bereich der septalen Insertion des Infundibulumseptums nach vorn. Dadurch liegt das Septum des Infundibulums vor den Schenkeln der Trabecula septomarginalis und nicht – wie üblich – zwischen den Schenkeln.

Das wiederum führt zu den typischen Fehlentwicklungen wie

  • Pulmonalstenose:
    • infundibulärer (bei 50 % [Herold 2019]
    • valvulärer (bei 10 % [Herold 2019]
    • an beiden Orten (bei 30 % [Herold 2019]
    • seltener supravalvulärer
    • bei 10 % besteht eine Pulmonalatresie (Herold 2019)
  • hochsitzendem Ventrikelseptumdefekt
  • über dem Ventrikelseptumdefekt abgehende (sog. reitende) Aorta
  • kompensatorischer Hypertrophie des rechten Ventrikels (Pinger 2019)

Die Pathophysiologie ist abhängig vom Schweregrad der Pulmonalstenose (RVOTO) und der Größe des Ventrikelseptumdefektes (Pinger 2019).

Pathophysiologie bei Vorliegen einer RVOTO: Das venöse Blut fließt nicht durch die Lunge, es gelangt vielmehr durch den Ventrikelseptumdefekt direkt in den Systemkreislauf. Je nach Größe der RVOTO kommt es zu einem leicht- bis hochgradigen Rechts- Links- Shunt (Herold 2019). Die zentralen Pulmonalgefäße sind durch die verminderte pulmonale Perfusion mehr oder weniger hypoplastisch (Pinger 2019).

Pathophysiologie bei Vorliegen eines Ventrikelseptumdefektes: Es besteht ein Druckausgleich zwischen dem rechten Ventrikel, dem linken Ventrikel und der Aoota. Durch den Druckausgleich kommt es – genauso wie bei einem isolierten Ventrikelseptumdefekt - zu einem Links- Rechts- Shunt (Apitz 2005). Ein gleichzeitig bestehender Ductus Botalli verbessert die Hämodynamik durch die Zunahme der Lungenperfusion (Pinger 2019).

 

Vorkommen/Epidemiologie

Die Fallot Tetralogie ist mit einer Prävalenz von 4,7 / 10.000 Geburten die häufigste zyanotische angeborene Fehlbildung (Briese 2010).

Sie macht 10 % aller angeborenen Herzfehler aus und 65 % aller angeborenen zyanotischen Herzfehler (Herold 2019).

Von der Fehlbildung sind mehr männliche Neugeborene betroffen. Das Geschlechterverhältnis beträgt m : w = 1,4 : 1 (Herold 2019).

Pro Jahr werden in Deutschland ca. 280 Kinder mit einer Fallot Tetralogie operiert. Die Hälfte davon sind < 1 Jahr (Schmid 2004).

Assoziierende Fehlbildungen im Herz- Kreislaufsystem:

In ca. 20 % bis 30 % bestehen weitere Fehlentwicklungen wie z. B.:

  • Anomalie der Koronarien (4 % - 5 % [Apitz 2005])
  • rechts liegender Aortenbogen und Aorta descendens (kommt bei bis zu 25 % der betroffenen Patienten vor (Kasper 2015)
  • Atresie der Pulmonalis (18 % - 22 % [Apitz 2005])
  • Vorhofseptumdefekt (auch ASD V oder Fallot Pentalogie genannt; nur selten auftretend  - Apitz 2005) (Pinger 2019)
  • valvuläre Pulmonalstenose (bei 30 % bis 76 %)
  • fehlende Pulmonalklappe (bei 1,6 % - 4%)
  • periphere Pulmonalstenose (bei 20 % - 28 %)
  • Hypoplasie einer (meistens der linken) Pulmonalarterie (bei 22 %)
  • Aplasie einer (meistens der linken) Pulmonalarterie (bei 2 %)
  • Vorhofseptumdefekt (bei ca. 1,5 % - 3,8 %)
  • zusätzlich bestehender muskulärer apikaler oder Inletventrikelseptumdefekt (bei 5 %)
  • Vorhandensein einer A. lusoria (bei 1 % - 5 %)
  • persistierende linke obere Hohlvene (bei ca. 11 %)

ohne Angaben zur Häufigkeit:

