Piercing

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 23.06.2022

This article in english

Synonym(e)

Bodypiercing

Definition

Unter Piercing (von englisch to pierce „durchbohren, durchstechen“) wird das Einbringen von Schmuck in Form von Ringen, Stäben, Barbells (spezielle Stabvariante mit Gewinde und verschraubbaren Kugeln) an verschiedenen Stellen des menschlichen Körpers durch künstlich erzeugte Perforationen von Haut, darunterliegendem Fett- und/oder Knorpelgewebe (Elsner P 2018) verstanden.

Während der Ohrlochstich in der westlichen Kultur eine seit Jahrhunderten geübte Praxis darstellt, war die Praxis des Piercings an anderen Körperstellen lange auf rituelle Gebräuche von Naturvölker beschränkt. Sie fand erst in den letzten Jahrzehnten eine Verbreitung bei der europäischen Bevölkerung, wobei die Punkbewegung hierbei eine wesentliche Rolle spielte (Elsner P 2018).

Einteilung

Inzwischen sind die Angebote an Piercingprodukten aus ärztlicher Sicht völlig unübersichtlich. Firmen bieten >80.000 Piercings an. Folgende Piercingverfahren- und -produkte werden angeboten:

  • Augenbrauenpiercing
  • Ohrpiercing‎
  • Bauchnabelpiercing
  • Brustwarzenpiercing
  • Labretpiercing („Labret“ bezieht sich auf jede Form von Lippenpiercing)
  • Wangenpiercing
  • Nasenpiercing
  • Zungenbändchenpiercing
  • Zungenpiercing
  • Intimpiercing
  • Prinz-Albert-Piercing (hierbei wird der Ring durch den Ausgang der Harnröhre zur unteren Seite der Eichel des Penis gezogen)
  • Oberflächenpiercing‎
  • Uvulapiercing
  • Lippenbändchenpiercing

Vorkommen

14% der Amerikaner und bis zu 19% der Europäer tragen in unterschiedlichen Lokalisationen Bodypiercings. Bei amerikanischen Collegestudenten sind es sogar 60% der Frauen und 42% der Männer. In einer größeren französischen Studie (n=5000) waren 25.8% der Befragten mit einem Bodypiercing zwischen 25 und 34 Jahren alt (Kluger N et al. 2019). In diesem französischen Kollektiv fanden sich 19.4% Frauen und 8.4% Männer. In der Häufigkeit waren Ohrpiercings mit 42%, Nabelpiercings mit 24%, Zungenpiercings mit 15% sowie Nasenpiercings mit 11% vertreten (Kluger N et al. 2019).  

Komplikation(en)

Gesundheitliche Probleme: Professionell durchgeführte und gut gepflegte Piercings verursachen normalerweise keine Probleme und stellen keine Gefahr dar. Akute Komplikationen eines Piercings hängen von der Erfahrung des Piercers, der Hygiene während und nach dem Eingriff sowie von der grundsätzlichen Pflege des Piercings ab (Perry M et al. 2018).  

Bei allen Formen des Piercings kann es zu lokalen Schwellungen und leichten Blutungen kommen, die meistens nach einer Weile abklingen.

Lokale Reaktionen:

  • Bakterielle Infektionen: Bei allen Formen des Piercings kann es zu lokalen Schwellungen und leichten Blutungen kommen, die meistens nach einer Weile abklingen. Lokale Wundinfektionen stellen mit 36% aller Betroffenen die häufigste Komplikation der Gepiercten dar (Perry M et al. 2018). Besonders leicht führen Piercings durch den Ohrknorpel zu oberflächlichen Wundinfektionen aber auch zur bakteriellen Chondritis. Erreger sind v.a. Pseudomonas spp. und Staphylokokkus aureus (Bellaud G et al. 2017). Häufig (10-20%) sind lokale Infektionen durch Staphylokokkus aureus, Streptokokken der Gruppe A sowie Pseudomonas aeruginosa (Evans H et al. 2018). Wundheilungsstörungen sind v.a. bei Patienten mit Immunsuppression zu beachten (immunsuppressive Therapien, Kollagenosen, Diabetes mellitus). Weitere Berichte liegen vor über Tetanus- und Tuberkulose- Infektionen. Piercings im Dammbereich können bedingt durch längeres Sitzen dauerhafte Entzündungen verursachen. Ferner sind lebensbedrohlich verlaufende Fälle von Fournier`scher-Gangrän nach Genitalpiercing beschrieben worden (Ekelius L et al. 2004).
  • Virale Infektionen: Über virale Infektionen wurde berichtet (Übertragung von Hepatitis-Viren B, C, D und G sowie von HIV und Condylomata acuminata - Yang S et al. 2015; Sahlan N et al. 2019).

Endokarditisprophylaxe:  Bei Patienten mit vorbestehenden kardialen Erkrankungen v.a. bei Herzklappenträger ist das Risiko einer Endokarditis signifikant erhöht (Werner O et al. 2019). Insofern empfiehlt sich bei diesen Risikopatienten eine Endokarditisprophylaxe.

Sensibilisierungen durch Piercings: Die Sensibilisierung gegen Nickel mit konsekutivem kontaktallergischem Ekzem stellt die häufigste allergische Komplikation des Piercings dar (Warshaw EM et al. 2017). Bei einer Querschnittsanalyse von Piercingstiften betrug die Nickelfreisetzung bei 26 von 160 Stiften 0,35 µg / cm2/Woche (Uter W et al. 2018). Geeignet sind Piercingmaterialien aus Edelstahl, Titan, Niob und PTFE, Materialien, deren Nickelfreisetzung 5 ng/ cm2/Woche durch Abrieb nicht übersteigt.

