Synonym(e)
Definition
Tafimidis ist eine Substanz aus der Substanzgruppe der Transthyrethin-Stabilisatoren, die zur Behandlung der ATTR- Amyloidose eingesetzt wird.
Bedeutung: Tafimidis ist die erste Substanz, die in dieser Substanzgruppe zugelassen wurde und war mit der Zulassung von Tafimidis 20mg in 2011 die erste und einzige medikamentöse Therapie zur spezifischen Behandlung der Pathophysiologie der Amyloidose. Die Zulassung von Tafimidis 61mg zur Behandlung der Kardiomyopathie bei ATTR Amyloidose (ATTR-CM) im Jahr 2020 war ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Behandlung der Amyloidose, die die Prognose und Lebenqualität dieser langsam fortschreitenden, stark beeinträchtigenden und lebensverkürzendenden Erkrankung entscheidend verbessert.
Tafimidis ist ein sog. Orphan-Drug. Die Transthyretin-Amyloidose mit Kardiomyopathie (ATTR-CM) gehört zu den seltenen Erkrankungen.
(Zu Orphan Drugs und Zulassung von Orphan Drugs siehe auch: BfArM-Orphan Drugs und BfArM Arzneimittel für seltene Erkrankungen).
Pharmakodynamik (Wirkung)
Wirkmechanismus: Tafimidis ist ein selektiver Stabilisator von TTR (Transthyretin). Transthyretin, auch als Präalbumin bekannt, ist ein Protein, welches in der Leber gebildet wird und hauptsächlich als Transportprotein für Thyroxin (T4) und Retinol (Vitamin A) fungiert. Bei Amyloidose kommt es zu Instabilität der Tetramer Struktur von TTR und zum Zerfall in Monomere. Denaturierung, Fehlfaltung und Aggregation der TTR Monomere führt zur Bildung von unlöslichen Amyloidfibrillen, die sich in verschiedenen Organen ablagern und so zu unterschiedlichen Organmanifestationen der Amyloidose führen.
Der hereditären Form der ATTR (hATTR) liegt ein autosomal-dominant vererbter Gendefekt zugrunde, während die Wildtyp-Form der ATTR (wtATTR) durch alterbedingte Instabiltät und Zerfall von TTR verursacht wird. Die ATTR Amyloidose ist eine fortschreitende, stark beeinträchtigende und lebensverkürzende Erkrankung, die sich im Erwachsenenalter manifestiert.
Tafimidis bindet an den Thyroxin-Bindungsstellen des TTR, stabilisiert so das Tetramer und verlangsamt die Spaltung in Monomere, den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt im amyloidogenen Prozess.
Tafimidis bindet mit negativer Kooperativität an die beiden Thyroxin-Bindungsstellen der nativen tetrameren Form von Transthyretin und verhindert so die Aufspaltung in Monomere. Die Hemmung der Spaltung des TTR-Tetramers bildet die Grundlage für die Anwendung von Tafimidis bei Patienten mit ATTR Amyloidose. Hierdurch wird die Progression der Krankheit verlangsamt.
Mithilfe eines TTR-Stabilisierungs-Assay konnte gezeigt werden, daß Tafimidis sowohl das Wildtyp-TTR-Tetramer als auch die Tetramere von 14 TTR-Varianten stabilisiert, daneben wurde das TTR-Tetramer für 25 ex vivo getestete Varianten stabilisiert, wodurch eine TTR-Stabilisierung von 40 amyloidogenen TTR-Genotypen gezeigt werden konnte.
ATTR-Kardiomyopathie (ATTR-CM): Die Zulassungsstudie für Tafimidis 61mg (30 Monate; RCT 61mg/20mg Tafimidis plus Standardtherapie HF gegen Placebo, 3armige Studie; insg. 441 Patienten) zeigte eine über 30 Monate anhaltende TTR Stabilisierung. Die Biomarker für Herzinsuffizienz (NT-proBNP und Troponin I) verbesserten sich. Die Gesamtmortalität und Krankenhauseinweisungen aufgrund kardiovaskulärer Morbidität konnte signifikant verbessert werden. Funktionalität und Lebensqualität konnten ebenfalls signifikant verbessert werden. Lediglich bei NYHA Stadium III war die Verringerung des Risikos für Krankenhauseinweisungen aufgrund kardiovaskulärer Morbidität nichtmehr eindeutig nachweisbar. Signifikante Behandlungseffekte sind erstmals nach 6 Monaten nachweisbar (Maurer MS et al 2018).