  • persistierender Ductus arteriosus, auch Ductus arteriosus apertus genannt (entspricht bei gleichzeitigem Vorliegen eines Vorhofseptumdefektes dem sog. Fallot VI oder Fallot- Hexalogie)
  • supravalvuläre Pulmonalstenose
  • partiell fehlmündende Lungenvenen
  • Anomalien der Trikuspidalklappe
  • Anomalien der Mitralklappe
  • Endokardfibroelastose (Apitz 2005)

Assoziierende nicht- kardiale Erkrankungen:

Auch extrakardiale Auffälligkeiten finden sich relativ häufig bei der Fallot Tetralogie. Dazu zählen:

  • Fehlbildungen des Gastrointestinaltraktes
  • Spaltbildungen
  • bei Kindern mit Trisomie 18 und Trisomie 21 kommt dieses Vitium bei ca. 10 % vor (Strauss 2008)
  • Hyperurikämie (Stierle 2017)

Ätiopathogenese

Es handelt sich um eine angeborene Fehlbildung. Ursache hierfür ist eine Hemmung der korrekten Rotation im Bereich der bulbotrunkalen Region sowie eine gestörte Fusion mit dem Endokardkissen (Strauss 2008).

Bei ca. 9 % - 17 % der Patienten mit unkomplizierter Fallot Tetralogie konnte eine Mikrodeletion am Chromosom 22q11.2 nachgewiesen werden und bei Fallot- Patienten mit einem rechten Aortenbogen sogar bei 60 % bis 70 % (Weil 2011).

Klinisches Bild

Das klinische Bild differiert stark, je nach Ausmaß des Ventrikelseptumdefektes und dem Schweregrad der pulmonalen Stenose (Pinger 2019). Bei Vorliegen einer höhergradigen Obstruktion des rechtsseitigen Ausflusstraktes besteht bereits frühzeitig eine zentrale Zyanose. Falls nur ein geringgradiger RVOTO besteht, kommt es zum Auftreten der azyanotischen Form, auch „pink Fallot“ genannt (Herold 2019), bei der bis ins Erwachsenenalter hinein ein nahezu asymptomatischer Verlauf bestehen kann (Apitz 2005).

Es treten bei ca. 45 % der Patienten erste Symptome bereits innerhalb der ersten 14 Tage postpartal auf und bei ca. 80 % innerhalb des 1. Lebenstrimenons. Diese sind:

  • Trinkschwierigkeiten
  • Tachypnoe
  • Dyspnoe
  • hypoxämische Anfälle (diese entstehen durch eine Engstellung des hypertrophierten Infundibulums, was eine Blockade zum Lungenkreislauf verursacht [Herold 2019]; sie können ab ca. dem 3. Lebensmonat auftreten [Briese 2010]) (Apitz 2005)

Im weiteren Verlauf kommen noch hinzu:

  • fehlende Gewichtszunahme bis hin zur Dystrophie (Apitz 2005)
  • Hockstellung ab dem Kleinkindalter (dadurch steigt der Systemwiderstand an, es kommt zur Erhöhung der Lungenperfusion und damit zu einem Anstieg der Sauerstoffsättigung [Herold 2019])
  • sichtbare Zyanose (findet sich bei ca. 25 % der Neugeborenen und bei ca. 75 % der Säuglinge bis zu 12 Monaten) (Apitz 2005)
  • Schwindel mit oder ohne Synkopen
  • epileptische Anfälle
  • zerebrale Embolien
  • Hirnabszesse
  • Thrombosen (Stierle 2017)
  • geringe Entwicklungsverzögerung (Herold 2019).
  • Endokarditis (Weil 2011)