Hypertrophe Narben und Keloide: Derartige Komplikationen werden v.a. bei Ohrpiercings gefunden. In diesen Fällen ist das Piercingmaterial zu entfernen.

Piercingschäden der Zähne:  Piercings im Mundbereich (Zunge, Lippe, Lippenbändchen) bergen grundsätzlich ein Risikopotential für Zähne und für den Zahnhalteapparat (Tomaževič T et al.2017). Der Metallknopf eines Zungenpiercings kann zu Traumatisierungen der zungenwärts gelegenen Zahnhöcker und der Gingiva führen. Diese Dauertraumatisierung kann letztlich zur Zerstörung des betroffenen Zahns führen. Bei Verwendung von nichtmetallischem Schmuck (Acryl- oder Hornmaterielaien), ist die Gefahr von Zahnschäden aufgrund der geringeren Härte des Materials geringer.

Probleme bei Intimpiercings: Eine nicht verheilte Wunde durch Intimpiercing erhöht die Ansteckungsgefahr für sexuell übertragbaren Krankheiten (Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV). Bei nicht verheilten Intimpiercings ist das Tragen eines Kondoms zwingend.

Sonstiges:

  • Nervenschädigungen: Beim Augenbrauen- und beim Nasenflügelpiercing können Äste des N.Trigeminus geschädigt werden.
  • Traumatisierungene: Beim Prinz-Albert-Piercing können zu dünne Ringe (bis etwa 2 mm Materialstärke) bei mechanischer Belastung durch das Gewebe schneiden.
  • Lokale Erfrierungen durch Piercings: Bei Temperaturen unter minus zehn Grad Celsius kann es bei offen getragenen Piercings aus Metallschmuck zu Erfrierungen kommen (Metall leitet die Wärme besser ab als organisches Gewebe). Hiervon sind insbesondere Piercings im Gesichtsbereich betroffen.
  • Piercings bei Sicherheitskontrollen (Metalldetektor): Meist reagieren die Detektoren, die bei Sicherheitskontrollen an Flughäfen genutzt werden, nicht auf Piercings (die Metallmenge liegt normalerweise unter dem Alarmschwellenwert). Liegen jedoch mehrere Piercings nahe beieinander oder wird voluminöser Schmuck getragen, kann dies zu einem einen Metalldetektoralarm führen.
  • Piercings und bildgebende Verfahren: Bei CT-Geräten wird ein Piercing schattengebend abgebildet. Dadurch werden dorsal gelegene Strukturen verdeckt (z.B. bei Brustwarzenpiercing ein darunterliegendes Karzinom).
  • Bei MRT-Untersuchungen (Magnetresonanztomographie) besteht die Möglichkeit des Erhitzens des Piercingmaterials. Weiterhin kann eine hohe Zugkraft auf den Schmuck ausgeübt werden, sofern dieses ferromagnetische Metall enthält.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Bellaud G et al. (2017) Bacterial chondritis complications following ear piercing. Med Mal Infect 47:26-31.
  2. Ekelius L et al. (2004) Fournier's gangrene after genital piercing. Scand J Infect Dis 36:610-612.
  3. Elsner P (2018) Dyschromien, Piercings und Tätowierunngen. In: Braun-Falco`s Dermatologie, Venerologie und allergologie. Springer Reference Medizin. S. 1301-1302
  4. Evans H et al. (2018) National outbreak of Pseudomonas aeruginosa associated with an aftercare solution following piercings, July to September 2016, England. Euro Surveill 23(37).
  5. Kluger N et al. (2019) Body Piercing: A National Survey in France. Dermatology 235 :71-78.
  6. Perry M et al. (2018) Need for improved public health protection of young people wanting body piercing: evidence from a look-back exercise at a piercing and tattooing premises with poor hygiene practices, Wales (UK) 2015. Epidemiol Infect 146:1177-1183.
  7. Sahlan N et al. (2019) Hepatitis B virus infection: Epidemiology and seroprevalence rate amongst Negrito tribe in Malaysia. Med J Malaysia 74:320-325.
  8. Tomaževič T et al.(2017) Occurrence of Dental Injuries and Periodontal Complications in Tongue-piercing Jewellery Users. Oral Health Prev Dent 15:293-297.
  9. Uter W et al. (2018) Nickel and cobalt release from earrings and piercing jewellery - analyticalresults of a German survey in 2014.Contact Dermatitis 78:321-328.
  10. Warshaw EM et al.(2017) Piercing and Metal Sensitivity: Extended Analysis of the North American Contact Dermatitis Group Data, 2007-2014.Dermatitis 28:333-341.
  11. Werner O et al. (2019) Factors influencing the participation of adolescents and young adults with acongenital heart disease in a transition education program: A prospective multicentre controlled study. Patient Educ Counspii: S0738-3991(19)30256-3. 
  12. Yang S et al. (2015) Transmission of Hepatitis B and C Virus Infection Through Body Piercing: A Systematic Review and Meta-Analysis. Medicine (Baltimore) 94: e1893.

Weiterführende Artikel (1)

Fournier-Gangrän;
Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 23.06.2022