Antiphospholipid-Syndrom D68.8

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 22.06.2020

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Synonym(e)

Antikardiolipin-Antikörper-Syndrom; Antiphospholipidsyndrom; Antiphospholipid-Syndrom; APLA-Syndrom; APS; Cadiolipin-Antikörper-Syndrom; Hughes-Stovin-Syndrom; lupus anticoagulant syndrome; Phospholipid-Antikörper-Syndrom

Erstbeschreiber

Harris, 1983; Hughes, 1983

Definition

V.a. bei jungen Frauen auftretende systemische Autoimmunkrankheit mit Nachweis von Phospholipid-Antikörpern, rezidivierender venöser und arterieller Thrombosen(Thrombophilie), thromboembolischen Komplikationen, habituellen Aborten, einer zerebralen Symptomatik sowie verschiedensten Hauterscheinungen.

Einteilung

Unterschieden wird:

  • Primäres APS ohne Grunderkrankung (50%)
  • Sekundäres APS mit Grunderkrankungen wie SLE, AIDS, Malignome (50%)
  • Katastrophales APS bei Befall von > 3 Organsystemen. Dieses weist Merkmale einer thrombotischen Mikroangiopathie Anämie auf. 

Ätiopathogenese

  • Autoimmunkrankheit mit Ausbildung erworbener Antikörper vom Typ IgG oder IgM mit Affinität für negativ geladene Phospholipide wie Phosphatidylserin, dem aktiven Phospholipid des endogenen Systems der Prothrombin-Aktivierung und/oder für Cardiolipin, dem bei der Lues-Serologie benutzten Antigen.
  • Pathogenetisch interferieren die Antiphospholipid-
    Ak (APA) mit der in-vitro-Aktivierung von Prothrombin durch den Aktivatorkomplex (Faktor Xa, V, Phospholipid, Ca). APA bildet Komplexe mit Protein S, C und Prothrombin. Hierdurch kommt es zur Verlängerung der lipidabhängigen Gerinnungstests (Quickwert, partielle Thromboplastinzeit [ PTT]) sowie Thrombose- und Abortneigung. Am Gefäßendothel hemmt der Antikörper die Freisetzung des Prostacyclins (Inhibitor der Plättchenaggregation). Weiterhin führen APA bei renaler Beteiligung zu einer Aktivierung des mTOR-Signalweges, wodurch wiederum die Vaskulopathie getriggert wird.

Manifestation

V.a. bei jungen Frauen auftretend;  das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 42Jahre +/- 14 Jahre. Seltener bei Kleinkindern und älteren Erwachsenen.

w:m=8:2.

Klinisches Bild

In etwa 80% der Fälle liegt das APS primär vor. In 20% der Fälle ist es teilmanifestiert mit Grunderkrankungen wie Lupus erythematodes oder anderen Autoimmunerkrankungen. 

Hauterscheinungen: Livedo racemosa, Purpura, Ulzerationen (auch unter dem Bild eines atypischen z.B. an der Wade lokalisierten Ulcus cruris), subkutane Knoten,  Raynaud-Syndrom, Nagelfalzteleangiektasien sowie Splitterblutungen der Nagelmatrix, Nekrosen.

Extrakutane Manifestationen: Tiefe Venenthrombosen, arterielle Thromben, transitorisch ischämische Attacken (TIA), apoplektische Insulte, ischämische Störungen der Zentralarterien des Auges, Nierenvenenthromben und thrombotische Verschlüsse der Glomeruluskapillaren, pulmes mit potenzieller Wirksamkeit von Komplemonale Hypertonie, rezidivierende Aborte, arterielle Hypertonie, epileptische Anfälle, Thrombozytopenie, progressives Versagen von Herzklappen. Die unkontrollierte Thrombenbildung des katastrophalen APS  spricht für eine unkontrollierte Aktivierung des klassischen Komplementwegs hin.