Bildgebung

Röntgen Thorax:

Für die Diagnostik ist eine Röntgen- Thoraxaufnahme zwar nicht unbedingt erforderlich, sie sollte aber präoperativ zur Feststellung bzw. zum Ausschluss extrakardialer thorakaler Anomalien und auch als Grundlage für spätere Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden (Weil 2011).
Im Röntgenbild lassen sich darstellen:

  • normale Herzgröße
  • hypertropher rechter Ventrikel mit angehobener und abgerundeter Herzspitze (sog. Holzschuhherz oder auch als „coeur en sabot“ bezeichnet [Pinger 2019])
  • Herztaille eingezogen (entsteht als Folge der Hyperplasie der A. pulmonalis)
  • die zentralen Pulmonalgefäße sind hypoplastisch (durch die verminderte pulmonale Perfusion [Pinger 2019])
  • der Truncus pulmonalis ist dilatiert
  • die Aorta nach rechts verlagert (Stierle 2017)
  • partielles lobuläres Lungenemphysem (kann durch eine Bronchusobstruktion bei fehlender Pulmonalklappe entstehen [Apitz 2005])

Echokardiographie

Mit Hilfe der Echokardiografie kann man i. d. R. die Diagnose einer Fallot Tetralogie sichern (Apitz 2005).

2- D- Echokardiografie:

  • der Ventrikelseptumdefekt und die überreitende Aorta lassen sich parasternal in der langen Achse darstellen
  • die Pulmonalstenose lässt sich parasternal in der kurzen Achse darstellen

Bemerkung: Eine übersichtliche Darstellung des Ventrikelseptumdefektes, der Pulmonalstenose und der Aorta von subkostal ist bei Neugeborenen möglich (Stierle 2017).

cw- Doppler:

  • Bestimmung des Druckgradienten über dem RVOT
  • Nachweis des Ventrikelseptumdefektes (Stierle 2017)

Farb- Doppler:

  • Obstruktion des RVOT
  • Obstruktion der Pulmonalklappe
  • Nachweis des Ventrikelseptumdefektes (Stierle 2017)

Transösophageale Echokardiographie (TEE):

Eine TEE sollte nur bei unzureichender thorakaler Darstellung erfolgen. Hierbei können u. a. beurteilt werden:

  • Morphologie des RVOT
  • Morphologie der Pulmonalklappe
  • Lagebeziehung zwischen der Aorta ascendens und dem Ventrikelseptumdefekt (Stierle 2017)

Kardio- MRT

Bei der präoperativen Diagnostik hat die Kardio- MRT i. d. R. keine Bedeutung (Weil 2011).

Bei postoperativen Verlaufskontrollen hingegen wird diese Untersuchung eingesetzt bei Pulmonalklappeninsuffizienz und zur Beurteilung der Größe und Funktion des rechten Ventrikels (Stierle 2017).

Herzkatheter

Die Herzkatheteruntersuchung ist für die Diagnose einer Fallot Tetralogie nicht grundsätzlich erforderlich.

Sie kann aber indiziert sein bei:

  • V. a. multifokale Perfusion der Pulmonalarterien (durch aortopulmonale Kollaterale)
  • eventuell auch bei einem echokardiographischen V. a. eine Anomalie der Koronarien (Weil 2011)

Bei Säuglingen sollte diese Untersuchung – falls erforderlich - frühzeitig erfolgen, da im weiteren Verlauf der Fallot Tetralogie hypoxische Anfälle durch die Untersuchung ausgelöst werden können (Apitz 2005). Bei dieser Untersuchung lassen sich Aussagen machen zur:

  • Anatomie des Herzens
  • Anatomie der Pulmonalarterien
  • die Druck- und Flussverhältnisse lassen sich quantifizieren
  • Beurteilung der Koronarien (bei ca. 30 % finden sich Anomalien der Koronargefäße [Stierle 2017])
  • assoziierende Anomalien können nachgewiesen werden (Herold 2019)

 

