Androgenrezeptor

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 25.10.2020

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Synonym(e)

Androgen receptor; Androgenrezeptoren; AR

Erstbeschreiber

Der Androgenrezeptor (AR) gehört als Mitglied der Steroidrezeptor Familie zu der Superfamilie der nukleären Transkriptionsfaktoren (Kernrezeptoren). Die Familie der Androgenrezeptoren besteht aus einer Gruppe strukturell verwandter Kernrezeptoren, die die Aktion von Steroidhormonen regulieren (Narayanan R et al. 2018). Zu der Familie der Steroidrezeptoren gehören noch weitere wie: Glukokortikoidrezeptoren, Mineralkortikoidrezeptoren, Östrogen- bzw. Progesteronrezeptoren (Claessens F et al. 2017). AR reguliert multiple Zelleffekte wie Proliferation, Apoptose, Migration, Invasion, und Differenzierung (Culig Z et al (2014).

Die spezifischen (natürlichen) Liganden des Androgenrezeptors sind die Sexualhormone Testosteron und Dihydrotestosteron. Beim Menschen wird der Androgenrezeptor durch das AR-Gen kodiert, das auf Xq11-12, d.h. auf dem langen Arm des X-Chromosoms lokalisiert ist. Der AR wird beim Menschen in den meisten Gewebetypen produziert. Die unterschiedlichen Aktivitäten ist auf eine Anzahl von Proteinen zurückzuführen, die als Coaktivatoren oder Corepressoren des Rezeptors wirken.

Allgemeine Information

Der Androgenrezeptor (AR) hat einen direkten Einfluss auf die Transkription bestimmter Gene. AR ist (wie der ER = Östrogenrezeptor) an das Hitzeschockprotein 90 gebunden, das die Bindungsaffinität des Rezeptors aufrechterhält. Die Bindung des AR an seine Liganden Testosteron oder Dihydrotestosteron löst eine Konformationsänderung des Rezeptors aus. Das Hitzeschockprotein wird abgespalten. Das Rezeptordimer wird vom Zytosol in den Zellkern transferiert. Hier bindet der Komplex in Abhängigkeit von Corepressoren bzw. Coaktivatoren an sog. Androgenrezeptor-Response-Elemente (HRE) der DNA. Die aus der initiierten Transkription gebildete mRNA wird zu den Ribosomen transportiert, wo sie wiederum in spezifische Proteine transkribiert wird. So bedingt der Androgenrezeptor beim Menschen lebenslang die Ausprägung des männlichen Erscheinungsbilds.

Mutationen im AR-Gen können je nach ihrer Lokalisation auf allen Ebenen des Androgenrezeptormechnismus Störungen induzieren, z.B. Störungen in der Androgenbindung, der DNA-Bindung oder der Transaktivierung. Mit über 90% aller Mutationen stellen die Punktmutationen die größte Gruppe der Androgenrezeptorgen-Defekte dar. Hierbei kommt es zu einem Aminosäureaustausch im Rezeptorgen; seltener sind Spleißfehler oder Non-sense-Mutationen.

Androgen-Insensitivität: Liegt beispielsweise beim männlichem Genotyp (46, XY) eine Mutation im Androgenrezeptor vor, so kann dies zu einer kompletten (CAIS) oder zu einer partiellen Androgen-Insensitivität (PAIS; OMIM 300068) führen (Mongan NP et al. 2015). Die endokrinologischen Parameter dieser Androgenrezeptordefekte entsprechen z.T. denen des 5a-Reduktase-Mangels. Bedingt durch den unterschiedlichen Phänotyp kann sowohl der Zeitpunkt der klinischen Auffälligkeit als auch die das „Krankheitsbild“ deutlich variieren. Phänotypisch männliche Patienten werden häufig erst aufgrund einer mangelhaften Pubertätsentwicklung oder eines unerfüllten Kinderwunsches bei Infertilität auffällig. Frauen mit kompletter Androgenresistenz fallen häufig erst durch eine primäre Amenorrhö auf. So liefert beispielsweise bei Androgenresistenz der molekularbiologische Nachweis „somatischer Mosaike“ eine schlüssige Erklärung für die zum Teil ausgeprägten Genotyp-Phänotyp-Diskrepanzen (Wang H et al. 2019).

