Acoramidis

Autor: Dr. med. Christina I. Hirth

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Zuletzt aktualisiert am: 16.07.2025

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Synonym(e)

Transthyretin-Stabilisator

Definition

Acoramidis ist eine neue Substanz aus der Substanzgruppe der Transthyrethin-Stabilisatoren (TTR Stabilisatoren), die zur Behandlung Kardiomyopathie bei ATTR- Amyloidose eingesetzt wird.

Bedeutung: Nach Tafamidis ist Acoramidis die zweite zugelassene Substanz in der Substanzgruppe der Transthyretin-Stabilisatoren. Die Zulassung erfolgte in der EU im Februar 2025 zur Behandlung der Kardiomyopathie bei Wildtyp und hereditärer Form der Transthyretin Amyloidose (wtATTR-CM und hATTR-CM).

Acoramidis ist ein sog. Orphan-Drug. Die Transthyretin-Amyloidose mit Kardiomyopathie (ATTR-CM) gehört zu den seltenen Erkrankungen.

(Zu Orphan Drugs und Zulassung von Orphan Drugs siehe auch: BfArM-Orphan Drugs und BfArM Arzneimittel für seltene Erkrankungen).

Die abschließende Nutzenbewerung des G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuß) hinsichtlich eines Zusatznutzen im Vergleich zur bisher bestehenden Standardtherapie mit Tafimidis wird im September 2025 erwartet.

Pharmakodynamik (Wirkung)

Acoramidis ist ein spezifischer TTR-Stabilisator.

Wirkmechanismus: Acoramidis erhöht die Stabilität des TTR Tetramers, hemmt seine Dissoziation in Mo­no­mere und verlangsamt so den amyloidogenen Prozess, der zu ATTR-CM führt. Es ahmt die Wirkweise der protektiven T119M Gen-Variante des TTR Proteins nach, indem es Was­serstoffbrückenbindungen mit benachbarten Se­rinresten innerhalb beider Thyroxin-Bindungsstellen des Tetramers bildet. Diese Wechselwirkung erhöht die Stabilität des Tetramers und hemmt seine Dissoziation in Mo­no­mere.

Unter Acoramidis wurde eine nahezu vollständige Transthyretin-Stabilisierung beim Wildtyp und bei allen getesteten amyloidogenen Genotypvarianten be­ob­ach­tet, einschließlich der am weitesten verbreiteten Genotypen V30M (p.V50M), T60A (p.T80A) und V122I (p.V142I).

Bei Patienten (Wildtyp- und hereditäre ATTR), die mit Acoramidis (zweimal täglich mit jeweils 712 mg) behandelt wurden konnte eine nahezu vollständige (≥ 90 %) TTR-Stabilisierung erreicht und über den gesamten Beobachtungszeitraum von 30 Monaten aufrechterhalten werden (ATTRibute‑CM Studie)(Gillmore JD et al 2024). Der TTR-Spiegel in der Acoramidis-Grup­pe war durchgehend höher als in der Placebo-Grup­pe (in Monat 30 mittlere Veränderung ge­genüber dem Ausgangswert 9,1 mg/dl unter Acoramidis ge­genge­genüber 1,3 mg/dl unter Placebo).

Werte für NT-proBNP und Troponin I zeigten unter Acoramidis einen geringeren Antieg als unter Placebo (ATTRibute-CM Studie).

Die ATTRibute-CM Studie, RCT an 632 Patienten, Acoramidis 2:1 gegen Placebo, zeigte eine signifikant geringere Gesamtmortalität, Hospitalisierungsrate und bessere Lebensqualität bei Behandlung mit Acoramidis verglichen mit Placebo. Der Unterschied war ab 3 Monaten nach Behandlungsbeginn nachweisbar (Gillmore JD et al 2024). Die Studie wird derzeit als open label extension (OLE) Studie weitergeführt (Judge DP et al 2024). Eine Vergleichsstudie zu Tafimidis (head to head Vergleich) gibt es bislang nicht.

 

 

 

Pharmakokinetik

Resorption: nach oraler Anwendung wird Acoramidis schnell resorbiert; maximale Plasmakon­zentration von unverändertem Acoramidis in der Regel innerhalb von 1 Stunde; in-vitro-Bindung von Acoramidis an hu­mane Plas­ma­pro­tei­ne beträgt 96,4 %.

Das Gesamtausmaß der Resorption von Acoramidis wird nicht durch Nahrungsaufnahme beeinflusst.