Diagnose

Inspektion und Palpation

  • zentrale Zyanose (Stierle 2017)
  • Uhrglasnägel (können sich bereits im 1. Lebensjahr ausbilden)
  • Trommelschlegelfinger und – zehen (bilden sich frühestens im 2. Lebensjahr aus) (Apitz 2015)
  • Voussure (Buckelung der anterioren Thoraxwand nach vorn [Pinger 2019])
  • systolisches Schwirren über der Stenose des rechtsventrikulären Ausflusstraktes
  • über dem unteren Sternumdrittel präkordialer Impuls (Stierle 2017)

Auskultation

  • singulärer lauter 2. Herzton, nur A2 ist hörbar (entsteht durch den Aortenklappenschluss)
  • aortaler Ejektionsklick (meistens erst nach dem 20. Lebensjahr auskultierbar)
  • systolisches Austreibungsgeräusch im 3. ICR links parasternal über dem RVOT (dieses ist um so leiser, je stärker die RVOT- Obstruktion ist und kann während eines hypoxischen Anfall ganz verschwinden [Stierle 2017] )
  • diastolisches Refluxgeräusch bei Erwachsenen über der Herzbasis auskultierbar (entsteht durch eine Aortenklappeninsuffizienz, seltener durch eine Verkalkung der Pulmonalklappe)
  • bei Vorliegen eines Ductus arteriosus apertus findet sich ein kontinuierliches Geräusch am linken oberen Sternalrand (Apitz 2005 / Stierle 2017)
  • to- and- fro- Geräusch mit mittel- bis hochfrequentem diastolischen Anteil bei fehlender Pulmonalklappe (Apitz 2005)

EKG

Ein EKG sollte präoperativ auf jeden Fall als Ausgangsbefund abgeleitet werden (Weil 2011). Typisch sind dabei: 

  • Rechtslagetyp (falls es sich um einen Linkslagetyp handelt, sollte eine AV- Kanal- Malformation ausgeschlossen werden [Stierle 2017])
  • rechtsatriale Hypertrophiezeichen (nur selten vorkommend [Kasper 2015])
  • ventrikuläre Hypertrophiezeichen (diese sind selten so ausgeprägt wie bei der Fallot Tetralogie [Stierle 2017]) wie z. B.:
    • Sokolow- Lyon- Index als Zeichen der Rechtsherzhypertrophie ( RV1 +SV5/6 > 1,05 mV) 
  • inkompletter Rechtsschenkelblock (Pinger 2019)
  • Extrasystolen (treten erst nach dem 8. Lebensjahr auf [Apitz 2005])

Pulsoxymetrie

Die Pulsoxymetrie sollte auf jeden Fall bei den Untersuchungen eingesetzt werden, da diese sowohl den Schweregrad als auch den Verlauf der zentralen Zyanose objektivieren. Sollten die transkutan gemessenen O2- Werte eine Sättigung von < 80 % anzeigen, besteht umgehender Handlungsbedarf. (Weil 2011)

 

Differentialdiagnose

Von einer Fallot Tetralogie sind differentialdiagnostisch abzugrenzen:

  • Malalignment- Ventrikelseptumdefekt (hierbei besteht ein Ventrikelseptumdefekt mit überreitender Aorta, jedoch ohne Pulmonalstenose)
  • Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt (in früheren Zeiten auch als „extremer Fallot“ bezeichnet)
  • Truncus arteriosus communis (hierbei muss differentialdiagnostisch eine Fallot Tetralogie mit Pulmonalatresie ausgeschlossen werden)
  • double outlet right ventricle = DORV (umfasst eine heterogene Gruppe von Herzfehlbildungen, bei denen die Aorta und die Pulmonalarterie aus dem rechten Ventrikel entspringen, jedoch ohne Vorliegen einer Pulmonalatresie bzw. - stenose [Koletzko 2004])
  • Ventrikelseptumdefekt mit Diskontinuität der Aorten- und Mitralklappe (Strauss 2008)
  • Transposition der großen Arterien mit Ventrikelseptumdefekt und Pulmonalklappenstenose
  • korrigierte Transposition der großen Arterien mit Ventrikelseptumdefekt und Pulmonalklappenstenose
  • Single ventricle mit Pulmonalklappenstenose
  • Endokardkissendefekt mit Pulmonalklappenstenose (Stierle 2017)
  • Pulmonalklappenagenesie, auch „absent pulmonary valve syndrome“ genannt (Weil 2011)

