Vutrisiran

Autor: Dr. med. Christina I. Hirth

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Zuletzt aktualisiert am: 29.07.2025

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Synonym(e)

RNA Interferenz Therapeutikum (RNAi Therapeutikum), Gene silencer; small interfering RNA (siRNA)

Definition

Vutrisiran gehört zur Substanzgruppe der siRNA-Therapeutika (small interfering RNA), auch als RNAi-Therapeutikum (RNA interference) oder auch als Gene-Silencer bezeichnet und wirkt über die Hemmung der Transthyretin (TTR)-mRNA, was zu einer Verringerung der TTR-Proteinproduktion führt. Es wird zur Behandlung der ATTR Neuropathie und der ATTR Kardiomyopathie eingesetzt.

Im Gegensatz zu Patisiran dem ersten zugelassenen siRNA zur Behandlung der ATTR Neuropathie wird Vutrisiran  s.c. und nur noch alle 3 Monate verabreicht. 

Pharmakodynamik (Wirkung)

Vutrisiran gehört zur Substanzgruppe der siRNA-Therapeutika (small interfering RNA), auch als RNAi-Therapeutikum oder als Gene silencer bezeichnet und wirkt über die Hemmung der Transthyretin (TTR)-mRNA und der Translation zu einer Verringerung der TTR-Proteinproduktion führt. 

Vutrisiran ist eine chemisch stabilisierte doppelsträngige kleine interferierende Ribonukleinsäure (siRNA, small interfering RNA), die speziell auf Varianten von Transthyretin (TTR)-Boten-RNA (mRNA) und/oder deren Wildtyp abzielt.

Es ist kovalent an einen Liganden gebunden, der aus drei N-Acetylgalactosamin(GalNAc)-Resten besteht, um die Aufnahme der siRNA in die Hepatozyten zu  ermöglichen.

Durch sog. RNA-Interferenz (RNAi) bewirkt Vutrisiran den katalytischen Abbau der TTR-mRNA in der Leber, was zu einer Reduktion der Serumspiegel von Varianten- und amyloidogenen Wildtyp-TTR Proteinen im Serum führt, und damit zu einer Verringerung der Ablagerung von TTR-Amyloid im Gewebe führt.

Die RNAi ist ein zellulärer Mechanismus, der die Genexpression in der Zelle reguliert, indem die Translation von mRNA in Proteine verhindert wird. Die RNAi wird durch doppelsträngige RNA ausgelöst.

Eine Reduktion des TTR Spiegels im Serum um ca. 75% kann bereits nach 6 Wochen erreicht werden. Nach 9 monatiger Behandlung kann eine mittlere Reduktion des TTR von ca. 85% erreicht werden (Helios A Studie)(Adams D etal 2023). Mit Reduktion des TTR kommt es zu einer Abnahme des Vitamin A Spiegels im Serum von ca. 60-70%.

Kardiale Biomarker (NT-proBNP und Troponin I) zeigten eine relative Stabilität im Vergleich zu einem Anstieg der Biomarker als Zeichen der Verschlechterung bei Placebo (Helios B Studie)(Fontana M et al 2025). Das Echokardiogramm zeigte eine Abnahme der Wanddicke linksventrikulär und der longitudinalen Dehnung bei Behandlung mit Vutrisiran.

Bei Behandlung mit Vutrisiran kam es zu einer Verringerung des Risikos für Mortalität und kardiovaskulärer Ereignisse um ca 30% im Vergleich zu Placebo (ca. 20% Reduktion des Mortaliätsrisikos bei Patienten mit Tafamidis Hintergrundtherapie).

Eine statistisch signifikante Verbesserung der funktionellen Tests und der Scores für Lebensqualität ergab sich zugunsten der Behandlung mit Vutrisiran.

Vutrisiran war nicht unterlegen gegenüber Patisiran, einem früher zugelassenen siRNA zur intravenösen Behandlung der hATTR-PN.

 

Pharmakokinetik

Resorption: erfolgt schell von der Injektionsstelle; Cmax in ca 2-6 Std.; Plasmaeiweisbindung ist hoch, jedoch konzentrationsabhängig mit geringerer Bindung bei hoher Konzentration.

Metabolisierung: Vutrisiran wird in der Leber von Endo- und Exonukleasen in kurze Nukleotidfragmente verschiedener Größen metabolisiert. Beim Menschen wurden im Wesentlichen keine zirkulierenden Metaboliten gefunden. In-vitro-Studien deuten darauf hin, dass Vutrisiran nicht von CYP450-Enzymen metabolisiert wird.