 

Labor

Diagnosekriterien der Sapporo Klassifikation:

  1. Nachweis von IgG- oder IgM- Anticardiolipin-AK (ACA > 40IE). Nachweis von IgG-oder IgM-anti-beta2-Glykoprotein 1-Ak = anti-beta2 GPI-Ak (beide Verfahren sind sensitiver als der Nachweis des Lupus-Antikoagulans). Der Nachweis muss mindestens 2 x oder mehrfach im Abstand von 12 Wochen geführt werden.
  2. Nachweis von Lupus-Antikoagulans (LA) im Plasma, zweimal oder mehrfach im Abstand von 12 Wochen. Bemerkung: die Untersuchung kann unter Antikoagulation mit Heparin oder Vitamin-K-Antagonisten nicht durchgeführt werden!   

Weitere Laborwerte:

  • Falsch positive Syphilisreaktionen (ca. 45%).
  • Wechselnd ausgeprägte sonstige Hinweise auf Autoimmunopathie: ANA oder DNA-AK (70%), positiver Coombs-Test (55%), Rheumafaktoren.

Bemerkungen:

  • 15% der APS-Patienten sind nur LA positiv, 25% nur ACA-positiv, 60% sind ACA- und LA positiv. 
  • 2-5% der gesunden Bevölkerung sind (meist niedrigtitrig) ACA-positiv.    

Diagnose

Die 1999 als Sapporo-Diagnosekriterien erabeiteten Kriterien wurden 2005 überarbeitet und 2006 veröffentlicht (Miyakis S et al)

Ein Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom liegt vor wenn mindestens 1 klinisches Kriterium und 1 Laborkriterium erfüllt sind:

  1. Gefäßverschlüsse:
    1. Eine oder mehrere Episoden einer arteriellen, venösen oder small-vessel-Thrombose in irgendeinem Organ. Die Thrombose muss durch objektivierbare validierte Kriterien betätigt werden.  
  2. Schwangerschaftskomplikationen:
    1. Einmaliger oder mehrfacher unerklärbarer Tod eines morphologisch unauffälligen Fetus in oder nach der 10.Schwangerschaftswoche.
    2. Einmalige oder mehrfache Frühgeburt eines morphologisch normalen Neugeborenen vor der 34. Schwangerschaftswoche wegen Eklampsie oder einer planzentaren Insuffizienz.
    3. 3 oder mehr unerklärbare aufeinanderfolgende Spontanaborte vor der 1o. Schwangerschaftswoche. bei denen mütterlich anatomische oder  hormonellen Anomalien und väterlich und mütterliche chromosomale Ursachen ausgeschlossen sind. 
  3. Laborkriterien: s.u. Labor  

 

 

 

 

 

 

Therapie allgemein

  • Die Behandlungsstrategie beim Nachweis von Anti-Phospholipid-Antikörpern im Blut richtet sich in erster Linie danach, ob "lediglich" die Antikörper im Blut nachweisbar sind, ob behandlungsbedürftige Symptome vorhanden sind (z.B. Infarkte oder venöse Thrombosen) oder ob eine unterliegende Grunderkrankung Behandlungsbedürftigkeit anzeigt.
  • Bei ausschließlichem Nachweis von AK ohne klinische Symptomatik (in diesem Fall besteht kein Anti-Phospholipid-Syndrom im engeren Sinne) besteht kein Behandlungsbedarf.
  • Bei manifestem Phospholipid-Antikörpersyndrom ist zu unterscheiden, ob eine primäre (ohne unterliegende Grunderkrankung) oder eine sekundäre Form (Grunderkrankung) vorliegt.
  • Bei einem primären Phospholipid-Antikörpersyndrom richtet sich die Therapie allein auf die Verhinderung von weiteren Thrombosekomplikationen.
  • Beim sekundären Phospholipid-Antikörpersyndrom im Gefolge einer Grunderkrankung verfolgt die Therapie zwei Ziele:
    • wirksame Behandlung der Grunderkrankung (z.B. Immunsuppressiva bei SLE oder einer Vaskulitis).
    • antikoagulierende Therapie (wie beim primären Phospholipid-Antikörpersyndrom), um der Bildung von Thromben vorzubeugen.
  • Bei der Antikoagulation (Marcumar und Aspirin) ist eine INR zwischen 2.6 und 3.0 anzustreben. Hinsichtlich einer immunsuppressiven Therapie bei Patienten mit primärem Anti-Phospholipid-Syndrom ist die Datenlage unzureichend. Die Antikoagulation muss bei gesichertem komplikativen Anti-Phospholipid-Syndrom (z.B. tiefe Beinvenenthrombose) lebenslang durchgeführt werden. Die alleinige Gabe von Aspirin ist nicht ausreichend.