 

Interne Therapie

Zu den konservativen Behandlungsmöglichkeiten zählen:

Diese sollte bei Patienten, die bislang nicht korrigiert wurden, erfolgen. Ebenso 6 Monate lang nach einer Korrektur- OP und bei Patienten, denen die Pulmonalklappe chirurgisch oder interventionell ersetzt wurde (Weil 2011).

Therapieempfehlung:

  • eine Antibiotikaprophylaxe 30 – 60 min vor dem Eingriff als Einzeldosis zu verabreichen;
  • sofern eine orale Gabe möglich ist, können Amoxicillin oder Ampicillin 2 g p. o. verabreicht werden 
  • falls eine orale Gabe nicht möglich ist, empfiehlt sich Ampicillin oder Cefalexin 2 g i.v.
  • bei Ampicillin- oder Penicillinallergie sollte oral Clindamycin 600 mg gegeben werden
  • bei notwendiger i.v. - Gabe Clindamycin 600 mg i.v. (Herold 2018).
  • Eisensubstitution

Therapieempfehlung: z. B. Eryfer 1 x 100 mg / d bis zum Erreichen des Hb- Normbereiches; regelmäßige Kontrollen des Blutbildes sind wegen der Gefahr der Polyzythämie unter Eisensubstitution erforderlich.

  • Betablocker als Dauermedikation zur Prophylaxe hypoxämischer Anfälle

Therapieempfehlung: s. u. „Therapie des hypoxämischen Anfalls“

  • Allopurinol bei Hyperurikämie; Therapieempfehlung: 100 – 300 mg /Tag
  • bei z. B. interkurrenten Erkrankungen etc. müssen Flüssigkeitsverluste konsequent ausgeglichen werden
  • falls erforderlich, sollten Aderlässe unter regelmäßiger Kontrolle der Thrombozytenfunktion und der PTT durchgeführt werden (Stierle 2017)

Als palliative medikamentöse Behandlungen kommen in Frage:

  • Prostaglandine

Dauergabe von Prostaglandinen bis zum operativen Eingriff (sofern die Lungenblutung vom Ductus abhängig ist [Weil 2011]). Dies erfolgt durch Infusionen von Prostaglandin E1. Es sollten möglichst niedrige Dosen verwendet werden (z. B. 5 – 10 ng/kg/min), da ansonsten die Gefahr von Nebenwirkungen wie z. B. Atemdepression oder Kreislaufdepression steigt. (Paul 2014)

  • Beta- Blocker: Wenn die transkutan gemessene Sauerstoffsättigung durch eine zunehmende infundibuläre Stenose auf < 85 % sinkt, kann Propranolol (2 mg – 6 mg / kg/d) als Dauerinfusion bis zum geplanten operativen Eingriff verabreicht werden. Eine einschleichende Dosierung ist besonders bei jungen Säuglingen erforderlich. Die Zieldosis sollte die höchste tolerierte Dosis sein. (Weil 2011)

Therapie des hypoxämischen Anfalls

Die Behandlung des hypoxämischen Anfalls erfolgt nach einem Stufenschema:

1. Hockstellung bzw. Simulation der Hockstellung (indem man das Kind auf dem Arm hält und beide Kniegelenke beugt)

2. Sedierung des Kindes, z. B. 5 mg – 10 mg Diazepam als Rektiole

3. Sauerstoffgabe über eine Nasensonde, z. B. 4l – 6l / Min

4. ggf. Gabe von Morphin, z. B. 0,01 mg – 0,1 mg /kg KG s.c.