ATTR-Polyneuropathie (Stadium I) ATTR-PN: Die Zulassungsstudie für Tafimidis 20mg (18 Monate RCT 20 mg Tafimidis plus Standardtherapie gegen Placebo, 128 Patienten) zeigt, daß das Fortschreiten der funktionell neurologischen Beschwerden und der funktionellen Beeinträchtigungen bei ATTR-PN im Stadium I verlangsamt und die Lebensqualität verbessert werden kann (Coelho T et al 2012).
Tafimidis steht in zwei unterschiedlich konzentrierten Präparaten für die jeweiligen Anwendungsgebiete ATTR-CM und ATTR-PN zur Verfügung:
Tafimidis 61mg zur Behandlung bei ATTR Kardiomyopatie (ATTR-CM).
Tafimidis 20mg zur Behandlung bei ATTR Polyneuropathie Stadium I (PN).
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Pharmakokinetik
Resorption: Maximalkonzentration (Cmax) nach 4 Std. (61mg);
hohe Plasmaeiweisbindung (ca. 99%).
Metabolisierung und Elimination: Vermutlich hauptsächlich Glukuronidierung und Ausscheidung über die Galle; ca. 59% der Gesamtdosis Ausscheidung über den Darm und ca 22% im Urin nachgewiesen; mittlere HWZ ca 49 Std. (populationsspezifisch).
Indikation
Tafamidis 61mg ist indiziert zur Behandlung der Wildtyp- oder hereditären Transthyretin-Amyloidose bei erwachsenen Patienten mit Kardiomyopathie (ATTR-CM).
Die Therapie sollte unter der Kontrolle eines in der Behandlung von Patienten mit Amyloidose oder Kardiomyopathie erfahrenen Arztes durchgeführt werden.
Tafimidis 20mg ist indiziert zur Behandlung der Transthyretin-Amyloidose bei erwachsenen Patienten mit symptomatischer Polyneuropathie im Stadium 1, um die Einschränkung der peripheren neurologischen Funktionsfähigkeit zu verzögern.
Die Therapie sollte unter der Kontrolle eines in der Behandlung von Patienten mit Transthyretin-Amyloidose mit Polyneuropathie (ATTR-PN) erfahrenen Arztes durchgeführt werden.
Grundsätzlich muß vor Einleitung der Therapie mit Tafimidis die Diagnose ATTR-CM (Wildtyp oder hereditäre Form) bzw. ATTR-PN gesichert und eine AL-Amyloidose ausgeschlossen sein.
Je frühzeitiger im Krankheitsverlauf die Therapie mit Tafimidis eingeleitet wird, desto effektiver ist die Wirkung in Bezug auf den klinischen Nutzen.
Die Behandlung sollte daher so frühzeitig im Krankheitsverlauf wie möglich eingeleitet werden.
Einleiten oder Forsetzen der Behandlung mit Tafimidis 61mg im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf bei ATTR-CM (z.B. NYHA Stadium III) sollte nur durch einen in ATTR-CM erfahrenen Arzes erfolgen. Zu NYHA Stadium IV liegen nur begrentzt Daten vor.
Es liegen keine Daten zur Anwendung nach Organtransplantation vor. Therapie mit Tafimidis wird nicht empfohlen und sollte nach Organtransplantation beendet werden.
Es besteht kein relevanter Nutzen zur Anwendung bei Kindern und Jugendlichen.
Schwangerschaft/Stillzeit
Tafimidis ist während der Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert.
Frauen im gebährfähigen Alter benötigen eine sichere Empfängnisverhütung. Diese muß wegen der langen HWZ von Tafimidis bis 1 Monat nach Behandlungsende weitergeführt werden.
Tierexperimentelle Studien haben Entwicklungstoxizität gezeigt.
Daten aus Tierversuch zeigen, daß Tafimidis in die Muttermilch übergeht.
Beeinträchtigung der Fertilität konnte in präklinischen Studien nicht nachgewiesen werden.
Bei unvorhergesehenem Eintritt einer Schwangerschaft Information und Beratung durch Embryotox Charité.
Dosierung und Art der Anwendung
Tafimidis steht in zwei unterschiedlich konzentrierten Präparaten zur Verfügung:
Tafimidis 61mg zur Behandlung bei ATTR Kardiomyopatie (ATTR-CM).
Tafimidis 20mg zur Behandlung bei ATTR Polyneuropathie Stadium I (PN).
Tafimidis wird als Kapsel oral verabreicht; die empfohlene Tagesdosis ist 1x1 Kapsel entspr. Indikation bei ATTR-CM 1x61mg bzw bei ATTR-PN Stadium I 1x20mg; nahrungsunabhängig.
