Pseudomonas

Zuletzt aktualisiert am: 14.03.2021

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Synonym(e)

Pseudomonaden

Erstbeschreiber

Der Arzt Otto Friedrich Müller stellte 1786 eine Bakteriensystematik auf in der zwischen beweglichen Mikroben (Zittertierchen oder Vibrionen) und unbeweglichen „Urkörperchen“ oder Monaden (monas puctum =Kokken). Später erkannte man, dass es auch beweglich Stäbchen Bakterien gab, die nicht in dieses Schema passten, mithin falsche (weil bewegliche) Urkörperchen, also Pseudomonaden.  

Definition

Pseudomonas sind gramnegative, nicht sporenbildende Stäbchenbakterien. In einigen Fällen verwenden Pseudomonas-Spezies Nitrat als terminalen Elektronenakzeptor. Dann erfolgt das Wachstum anaerob (Nitratatmung). Pseudomonas sind durch eine oder mehrere polare Geißeln beweglich und bestehen aus geraden bis gebogenen Stäbchen, die 1,5-5,0 μm lang sind und einen Durchmesser von 0,5-1,0 μm aufweisen. Sie sind chemoorganotroph und benötigen keine organischen Wachstumsfaktoren. Pseudomonas sind Katalase- und meist auch Oxidase-positiv. Sie sind nicht sehr säuretolerant und wachsen nicht unter pH 4,5. Pseudomonas-Arten bauen eine Vielzahl von niedermolekularen organischen Verbindungen und hydrolytischen Produkten ab, die durch Aktinomyceten- und Pilzwachstum entstehen.  Alle Arten sind sogenannte Nonfermenter (Nichtfermentierer: Fermentation wird von dieser Gattung nicht als Energiestoffwechsel genutzt)

Der humanpathologisch immens wichtige Pseudomonas aeruginosa bildet einen blaugrün Farbstoff (das Phenacetinderivat Pyocyanin) und entwickelt einen eigenartig süßlichen Eigengeruch durch die Bildung von Aminoacetophenon. Dieser Geruch läßt sich diagnostisch am Krankenbett nutzen.

Ökologie: Pseudomonaden kommen weltweit allgegenwärtig in der Umwelt vor, insbesondere in feuchten Lebensräumen und im Boden. Diese »Feuchtkeime« leben oft von abgestorbenem organischem Material aus Pflanzen. Man findet sie auch häufig in der Rhizosphäre.

Einteilung

Die Gattung Pseudomonas gehört zu den Pseudomonadaceae, einer Familie von Gram-negativen Gammaproteobakterien, die die Gattungen

  • Pseudomonas
  • Cellvibrio
  • Mesophilobacter
  • Rhizobacter
  • Rugamonas und
  • Serpens

umfasst. Die Gattung Pseudomonas umfasst heute über 200 Arten; von denen einige große humanpathologische Bedeutung haben. Durch den Einsatz genetischer und molekularbiologischer Werkzeuge wie 16S- und 23S-rRNA-Gensequenzen, rRNA-DNA- und DNA-DNA-Hybridisierung sowie zelluläre Lipid- und Fettsäureprofile wurden jedoch einige Arten als neue Gattungen definiert. Hierzu gehören:

  • Burkholderia
  • Burkholderia cepacia (Komplex mit 20 Arten, infektbedingte Exazerbation einer Mukoviszidose)
  • Burkholderia mallei (Rotz - bei Einhufern, selten bei Menschen)
  • Burkholderia pseudomallei (Melioidose – schwerste of tödliche Pneumonie, v.a.in tropischen Ländern)
  • Stenotropomonas
  • Stenotropomonas maltophilia (nosokomiale Infektion /Wasser)

Weitere medizinisch bedeutungsvolle Pseudomonaden die im Wasser vorkommen sind: Shewanella, Sphingomonas, Comamonas, Delftia, Ralstonia, Chryobacterium.

Die Gattung Pseudomonas im engeren Sinne umfasst folgende unterschiedlich pathogen wirksame Arten:

  • P. aeruginosa (pathogen, grüner Eiter -aeruginosa =Grünspan)
  • P. cannabina
  • P. denitrificans
  • P. fluorescens (wenig pathogen)
  • P. marginalis
  • P. putida (wenig pathogen)
  • P. stutzeri (wenig pathogen)
  • P. syringae

Pathophysiologie

Umweltkeime/Opportunisten: Die meisten Pseudomonaden sind Umweltkeime, v.a. sog. Pfützenkeime aus wässrigen Standorten (z.B. Syphon). Sie sind physiologisch hoch flexibel und können als opportunistische Krankheitserreger bei bereits geschwächten Pflanzen und Tieren auftreten. Arten wie Pseudomonas aeruginosa können für immunsupprimierte Menschen pathogen sein. Die Virulenzgene sind auf Plasmide lokalisiert und können leicht von einer Pseudomonas-Art auf eine andere übertragen werden.

R-Plasmid: Pseudomonaden besitzen oft ein sogenanntes R-Plasmid, das der Übertragung der Resistenzgene dient.

Tetrodotoxin (TTX): Tetrodotoxin (auch die Variante Anhydro-TTX) ein hochtoxisches Nervengift wird von einigen Pseudomonas-Arten produziert.