5. Volumengabe i. v. zur Expansion des intravasalen Volumens

6. bei anhaltender Zyanose und einem durch die Blutgasanalyse nachgewiesenem Basendefizit sollte NaHCO3 bis zu 5 mmol/l verabreicht werden

7. bei ausgeprägter Hypotonie Gabe eines Vasokonstriktors, z. B. Dopamin in niedriger Dosis mit blutigem RR- Monitoring; hierbei besteht allerdings die Gefahr einer Verstärkung der bereits bestehenden RVOT- Obstruktion

8. Gabe von Betablockern, z. B. Dociton in kleinen i. v. Dosen (0,025 mg – 0,1 mg/kg KG)

9. als Ultima Ratio bleibt letztlich nur die Allgemeinanästhesie (Stierle 2017)

Kontraindiziert sind:

  • Digitalisglykoside
  • arterielle Vasodilatatoren
  • ASS
  • NSAR (Stierle 2017)

Operative Therapie

Grundsätzliches Ziel der Behandlung bei einer Fallot Tetralogie sind zum einen der Verschluss des Ventrikelseptumdefektes und zum anderen die Beseitigung der Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstraktes. 

Kontrovers diskutiert wird aber der Zeitpunkt der Korrektur- Operation. Sollte eine ausgeprägte Zyanose bestehen, kann die korrigierende Maßnahme bereits im Neugeborenenalter erfolgen. Allerdings weisen die europäische Datenbank (EACTS congenital database) ebenso wie eine amerikanische Multicenteruntersuchung darauf hin, dass die Frühmortalität bei Eingriffen im Neugeborenenalter deutlich erhöht ist (10 % vs. 1,6 % bzw. bei der Multicenterstudie 7,8 % vs. 0,9 %) (Weil 2011). Auch eine aktuelle Studie von Ghimire (am 11. Oktober 2019 im American Journal of Cardiology veröffentlicht) konnte dies bestätigen. Es zeigten sich darüber hinaus auch noch höhere Raten an Komplikationen, wie z. B. 

  • akutes Nierenversagen (8,9 % vs. 2,3 %)
  • Notwendigkeit zur Herzkatheter- Untersuchung (18, 6 % vs. 8,3 %)
  • Notwendigkeit einer ECMO (4,4 % vs. 1,6 %)

Andere Komplikationen wie z. B. das Auftreten von Arrhythmien, Atemstillstand, plötzlicher Herztod und pulmonale Hypertonie waren nicht zu verzeichnen (Ghimire 2019). Von daher wird, sofern es klinisch vertretbar ist, empfohlen, den korrigierenden Eingriff elektiv zwischen dem 4. und 12. Lebensmonat durchzuführen (Weil 2011).

Die chirurgischen Möglichkeiten bestehen grundsätzlich aus chirurgisch- palliativen und chirurgisch- korrigierenden Operationen (Pinger 2019).

Chirurgisch- palliativ

Sollte primär ein korrigierender Eingriff nicht möglich sein (z. B. bei hypoplastischen Pulmonalarterien, hypoplastischem Klappenring, Anomalien der Koronarien, multiplen Ventrikelseptumdefekten etc.[Herold 2019]), muss zum Überleben bei stark stenotischen oder funktionell atretischem RVOT ein palliativer Eingriff zur Sicherung einer ausreichenden Lungenperfusion erfolgen (Weil 2011). Diese palliative Operation besteht in einer Anastomose zwischen dem System- und dem Lungenkreislauf z. B. nach Pott, Waterston oder Blalock- Taussing (20- Jahres- Überleben liegt hierbei bei ca. 55 % [Strauss 2008]) (Pinger 2019)