Verteilung: vorwiegend in die Leber.

Elimination: Eliminationshalbwertszeit ca. 2,5-6,5 Std.; 15-25% Vutrisiran wird unverändert über die Niere ausgeschieden.

 

 

 

 

Indikation

Behandlung der hereditären Transthyretin-Amyloidose bei erwachsenen Patienten mit Polyneuropathie Stadium 1 oder 2 (hATTR-PN).

Behandlung der Wildtyp- oder hereditären Transthyretin-Amyloidose bei erwachsenen Patienten mit Kardiomyopathie (ATTR-CM).

 

Die Therapie sollte von einem Arzt durchgeführt werden, der in der Behandlung von Amyloidose erfahren ist.

Die Behandlung sollte so früh wie möglich im Krankheitsverlauf begonnen werden, um ein zunehmendes Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern.

Entscheidung über die weitere Behandlung bei Progression zu einer Polyneuropathie des Stadiums 3, sollte nach Ermessen des Arztes auf der Grundlage der Gesamt-Nutzen-Risiko-Bewertung erfolgen.

 

 

 

Schwangerschaft/Stillzeit

Nicht anwenden in Schwangerschaft und Stillzeit.

Frauen im gebärfähigen Alter: Die Behandlung mit Vutrisiran reduziert den Vitamin A Spiegel im Serum. Bei zu hohem und zu niedrigem Vitamin A Spiegel besteht erhöhtes Risiko für fetale Fehlbildungen! Daher muss eine Schwangerschaft vor der Einleitung der Therapie ausgeschlossen werden, und Frauen im gebärfähigen Alter müssen eine zuverlässige Methode zur Empfängnisverhütung anwenden. Bei geplanter Schwangerschaft sollte Vutrisiran und die Vitamin A Substitution abgesetzt und Vitamin A Spiegel überwacht werden; vor Eintritt einer Schwangerschaft sollten sich Vitamin A Spiegel normalisiert haben und stabil bleiben. Vitamin A Spiegel können nach der letzten Dosis Vutrisiran mehr als 12 Monate lang vermindert sein.

Bei ungeplanter Schwangerschaft sollte Vutrisiran abgesetzt werden, Keine klare Empfehlung gibt es, ob die Vitamin A Supplementierung im ersten Trimenon einer ungeplanten Schwangerschaft fortgeführt oder abgesetzt werden sollte (ggf. Kontrolle Vitamin A im Serum). Bei Fortsetzung der Vitamin A Ergänzung sollte die Dosis 3 000 IE pro Tag nicht überschreiten. Im zweiten und dritten Trimenon sollte die Ergänzung mit 2 500 IE bis 3 000 IE Vitamin A wieder aufgenommen werden, wenn sich Vitamin A Spiegel bis dahin nicht normalisiert haben, um Risiko für Vitamin A Mangel zu vermeiden.

Eine Überschreitung der Dosis von 3000 IE Vitamin A pro Tag kann schädigende Wirkung für den Fötus und die Schwangere haben.

Als Vorsichtsmaßnahme sollte frühzeitig während der Schwangerschaft eine Messung des Vitamin A und TSH-Spiegels erfolgen. Der Fötus muss engmaschig  überwacht werden, insbesondere im ersten Trimenon.

Es ist nicht bekannt, ob Vutrisiran in die Muttermilch übergeht. Es muss abgewogen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob die Behandlung mit Vutrisiran ausgesetzt werden soll. Dabei ist sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Frau zu berücksichtigen.

weitere Hinweise siehe Fachinfo.

für Beratung embryotox Charité

 

Dosierung und Art der Anwendung

Empfohlene Dosis: 25 mg, als subkutane (s.c.) Injektion einmal alle 3 Monate.

Zur Ergänzung sollte Vitamin A in einer Dosis von ungefähr 2 500 IE bis 3 000 IE pro Tag (jedoch nicht mehr) gegeben werden.

Versäumte Dosis: eine vesäumte Dosis sollte so bald wie möglich nachträglich verabreicht werden. Die 3-monatliche Dosierung sollte dann ab der zuletzt verabreichten Dosis wieder aufgenommen und weiter fortgeführt werden.

Jede Fertigspritze enthält Vutrisiran-Natrium entsprechend 25 mg Vutrisiran in 0,5 ml Lösung.

Bei Verfärbung und Partikeln in der Injektionslösung nicht verwenden! Bei kühler Lagerung vor Anwendung ca. 30 Minuten in der Verpackung bei Raumthemperatur lagern.

s.c Applikation in Abdomen (hier nicht im Bereich des Bauchnabels), Oberschenkel oder Oberarme (hier Injektion nicht selbst sondern durch andere Personen); grundsätzlich nicht in gerötete, geschwollene oder infizierte Bereiche oder Narbengewebe injizieren!