Es wurde keine spezielle in-vivo-Interaktionsstudie mit Arzneimit­teln zur Reduzierung der Magen­säu­re durchgeführt. Der Einfluss dieser Arzneimit­tel auf die Pharmakokinetik von Acoramidis ist daher nicht bekannt. Die Löslichkeit von Acoramidis ist im physiologischen ph- Bereich stark pH-abhängig. In der Phase-3-Studie wurden jedoch keine Unterschiede in der systemischen Acoramidis-Exposition oder im pharmakodynamischen Marker (TTR-Stabilisierung) zwischen Patienten, die Magen­säu­re-reduzierende Arzneimit­tel einnahmen, und Patienten, die keine Magen­säu­re-reduzierenden Arzneimit­tel einnahmen, be­ob­ach­tet.

Metabolismus: Acoramidis wird überwiegend durch Glucuronidierung metabolisiert, hauptsächlich zu Acoramidis-β-D-Glucuronid (Acoramidis-AG vorherrschender Metabolit). Acoramidis-AG weist eine et­wa 3‑fach geringere pharmakologische Ak­ti­vi­tät auf als Acoramidis, hat ein geringes Potenzial für kovalente Bindungen und trägt nicht wesentlich zur pharmakologischen Ak­ti­vi­tät bei.

Elimination: Nach Anwendung ei­ner oralen Einzeldosis von [14C]-Acoramidis bei gesunden erwachsenen Probanden wurden et­wa 34 % der Dosis-Radioaktivität im Stuhl (mit Acoramidis als Hauptkomponente) und et­wa 68 % im Urin wiedergefunden. Der An­teil an unverändertem Acoramidis im Urin lag bei < 10 %.

HWZ ca. 27 Std.

weitere Einzelheiten siehe Fachinfo.

 

Indikation

Acoramidis ist indiziert zur Be­handlung der Wildtyp- oder hereditären Form der Transthyretin-Amyloidose (wtATTR und hATTR) bei erwachsenen Patienten mit Kardiomyopathie (ATTR-CM).

Die Diagnose einer Wildtyp-ATTR Kardiomyopathie oder hereditären ATTR Kardiomyopathie muss gesichert und eine AL Amyloidose als Ursache sicher ausgeschlossen werden.

Acoramidis hat keine Relevanz für Kinder und Jugendliche.

Schwangerschaft/Stillzeit

In der Schwangerschaft kontraindiziert. Es liegen keine ausreichenden Daten vor; präklinische Studien haben Entwicklungstoxizität gezeigt. Frauen im gebärfähigen Alter benötigen ausreichende Empfängnisverhütung.

In der Stillzeit kontraindiziert. Es ist nicht bekannt, ob Acoramidis oder Metaboliten in die Muttermilch übergehen.

Es liegen keine Daten zur Auswirkung auf die menschliche Fertilität vor. Keine Hinweise auf negative Auswirkungen aus präklinischen Studien.

 

Dosierung und Art der Anwendung

Darreichungsform: Filmtablette, zur oralen Verabreichung; 1Tbl enthält Acoramidis-Hy­dro­chlo­rid, ent­spr. 356mg Acoramidis.

Die empfohlene Dosis von Acoramidis beträgt tägl. insgesamt 1424mg verteilt auf zweimal täglich 712 mg, d.h. jeweils 2 Tabletten zu je 356mg bei jeder Einnahme (tägl. Gesamtdosis 1424mg).

Die Ta­blet­ten müssen im Ganzen geschluckt werden; Einnahme nahrungsunabhängig.

Die Behandlung soll durch einen mit Transthyretin-Amyloidose und Kardiomyopathie (ATTR-CM) erfahrenen Arzt erfolgen.

Für Patienten mit New York Heart Association (NYHA) Klasse IV liegen keine Daten zur Wirk­samkeit vor.

Bei älteren Patienten (≥ 65 Jahren) ist eine Dosis­an­pas­sung nicht erforderlich.

Bei Patienten mit Nierenfunktionsstörung: aufgrund der geringen renalen Clearance von Acoramidis ist eine Dosis­an­pas­sung nicht erforderlich.

Bei schwerer Nie­ren­funk­ti­ons­stö­rung (Krea­tinin-Clearance < 30 ml/min) liegen nur begrenzte Daten vor; für Dialysepatienten liegen keine Daten vor. Daher sollte Acoramidis bei diesen Patienten mit Vorsicht an­ge­wendet werden.

Bei Patienten mit Leberfunktionsstörung: Acoramidis wurde bei Le­berfunktionsstörung nicht  untersucht und wird daher bei Leberfunktionsstörung nicht empfohlen.

