Fumarsäureester

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 15.10.2023

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Synonym(e)

Fumarate

Definition

Antipsoriatikum mit immunmodulierender und proliferationsnormalisierender Wirkung. Zum Einsatz kommen das Monopräparat Dimethylester Skilarence® 30 mg und 120 mg, sowie Tecfidera® 120 mg und 240 mg  und das in der Dermatologie schon lange bekannte Gemisch aus Monoethyl- und Dimethylfumarat Fumaderm® initial (30 mg) und Fumaderm® (120 mg).

Pharmakodynamik (Wirkung)

Die pharmakologischen Effekte der Fumarsäureester sind bis heute noch nicht restlos geklärt. Wahrscheinlich ist ein antiproliferativer Effekt auf Lymphozyten sowie eine selektive immunmodulatorische antipsoriatische Wirkung auf aktivierte T-Lymphozyten. In Co-Kulturen von Keratinozyten und T-Lymphozyten konnte eine Inhibition von INF-gamma sowie eine erhöhte Sekretion von IL-10 nachgewiesen werden. So verursachen FAE eine Reduktion läsionaler und globaler T-Lymphozyten.

Es wird angenommen, dass Dimethylfumarat (DMF) mit dem intrazellulären Thiol-System interagiert, welches die zelluläre Stabilität des Redox-Gleichgewichtes beeinflusst. Daher kommt es langfristig zu einer Erhöhung des reduzierten Glutathions. Diese Erhöhung hemmt Redox-sensitive Kinasen, was konsekutiv die Phosphorylierung und Ubiquitinierung des Inhibitors des nukleären Faktors kappa B ( NF-kappaB) hemmt.

NF-kappaB selbst hat zahlreiche Zielgene und vermittelt unterschiedlichste Wirkungen. NF-kappaB ist von großer Bedeutung für die Regulation der Immunantwort, der Zellproliferation und der Apoptose. Somit wird die Transkription der Gene unterbunden, die für entzündungsfördernde Mediatoren wie Tumor-Nekrose-Faktor, Interleukin 8 sowie für Adhäsions-Moleküle kodieren. Daraus resultiert ein starker antientzündlicher Effekt.

Indikation

Mittelschwere und schwere, therapieresistente Formen der Psoriasis vulgaris, Dimethylfumarat auch bei multipler Sklerose zugelassen.

Eingeschränkte Indikation

Hämatologische Erkrankungen. Niereninsuffizienz

Dosierung und Art der Anwendung

  • Die orale Applikation erfolgt in steigender Dosierung, z.B. Fumaderm initial 1 Tbl./Tag in Woche 1 bis auf maximal 6 Tbl./Tag Fumaderm in der 6. Woche.
  • Bewährt hat sich die wöchentliche Steigerung von zunächst 1 Tbl./Tag Fumaderm initial auf 4-5 Tabletten. Bei guter Verträglichlichkeit kann dann auf Fumaderm umgestellt werden, wobei zu beachten ist, dass 1 Tablette Fumaderm 4 Tabletten Fumaderm initial entspricht.
  • In vielen Fällen ist jedoch die Verabreichung der max. TD von 6 Tbl./Tag (= 1,29 g/Tag) Fumaderm p.o. nicht nötig. Nach Abklingen der Hauterscheinungen (4-6 Wochen nach Therapiebeginn) ist es empfehlenswert, die tgl. Einnahme auf die individuell erforderliche Erhaltungsdosis zu reduzieren.
  • Ggf. sind Auslassversuche angezeigt, um die Akuität der Psoriasis und damit die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung zu überprüfen.

Das Monopräparat mit Dimethylfumarat (Skilarence®) wird ebenso langsam gesteigert, beginnend mit Skilarence® 30 mg 1 / Tag, Steigerung bis zu 3 Tbl / Tag, je nach Verträglichkeit Umstellen auf Skilarence® 120 mg oder weiter bis zu 4 Tbl Skilarence® 30 mg - zu beachten: 1 Tablette Skilarence® 120 mg entspricht 4 Tbl Skilarence® 30 mg. Bei guter Verträglichkeit je nach Wirkung weiter individuell steigern, die Maximaldosis von 6 Tbl wird selten benötigt.

Bei der multiplen Sklerose wird das Dimethylfumarat Tecfidera® zu Beginn, in den ersten 7 Tagen 2 x 1 Tbl a 120 mg / Tag empfohlen, danach täglich 2 Tabletten Tecfidera® 240 mg / Tag.

Merke! Vor Beginn und im Verlauf der Therapie (zunächst alle 2, später alle 4 Wochen) Kontrolle des Diff.-BB, der Leber- und Nierenwerte!

Unerwünschte Wirkungen

Gastrointestinale Störungen, Diarrhoe, Flush, Eosinophilie, Leukopenie, in seltenen Fällen Kreatininanstieg, Proteinurie. Die Nebenwirkungen wie flushartige Sensationen und Hitzegefühl sowie gastrointestinale Beschwerden lassen in der Regel mit Dauer der Therapie deutlich nach.

Leichte Leukopenien, mäßige bis deutliche Lymphopenien sind regelmäßige Begleiterscheinungen der Therapie, selten Eosinophilien.

Obwohl tierexperimentelle Untersuchungen keine Anhaltspunkte für eine teratogene Wirkung ergaben, dürfen Fumarate nicht in der Schwangerschaft gegeben werden.

Eine Dosisanpassung sollte bei Leukopenie, Absinken der Lymphozytenzahl < 500/μl, persistierender Eosinophilie > 25%, Anstieg des Kreatinins > 30% oder massiver tubulärer Proteinurie erfolgen.

Malignominduktion: Basierend auf klinischen Studien und Spontanmeldungen seit Anfang der 1990er Jahre ergaben sich bei 110.000 Patientenjahren keine Hinweise für ein erhöhtes Risiko für Malignome. Eine antiproliferative und proaptotische Wirkung ließ sich in mehreren Studien nachweisen. Unlängst wurde über das Entstehen von Kaposi Sarkomen und malignen Melanomen unter der Theapie berichtet.  

Kontraindikation

Schwangerschaft, Stillzeit, Jugendliche < 18 Jahren, Magen-Darm-Ulzera, schwere Leber- und Nierenerkrankungen.

Präparate

Psoriasis: Skilarence 30 mg®, Skilarence 120 mg®, Fumaderm®, Fumaderm initial®

Multiple Sklerose: Tecfidera® 120mg/-240 mg magensaftresistente Hartkapseln

 

Hinweis(e)

Bemerkenswerterweise wurden Dimethylfumarate zeitweise als antimikrobiell (fungizid) wirksame Substanzen in der chinesischen Möbelindustrie (z.B. Sofakissen) und Schuhindustrie eingesetzt. Es kann hier bei den beteiligten Produktionsarbeitern zu kontaktallergischen Reaktionen führen.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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