Chirurgisch- korrigierend

Bei der chirurgisch- korrigierenden OP

  • wird die Obstruktion des rechtsventrikulären Ausflusstraktes durch eine Valvulotomie der Pulmonalklappe und / oder eine Resektion der infundibulären Muskulatur beseitigt
  • sind nicht selten Patch- Erweiterungen durch Perikard- oder durch ein Kunststoff- PTFE- Patch erforderlich
  • erfolgt zusätzlich der Verschluss des Vorhofseptum- bzw. des Ventrikelseptumdefektes (Herold 2019)

Indikationen für eine korrigierende OP: Sofern die Anatomie es erlaubt, sollte bei allen symptomatischen Fällen ein korrigierender Eingriff erfolgen (Stierle 2017)

OP- Letalität: Die Operationsletalität liegt < 5 % (Stierle 2017). Es wird differenziert zwischen der Letalität bei Kindern, die < 1 % liegt und der bei Erwachsenen, die bis zu 9 % betragen kann.

Re- Operation: Innerhalb von 20 Jahren ist bei ca. 10 % - 15 % der Patienten eine RE- Operation notwendig (Pinger 2019). Größtenteils sind es Probleme der Pulmonalklappe. Dabei kann es sich sowohl um eine Insuffizienz als auch um eine Stenose der Klappe handeln, die eine chirurgische oder interventionelle Re- OP erforderlich machen (Kasper 2015).

Postoperative Rest- bzw. Folgezustände:

  • ventrikuläre Arrhythmien: Sie treten bei bis zu 50 % der operierten Patienten auf und können in ca. 6 % der Fälle einen plötzlichen Herztod herbeiführen. 

Risikofaktoren für die Arrhythmien können sein:

  • eine QRS- Dauer von > 180 msec
  • inhomogene De- bzw. Repolarisation
  • Auffälligkeiten der heart- rate- turbulence (HRT). Hierbei wird die Reaktion der Herzfrequenz auf eine Extrasystole durch den Turbulence Onset (TO) und den Turbulence Slope (TS) quantifiziert (Kovarovsky 2006).
  • eine gestörte linksventrikuläre (!) Funktion

Ventrikuläre Arrhythmien sind verantwortlich für ca. 30 % bis 50 % der Todesfälle bei der Fallot Tetralogie.

  • supraventrikuläre Arrhythmien
  • Auftreten eines AV- Blocks III. Grades
  • Aneurysma des RVOT (Stierle 2017)
  • Gefahr des Rest- Shunts bei unvollständigem Verschluss des Ventrikelseptums
  • progrediente Dilatation des rechten Ventrikels mit systolischer Dysfunktion (Pinger 2019)
  • das Endokarditisrisiko ist nach korrigierender OP relativ gering (Herold 2019)

 

 

Verlauf/Prognose

Die mittlere Lebenserwartung ohne operative Maßnahmen liegt durchschnittlich bei ca. 12 Jahren. Das 20. Lebensjahr erreichen nur ca. 10 % der Patienten (Stierle 2017).

Nach operativer Behandlung liegt die Überlebensrate nach 30 Jahren bei ca. 90 % und nach 40 Jahren bei ca. 75 % (Herold 2019).

Spontanverlauf: Durch den Defekt bleibt die fetale Hämodynamik nahezu unbeeinflusst. Postpartal ist das Ausmaß des Vitiums abhängig vom Ductus arteriosus. Sobald dieser sich schließt, kommt es zum Auftreten einer Zyanose (Strauss 2008). Das Ausmaß der Zyanose bestimmt den Spontanverlauf. Je ausgeprägter die Zyanose ist, desto kürzer ist der natürliche Verlauf (Stierle 2017).

Nicht selten kommt es bei einem natürlichen Verlauf zum Auftreten von:

Polyglobulie

Eisenmangel

Endokarditis

zerebralen Abszessen

Im Laufe des Alters nimmt die Inzidenz hierfür zu (Weil 2011).

 

Nachsorge

Es sind lebenslang regelmäßige Kontrolluntersuchung i. d. R. 1 x jährlich erforderlich (Weil 2011). Stierle (2017) empfiehlt wegen der Gefahr der postoperativen Komplikationen generell halbjährliche Untersuchungen, auch nach einer erfolgreichen kurativen Operation.