Hinweis(e)

Merke! Obligatorische Schwangerschaftsüberwachung (Risikogeburt) ist erforderlich.

15% der APS-Patienten sind nur LA positiv, 25% nur ACA-positiv, 60% sind ACA- und LA positiv.  

Fallbericht(e)

Anamnese: Die 52-Jahre alte Patientin entwickelte innerhalb von 8 Wochen ein rasch größenprogredientes, schmerzhaftes Ulkus in der Mitte des rechten Unterschenkels. Die bisherige Lokaltherapie war bisher erfolglos.

Als Vorerkrankungen sind 2 Aborte, eine arterielle Hypertonie sowie 1 komplikationslos ausgeheilte Venenthrombose der V. saphena magna bekannt. Autoimmunerkrankungen oder neurologische Komplikationen waren nicht eruierbar. Keine Raynaud-Symptomatik.

Befund: das 17x7 cm große, inhomogen zerklüftete Ulkus, zeigte eine schmierig-eitrige Oberfläche mit einer unregelmäßigen zerfranzten Begrenzung und einem breiten, rot-lividen Rand. Klinisch-dopplersonographisch ergab sich kein Hinweis für eine venöse oder arterielle Insuffzienz.

Histologie: deutliche lumenbegrenzende Arteriosklerose mittelgroßer Gefäße des Fettgewebes mit reaktiver Pannikulitis. Kein Hinweis auf Vaskulitis.

Labor: BSG: 65/95; CRP: 15mg/dl, neutrophile Leukozytose (11.300/ul), keine Eosinophilie, S-C3-Komplement: 1,5g/l (Normwert:0,9-1,8g/l), S-C4-Komplement 0,2g/l (Normwert: 0,1-0,4g/l), Thrombozytopenie (80.000 /ul),  Nachweis von Autoantikörper gegen Cardiolipin (IgG), beta2-Glykoprotein I und Phosphatidylserin (IgG und IgM). Lupus Antikagulans neg. ANA und ENA neg. p-ANCA und c-ANCA neg.

Diagnose: Primäres APS ohne Grunderkrankung

Therapie:  Einstellung auf eine antikoagulatorische Therapie mit Enoxaparin (Clexane®), Zugleich Dexamathason-Pulstherapie: (1 Zyklus 100mg/Tag i.v. an 3 aufeinanderfolgenden Tagen; 6 x Wiederholung alle 4 Wochen sowie Azathioprin 150mg/Tag p.o. Azathioprin wurde nach 12 Wochen auf 100mg reduziert und nach 60 Wochen komplett abgesetzt. Nach 24 Wochen komplette Abheilung des Ulkus. Unter einer antikoagulatorischen Dauertherapie nach 60 Wochen weitere Rezidivfreiheit.             

     

Literatur
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  4. Grimm W et al. (1992) Das Antiphospholipid-Syndrom. Z Hautkr 67: 800–803
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  8. Hodak E et al. (2003) Primary anetoderma: a cutaneous sign of antiphospholipid antibodies. Lupus 12: 564-568
  9. Hughes GR (1993) The antiphospholipid syndrome: Ten years on. The Lancet 342: 341
  10. Hughes GR (1983) Thrombosis, abortion, cerebral disease and lupus anticoagulant. Br Med J 287: 1088–1089
  11. Meurer M et al. (1992) Antiphospholipid-Anikörper. Hautarzt 43: 111–113
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  14. Van Beek N et al. (2013) Diagnose eines primären Antiphospholipidsyndroms bei Ulcus cruris unter Marcumar-Therapie. Hautarzt 64: 666-670

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