Bei Patienten im Alter von ≥ 65 Jahren ist eine Dosisanpassung nicht erforderlich.

Bei leichter und mittelschwerer Leberinsuffizienz und bei leichter und mittelschwerer Niereninsuffizienz ist eine Dosisanpassung nicht erforderlich.

Bei schwerer Leberinsuffizienz und schwerer Niereninsuffizienz nur mit großer Vorsicht anwenden, und nur wenn der erwartete klinische Nutzen das potetielle Risiko übersteigt (es liegen keine Untersuchungen vor!).

Unerwünschte Wirkungen

Vitrisiran ist allgemein gut verträglich und aufgrund der Daten der klinischen Studien der Phase III (Helios A und Helios B) wurden nur die folgenden NW gelistet:

häufig:

geringfügige und reversible Reizungen an der Injektionsstelle.

geringe reversible Anstiege der Serumteansaminasen (ALT) (bis ≤3 fach Norm) ohne andere klinische Zeichen.

geringer Anstieg der alkalischen Phosphatase (AP).

In seltenen Fällen entwickelten Patienten Anti-Drug-Antikörper (ADA). Dies war nur gerinfügig, reversibel und ohne klinische Symptomatik oder Auswirkungen auf die Wirksamkeit und Sicherheit der Behandlung mit Vutrisiran.

Vutrisiran unterliegt der erhöhten Pharmakovigilaz. Meldung unerwünschter Wirkungen über Nebenwirkungen Bund.

 

 

Wechselwirkungen

Klinischen Studien zur Erfassung von Wechselwirkungen wurden nicht durchgeführt.

Es ist nicht davon auszugehen, daß durch Vutrisiran mit Inhibitoren oder Induktoren von Cytochrom-P450-Enzymen zu Wechselwirkungen kommt oder durch sie beeinflusst wird oder die Aktivität von Transportern moduliert. Daher sind klinisch signifikante Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln nicht zu erwarten.
 

Kontraindikation

Überempfindlichkeit (z. B. Anaphylaxie) gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.

Kontraindiziert in Schwangerschaft und Stillzeit (siehe dort sowie Fachinfo).

Bei schwerer Leberinsuffizienz und schwerer Niereninsuffizienz nur mit großer Vorsicht anwenden, und nur wenn der erwartete klinische Nutzen das potetielle Risiko übersteigt (es liegen keine Untersuchungen vor!).

Vorsichtsmaßnahmen:

Vitamin-A-Mangel: Durch Reduktion des Transthyretin (TTR)-Proteins im Serum führt die Behandlung zu einer Verringerung der Vitamin-A-Spiegel (Retinol) im Serum. Vor Einleitung einer Therapie sollten Vitamin A Spiegel bestimmt und ggf. falls zu niedrig oder grenzwertig korrigiert und okuläre Symptome oder Krankheitszeichen aufgrund eines Vitamin A Mangels untersucht, beurteilt und behandelt werden.

Begleitende Substitution mit Vitamin A in einer Dosierung von ungefähr 2 500 IE bis 3 000 IE pro Tag (jedoch nicht mehr) begleitend zur Therapie sollte immer durchgeführt werden, um das potenzielle Risiko okulärer Symptome aufgrund eines Vitamin A Mangels zu reduzieren. Ophthalmologische Abklärung okuläre Symptome ist immer angeraten insb. bei verminderter Sehfähigkeit in der Nacht oder Nachtblindheit, dauerhaft trockene Augen, Augenentzündung, Hornhautentzündung oder -ulzeration, Hornhautverdickung oder -perforation.

 

Präparate

Amvuttra® 25 mg (Injektionslösung in einer Fertigspritze) (Alnylam)
 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

Adams D, Tournev IL, Taylor MS et al HELIOS A Collaborators (2023). Efficacy and safety of vutrisiran for patients with hereditary transthyretin-mediated amyloidosis with polyneuropathy: a randomized clinical trial. Amyloid;30(1):1-9   https://doi/full/10.1080/13506129.2022.2091985.

Fontana M, Berk JL, Gillmore JD et al for the Helios B Investigators (2025). Vutrisiran in Patients with Transthyretin Amyloidosis with Cardiomyopathy. N Engl J Med 2025;392:33-44   doi/abs/10.1056/NEJMoa2409134

 

Fachinfo Vutisiran Amvuttra 25mg Injektionslösung 

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