1Kapsel 61mg mikronisiertes Tafimidis entsricht 80mg Tafimidis-Meglumin.
1Kapsel 20mg enthält 20mg mikronisiertes Tafimidis-Meglumin entspr. 12,2mg Tafimidis.
(Dosierungen für Tafimidis und Tafimidis-Meglumin sind nicht eqivalent und nicht gegeneinander austauschbar).
Kapseln enthalten zusätzlich jeweils ca. 44mg Sorbitol.
Die Kapsel muß im Ganzen geschluckt werden und soll nicht zerteilt oder zerdrückt werden.
Dosisanpassung nicht notwendig bei Patienten ≥65 Jahre.
Bei leichter Einschränkung der Nierenfunktion sowie leichter bis mäßiger Einschränkung der Leberfunktion keine Dosisanpassung erforderlich; nur begrenzte Daten bei starker Einschränkung der Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance ≤ 30 ml/min); keine Daten zu schwerer Beeinträchtigung der Leberfunktion; bei diesen Patienten nur mit Vorsicht anwenden!
Unerwünschte Wirkungen
Tafimidis wird grundsätzlich gut vertragen.
häufig sind gastrointestinale Beschwerden, sowie Hautausschlag und Pruritus.
Ein Anstieg der Serumtransaminasen ist möglich.
Unter Tafimidis kann es zu Verringerung der Serumkonzentration von Gesamt-Thyroxin kommen, ohne Veränderung von freiem Thyroxin (T4) oder TSH. Vermutlich Folge der starken Bindungsaffinität von Tafimidis an den TTR-Thyroxin-Rezeptor.
Die Substanz unterliegt erhöhter Pharmakovgilanz. Meldungen des Verdachtes unerwünschter Wirkungen im Zusammenhang mit der Behandlung an Nebenwirkungen.bund.de
Wechselwirkungen
Tafamidis hemmt in vitro den Efflux-Transporter BCRP (Brustkrebs-Resistenz-Protein, „Breast-Cancer-Resistant-Protein“) und kann daher potetiell zu WW mit Substraten dieses Transporters führen. WW sind möglich bei z. B. Methotrexat, Rosuvastatin, Imatinib (nur Auswahl).
Daneben hemmt Tafamidis die Aufnahmetransporter OAT1 und OAT3 (organische Anionen-Transporter) und könnte in klinisch relevanten Konzentrationen zu WW mit Substraten dieser Transporter führen z. B. nicht steroidale Entzündungshemmer, Bumetanid, Furosemid, Lamivudin, Methotrexat, Oseltamivir, Tenofovir, Ganciclovir, Adefovir, Cidofovir, Zidovudin, Zalcitabin (nur Auswahl).
Tafimidis enthält Sorbitol. Der Sorbitolgehalt kann die Bioverfügbarkeit von anderen gleichzeitig oral angewendeten Arzneimitteln beeinflussen.
Dies stellt nur eine Auswahl dar; weitere mögliche WW sind ggf. im Einzelfall zu klären.
Wechselwirkungsstudien die die Wirkung anderer Arzneimittel auf Tafamidis untersuchen wurden nicht durchgeführt.
Weitere Hinweise siehe Fachinfo.
Kontraindikation
Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile (siehe Fachinfo).
Vorsicht bei schwere Nierenfunktionseinschränkung und schwerer Lebefunktionseinschränkung! Es liegen hierzu keine Daten vor!
Präparate
Vyndaqel® 20mg (ATTR-PN) (Pfizer)
Vyndaqel® 61mg (ATTR-CM) (Pfizer)
2011 Zulassung in der EU zur Behandlung der symptomatischen Polyneuropathie Stadium 1 bei hereditärer und Wildtyp Transthyretin-Amyloidose (ATTR-PN).
2020 Zulassungserweiterung zur Behandlung der Kardiomyopatie bei hereditärer und Wildtyp Transthyretin-Amyloidose (ATTR-CM).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir
Kopernio

- Fachinfo Vyndaqel® 20mg
- Fachinfo Vyndaqel® 61mg
- Coelho T, Maia LF, Martins da Silva A et. al. (2012). Tafamidis for transthyretin familial amyloid polyneuropathy. A randomized, controlled trial. Neurology 79 (8) 785-792 doi.org/10.1212/WNL.0b013e3182661eb1
- Maurer MS, Schwartz JH, Gundapaneni B, et. al. for the ATTR-ACT Study Investigators (2018). Tafimidis Treatment for Patients with Transthyretin Amyloid Cardiomyopathy. N Engl J Med 379:1007-1016 DOI 10.1056/NEJMoa1805689 VOL. 379 NO. 11.