Androgenrezeptoren und Mammakarzinom: Die AR-Expression hängt sowohl vom histopathologischen als auch vom molekularen Subtyp ab; luminale Karzinome zeigen die höchste AR-Expression unter den Mammakarzinom-Subtypen. Bei Östrogenrezeptor(ER)-positiven Karzinomen hat die AR-Koexpression einen klar positiven prognostischen Einfluss auf das Gesamt- (OS) wie auch das krankheitsfreie Überleben. Bei luminalen (ER-positiven und HER2-negativen) Karzinomen hat die AR-Aktivierung einen antiproliferativen Effekt. Der AR wirkt als Tumorsuppressor. Bei endokrin resistenten Tumoren kann der AR jedoch Tumorwachstum fördern.

Die neue Generation der „Androgen receptor-targeted Therapeutika“ beim Mammakarzinom (60-80% das Mammakarzinom kennzeichnen sich durch eine AR-Positvität) spielt inzwischen eine wesentliche Rolle  .

Androgenrezeptor-Blocker: Substanzen wie Cyproteronacetat (6-Chlor-1α,2α-methylen-17-acetoxy-pregna-4,6-dien-3,20-dion) und Flutamid blockieren Androgenrezeptoren z. B. an der Prostata und heben so die Wirkung von Androgenen auf. Cyproteronacetat wird bei mittelschwerer bis schwerer Akne, bei Seborrhoe, Alopecia androgenetica (s. Alopecia androgenetica bei der Frau, Alopecia androgenetica beim Mann) und Hirsutismus eingesetzt

Androgenrezeptor-Anatagonisten beim Prostatakarzinom (Culig Z et al 2014): Eine Behandlung mit dem Androgenrezeptor-Hemmer Apalutamid kann bei Patienten mit nicht-metastasiertem Prostatakrebs und hohem Risiko für eine Metastasenbildung gegenüber Placebo die metastasenfreie Zeit und die Zeit bis zur Verschlimmerung von Symptomen wirksam hinauszögern (Smith MR et al. 2018).

Hinweis(e)

Nomenklatur: Der Androgenrezeptor trägt die systematische Bezeichnung NR3C4 (NR=nuclear receptor, 3 Subfamilie3, C für die Gruppe C, 4 für Gen 4 – s. u. Kernrezeptoren).

SARMs: Die Entdeckung von selektiven Androgenrezeptormodulatoren (SARMs) und anderen gewebeselektiven Kernhormonrezeptormodulatoren, die ihre verwandten Rezeptoren gewebeselektiv aktivieren, bietet jedoch die Möglichkeit, die vorteilhaften Wirkungen von Androgenen und anderen Hormonen in Zielgeweben in großem Maße zu fördern, reduziert unerwünschte Nebenwirkungen (Narayanan R et al. 2018).

Literatur
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  1. Claessens F et al. (2017) Comparing the rules of engagement of androgen and glucocorticoid receptors. Cell Mol Life Sci 74:2217-2228.
  2. Culig Z et al (2014) Androgen receptor signaling in prostate cancer. Cancer Metastasis Rev 33:413-427.
  3. Kono M et al. (2017) Androgen Receptor Function and Androgen Receptor-Targeted Therapies in Breast Cancer: A Review. JAMA Oncol 3:1266-1273.
  4. Mongan NP et al. (2015) Androgen insensitivity syndrome. Best Pract Res Clin Endocrinol Metab 29:569-580.
  5. Narayanan R et al. (2018) Development of selective androgen receptor modulators (SARMs). Mol Cell Endocrinol 465:134-142.
  6. Smith MR et al. (2018) Apalutamide Treatment and Metastasis-free Survival in Prostate Cancer. New England Journal of Medicine, Onlinevorabveröffentlichung DOI: 10.1056/NEJMoa1715546
  7. Wang H et al. (2019) Somatic mosaicism of androgen receptor gene in an androgen insensitivity syndrome patient conceived through assisted reproduction technique. Mol Genet Genomic Med: e906.
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Zuletzt aktualisiert am: 25.10.2020