Haarwuchsstörungen Arzneimittel-induzierte

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 10.12.2020

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Synonym(e)

Arzneimittelinduzierte Haarwuchsstörungen; Haarwuchsveränderungen Arzneimittel-induzierte; Medikamentöse Haarwuchsstörungen

Definition

Die Störungen bzw. die Veränderungen des Haares unter dem Einfluss von systemisch wirksamen Medikamenten betreffen einerseits den Haarwuchs andererseits die Haartextur. Folgende Veränderungen sind bekannt: 

Veränderungen der Haartextur

  • Trichomegalie: Trichomegalie ist als monosymptomatische (monotopische) Variante oder auch im Rahmen einer generalisierten Hypertrichose möglich. Trichomegalie der Wimpern wird als unerwünschte Medikamentennebenwirkung von alpha-Interferon, Ciclosporin A sowie Lanataprost in der topischen Glaukombehandlung beschrieben (S.u. Wimpernverlängerung durch Prostaglandin-Analoga). Nicht selten tritt (eine reversible) Trichomegalie der Wimpern unter dem EGF-Rezeptor-Blocker Cetuximab nach 3-6monatiger Therapiedauer auf (Koksal UI et al. 2016) auf. Die Kombination von Trichomegalie und Poliose wurde ebenfalls unter Cetuximab beschrieben (Goyal S et al. 2018)
  • Erworbenes krauses Haar: Erworbenes krauses Haar (Haarkräuselung) kann im Zusammenhang mit der Einnahme versch. Medikamente auftreten. Hierzu gehören: Alitretinoin, Etretinat, Isotretinoin, Valproinsäure, Indinavir, EGFR-Tyrosinaseinhibitoren (Gefitinib, Erlotinib). Haarkräuselung ist weiterhin ein Phänomen, das bei nachwachsendem Haar nach Zytostatika-Therapie beobachtet wird.

Veränderungen der Haarfarbe

  • Aufhellung der Haare: Mephenesin, Triparanol, Butyrophenon, Haloperidol, Bleomycin, Chloroquin, Hydroxychloroquin –s.u. Canities, medikamentöse
  • Dunklere Haare: Diazoxid, Minoxidil (nur noch als topisches Medikament verfügbar!).
  • Ergrauen der Haare: Mephenesin, Triparanol, Butyrophenon, Haloperidol, Bleomycin.

Arzneimittel-induzierter Haarausfall (Effluvium/Alopezie)

Medikamente können 3 Arten von Haarausfall verursachen: telogenes Effluvium, anagenes Effluvium

  • Telogenes-Effluvium ist die häufigste Form von Haarausfall im Zusammenhang mit Medikamenten. Der Haarausfall tritt in der Regel innerhalb von 2-4 Monaten nach der Einnahme des Medikaments auf. Die Haarfollikel durchlaufen dadurch eine Ruhephase (Telogen) und fallen vorzeitig aus.
  • Anagenes-Effluvium: Als anagenes Effluvium wird der Haarausfall bezeichnet, der während der Anagenphase, der aktiven Phase des Haarzyklus, auftritt. Diese Art von Haarausfall tritt in der Regel innerhalb von wenigen Tagen bis Wochen nach der Einnahme des Medikaments auf. Chemotherapeutika sind die häufigste Ursache für medikamentös bedingten Haarausfall. Hierbei hängt der Schweregrad des medikamentenbedingten Haarausfalls von der Art des Medikaments, seiner Dosierung und der Empfindlichkeit der betreffenden Person gegen das Medikament ab. Folgende Medikamente können ein anagenes Effluvium verursachen, einige davon mehr oder weniger obligat:
    • Retinoide, Antibiotika und Antimykotika, Antidepressiva, Kontrazeptiva (Antibabypillen), Ovulationsauslöser (Clomifen), gerinnungshemmende Medikamente (Cumarin), Cholesterin-senkende Medikamente, Immunsuppressiva, Chemotherapeutika, Antikonvulsiva, Anti-Hypertonika, Antidepressiva, Nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente (NSAIDs), Parkinson-Medikamente, Glukokortikoide, Thyreostatika, Medikamente zur Gewichtsreduktion.
    • Chemotherapeutische Medikamente verursachen in der Regel (nahezu obligat) ein anagenes Effluvium, bedingt durch eine toxische Schädigung der Haarmatrixzellen. Das Effluvium setzt im Allgemeinen 2 Wochen nach Einsetzen der Chemotherapie ein und verstärkt sich noch nach 1-2 Monaten. Folgende chemotherapeutische Medikamente verursachen einen anagenen Haarausfall: Adriamycin, Cyclophosphamid, Dactinomycin, Daunorubicin, Docetaxel, Doxorubicin, Etoposid, Fluorouracil, Irinotekan, Methotrexat, Nitrosoureas, Paclitaxel, Tamoxifen, Topotekan, Vinorelbin.
    • PD-1-Inhibitoren verursachen in Einzelfällen Alopecia areata ( Guidry J et  al. 2018)

Hypertrichose

  • Folgende Medikamente verursachen eine Hypertrichose: Ciclosporin, Minoxidil, Glukokortikoide, Phenytoin

Hirsutismus

  • Hirsutismus kann durch folgende Medikamente ausgelöst werden: Testosteron, Danazol, ACTH, Metyrapon, anabole Steroide

Therapie

Wie wird medikamentenbedingter Haarausfall diagnostiziert und behandelt? Es ist wichtig, die Medikamente zu kennen die Haarausfall verursachen. Wenn der Haarausfall nach der Einnahme eines Medikaments eintritt, ist es sehr wahrscheinlich, dass er nach der Absetzung des Medikaments wieder sistiert. Bei dem unter bestimmten Chemotherapeutika nahezu obligaten Haarausfall kann eine Kopfhautkühlung das Effluvium abmildern (Shah VV et al. 2018). Einige Minuten vor der Chemotherapie werden Eispackungen auf die Kopfhaut platziert. Die Kühlung der Kopfhaut reduziert die Durchblutung der Haarwurzeln, wodurch der Zugang des Chemotherapeutikums zu den Follikelzellen erschwert wird. Die Effizienz dieses Verfahrens wird mit 50-80% angegeben (Rubio-Gonzalez B et al. 2018). Nach einer Chemotherapie Behandlung wachsen die Haare in der Regel schnell nach. In seltenen Fällen kann das Haar nach der Behandlung dünner oder auch gewellt sein. Minoxidil (ursprünglich als Antihypertensivum eingesetzt, die Hypertrichose unter Minoxidil wurde als Nebenwirkung angegeben) kann hilfreich sein.

Literatur
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  1. Goyal S et al. (2018) Epidermal Growth Factor Receptor Inhibitor Induced Trichomegaly and Poliosis. Ophthalmology 125:294.
    Guidry J et  al. (2018) PD-1 inhibitor induced alopecia areata. DermatolOnline J 24:13030
  2. Koksal UI et al. (2016) Trichomegaly Induced by Cetuximab: Case Series and Review the Literature. Am J Ther 23:e1226-1229.
    Rubio-Gonzalez B et al. (2018) Pathogenesis and treatment options for chemotherapy-induced alopecia: a systematic review. Int J Dermatol 57:1417-1424.
  3. Shah VV et al. (2018) Scalp hypothermia as a preventative measure for chemotherapy-induced alopecia: a review of controlled clinical trials. J Eur Acad Dermatol Venereol 32:720-734.
  4. Tosi A et al. (1994) Drug-induced hair loss and hair growth. Incidence, management and avoidance. Drug Saf 10:310-317. 

Weiterführende Artikel (1)

PD-1-Antikörper;

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