 

Unerwünschte Wirkungen

nach bisherigem Stand im Allgemeinen gut verträglich.

häufigste berichtete Nebenwirkungen der Zulassungsstudie waren Durchfall (ca. 12 %) und Gicht (ca. 11 %). Die Mehrzahl der Nebenwirkungen wardn nicht schwerwiegend und reversibel.

Hämodynamische Nierenparameter: im 1. Be­handlungsmonat kann es zu ei­ner Abnahme der eGFR und zu ent­sprechendem Anstieg des Serumkreatinins kommen. Diese Veränderungen waren nicht progredient und nicht mit ei­ner Nierenschädigung verbunden. Die Ver­än­de­run­gen waren bei Unterbrechung der Behandlung reversibel (renaler hämodynamischer Effekt).

Acoramidis kann die Se­rum­kon­zen­tra­tionen des freien Thyroxins verringern, ohne gleichzeitige Veränderung des Thyreotropins (thyroid stimulating hormone, TSH). Klinische Befunde, die auf eine Schilddrüsenfunktionsstörung hindeuten, wurden nicht be­ob­ach­tet.

zu berücksichtigen ist, daß Langzeitdaten naturgemäß bisher fehlen.

Die Substanz unterliegt erhöhter Pharmakovgilanz. Meldungen des Verdachtes unerwünschter Wirkungen im Zusammenhang mit der Behandlung an Nebenwirkungen.bund.de.

Wechselwirkungen

Es konnte gezeigt werden, dass Acoramidis in vitro CYP2C8 und CYP2C9 inhibiert. Es wurde keine in vivo Studie durchgeführt. Die gleichzeitige Anwendung von CYP2C8 und CYP2C9 Substraten mit enger therapeutischer Breite sollte mit Vorsicht erfolgen.

Aufgrund bisheriger präklinischer Studien ist nicht zu erwarten, dass Hemmung der or­ganischen Anionentransporter OAT 1 und OAT 3 zu klinisch relevanten Arzneimit­telwechselwirkungen mit OAT 1- und OAT 3 Substraten führt.

Ebenso sind, entspr. bisheriger Studien, in klinisch relevanten Kon­zen­tra­tio­nen keine Arzneimit­telwechselwirkung mit gleichzeitig an­ge­wendeten Substraten des Brustkrebs-Resistenz-Pro­te­ins (breast cancer resistant protein, BCRP) zu erwarten.

Acoramidis ist ein BCRP-Substrat. Basierend auf ei­ner in-vitro-Studie sind keine klinisch relevanten Wechselwirkungen mit BCRP-In­hi­bi­toren zu erwarten.

 

Kontraindikation

Über­emp­find­lich­keit ge­gen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Be­stand­tei­le.

Frauen im gebärfähigen Alter ohne ausreichende Empfängnisverhütung, Schwangerschaft und Stillzeit. 

Bei Patienten mit schwerer Nie­ren­funk­ti­ons­stö­rung (Krea­tinin-Clearance < 30 ml/min) liegen nur begrenzte Daten vor; für Dialysepatienten liegen keine Daten vor. Daher sollte Acoramidis bei diesen Patienten mit Vorsicht an­ge­wendet werden.

Bei Patienten mit Leberfunktionsstörung wurde  Acoramidis nicht untersucht und wird daher bei Leberfunktionsstörung nicht empfohlen.

Weitere Hinweise siehe Fachinfo!

Präparate

BEYONTTRA® 356 mg (Bayer/BridgBio pharma)

(Zulassung: Februar 2025 EU; November 2024 USA)

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

Acoramidis Fachinfo Bayonttra® 356mg (Vertieb in Deutschland Bayer).

Gillmore JD, Judge DP, Cappelli F et. al. for the ATTRibute-CM Investigators (2024). Efficacy and Safety of Acoramidis in Transthyretin Amyloid Cardiomyopathy. N Engl J Med;390:132-142 doi/full/10.1056/NEJMoa2305434.

Judge DP, Gillmore JP, Alexander KM. Long-Term Efficacy and Safety of Acoramidis in ATTR-CM: Initial Report From the Open-Label Extension of the ATTRibute-CM Trial. CirculationVolume 151, 9, 4;601-611. doi/10.1161/CIRCULATIONAHA.124.072771.

Rapezzi C, Quarta CC, Riva L, et al. (2010). Transthyretin-related amyloidoses and the heart: a clinical overview. Nat Rev Cardiol;7:398-408. doi.org/10.1038/nrcardio.2010.67.

 

 

 

 

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Zuletzt aktualisiert am: 16.07.2025