Die Untersuchungen sollten in EMAH- Zentren (Zentrum für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern) durchgeführt werden (Pinger 2019).

Die Kontrollen sollten insbesondere folgende Untersuchungen umfassen:

  • EKG mit besonderem Fokus auf die QRS- Breite (Risikofaktoren für Arrhythmien sind
    • Zunahme der Breite um > 3,5 msec / Jahr
    • bzw. Zunahme der Breite um > als 180 ms)
  • Langzeit- EKG

Dieses sollte wegen der Gefahr des Auftretens von Arrhythmien bei Patienten ab 10 Jahren mindestens alle 3 Jahre erfolgen.

  • Echokardiografie
  • MRT

Die MRT ist besonders wichtig bei Patienten mit bedeutsamer Insuffizienz der Pulmonalklappe und bei Patienten mit zunehmender Vergrößerung des rechten Ventrikels.

  • Spirometrie

Eine spirometrische Untersuchung zur Objektivierung ist deshalb wichtig, da die Patienten eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit subjektiv meistens nicht bemerken. Die Untersuchung sollte bei Kindern ab 10 Jahren mindestens alle 5 Jahre erfolgen.

(Weil 2011)

Hinweis(e)

Genetische Beratung

Da bei der Fallot Tetralogie mitunter eine Mikrodeletion am Chromosom 22q11.2 besteht, wird bei entsprechenden Hinweisen eine genetische Beratung empfohlen.

Wenn ein Geschwisterkind an dem Herzfehler erkrankt ist, liegt das Wiederholungsrisiko bei 2,5 % . Sollten 2 oder mehr Geschwisterkinder betroffen sein, beträgt das Wiederholungsrisiko bereits 8 % (Weil 2011).

Sollte die Mutter eine Fallot Tetralogie aufweisen, liegt das Wiederholungsrisiko bei 2,5 % und bei einem betroffenen Vater bei 1,5 %. (Strauss 2008).

Schwangerschaft: Es sollte vor Eintritt einer Schwangerschaft auf jeden Fall eine korrigierende Operation stattgefunden haben (Briese 2010). Bei Patientinnen mit einer arteriellen Sauerstoffsättigung von < 85 % bestehen erhebliche mütterliche und fetale Risiken. Von daher wird diesen Patienten generell von einer Schwangerschaft abgeraten (Rath 2005). Die Schwangerschaft sollte engmaschig überwacht werden. Die Entbindung ist aus kardiologischer Sicht als vaginale Spontangeburt zu bevorzugen. In der Praxis erfolgt aber meistens wegen der geplanten Intensivtherapie eine primäre Sectio caesarea. Kontrovers wird die Epiduralanästhesie diskutiert.

Peripartal müssen eine Hypovolämie und Blutdruckabfälle unbedingt vermieden werden. Oxytocin und Ergometrin- Präparate sind post partum kontraindiziert (Briese 2010).

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Apitz J et al. (2002) Pädiatrische Kardiologie: Erkrankungen des Herzens bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Heranwachsenden. Steinkopff Verlag 389 – 404
  2. Briese V et al. (2010) Krankheiten in der Schwangerschaft: Handbuch der Diagnosen von A bis Z. Walter de Gruyter Verlag 119 - 120
  3. Chopra H K et al. (2013) Textbook of Cardiology: A Clinical and Historical Perspective. Jaypee Brothers Medical Publishers 273 – 274
  4. Ghimire L V et al. (2019) Comparison of In-Hospital Outcomes When Repair of Tetralogy of Fallot Is in the Neonatal Period Versus in the Post-Neonatal Period. Am J Cardiol. DOI: https://doi.org/10.1016/j.amjcard.2019.11.002
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Verweisende Artikel (1)

Herzbuckel;

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Zuletzt aktualisiert am: 17.11.2022