Pseudomonas als Pathovare: Pflanzenassoziierte Arten können Pflanzenpathogene (Phytopathogene -sogenannte Pathovare) sein oder als Pflanzenwachstumsförderer wirken. Pseudomonas syringae ist ein bedeutender Pflanzenpathogen mit mehr als 50 pathogenen Varianten, definiert durch die Pflanzenarten die er infiziert; dazu gehören eine Reihe wirtschaftlich wichtiger Arten wie Tomate, Bohnen, Reis, Tabak und eine Reihe von Baumwirten wie die Europäische Rosskastanie, Olive und Kirsche.

Pseudomonas als Phytoprotekiva: Im Gegensatz dazu sind eine Reihe von Arten wichtig für die Besiedlung der Rhizosphäre und die Förderung der Pflanzengesundheit durch Antagonisierung von Pflanzenpathogenen. Einige, wie z. B. Pseudomonas fluorescens, produzieren Insektizide und können daher als Mittel der Biokontrolle eingesetzt werden. Stickstofffixierende Arten, wie Pseudomonas stutzeri, kolonisieren Pflanzenwurzeln und ihre Stickstofffixierungsfähigkeiten und sind ein positiver Stimulator des Pflanzenwachstums.

Die außergewöhnliche ernährungsphysiologische Vielseitigkeit der Gattung bedeutet, dass sie ein breites Spektrum von Verbindungen als Kohlenstoffquellen nutzen können, einschließlich gefährlicher Umweltverschmutzungen;

Pseudomonas als Bioremediatoren: Pseudomonas putida ist ein typisches Beispiel mit einem breiten Spektrum an biodegradativen Fähigkeiten, das ungewöhnliche Kohlenstoffquellen wie giftige organische Abfälle (z. B. Erdöl und aromatische Kohlenwasserstoffe) abbauen kann und daher für die Bioremediation wichtig ist.

Tierreich: Pseudomonas werden u.a. für die Giftigkeit verschiedener Kugelfische verantwortlich gemacht. Der Fisch nimmt die Bakterien vermutlich durch die Nahrung auf. Man geht hierbei von einer Symbiose zwischen dem Kugelfisch und den Bakterien aus.

Klinisches Bild

Pseudomonas aeruginosa ist ein gefürchteter Verursacher von nosokomialen Infektionen, die sehr schwer, oft tödlich verlaufen können. Außerdem findet man den Erreger häufig bei Personen mit Verbrennungen, auf großen Ulzera der Unterschenkel sowie in der Lunge von Mukoviszidose-Patienten.

Antibiotikaresistenz: Klinisch wichtig ist, dass zahlreiche Pseudomonas-Spezies Resistenzen gegen Antibiotika aufweisen. Außerdem sind sie zur Biofilm-Bildung (aus speziellen Zuckern Alginaten) befähigt.

Nosokomiale Infektionen: Während Bakterien der Gattung Pseudomonas bei Menschen mit intaktem Immunsystem selten Krankheiten verursachen, können sie v.a. immunsupprimierten Patienten Infektionen von Wunden, Atem- und Harnwegen, Pneumonien sowie Sepsis und Herzerkrankungen verursachen. Wundinfektionen durch P. aeruginosa zeichnen sich durch ihre blau-grüne Färbung und ihren süßlich-aromatischen Geruch aus. Besonders gefährdet sind Patienten mit Zystischer Fibrose (Mukoviszidose), bei denen Pseudomonas induzierte Pneumonien die häufigste Todesursache ist.

Weitere durch Pseudomonas-Spezies hervorgerufene Erkrnankungen sind:

  • Nosokomiale Pneumonie v.a. bei beatmeten Patienten. Bei HIV-Infizierten sind Lungenentzündungen oder Nebenhöhleninfektionen infolge von Pseudomonas-Erregern häufig.

  • Infektionen der Weichgewebe umfassen Infektionen von Muskeln, Sehnen, Bändern und der Haut. Diese Infektionen können in tiefen Stichwunden auftreten

  • Pannikulitis, infektiöse

  • Harnwegsinfektionen 

Dermatologische Infektionen

  • Otitis externa (Schwimmerohr, Bade-Otitis) ist eine leichte äußerliche Infektion, die bei ansonsten gesunden Personen auftreten kann.

  • Maligne externe Otitis ist eine ernstere äußerliche Ohreninfektion. Sie kommt besonders häufig bei Menschen mit Diabetes vor.
  • Pseudomonas-Follikulitis (Whirlpool-Dermatitis) ist eine weitere leichte äußerliche Infektion. Bei Whirlpool-Benutzern kommt es zu follikulären Pyodermien, vor allem wenn die Whirlpools unzureichend gewartet werden.

  • Ecthyma gangraenosum die bei neutropenischen Patienten auftreten.
  • Infektiöse Keratitiden: Sie sind meist die Folge von Verletzungen, entstehen mitunter aber auch durch verschmutzte Kontaktlinsen oder Kontaktlinsenflüssigkeit.
  • Follikulitis, gramnegative
  • Fußinfekt gramnegativer
  • Green-Nail-Syndrom (s.u. Nagelpigmentierung)

  • Pseudomonas Hot-Foot Syndrom

  • Wundinfektionen, gramnegative (s.u. Wunde, chronische)

Therapie

Acylaminopenicilline wie Piperacillin, Cephalosporine ab der dritten Generation v.a. Ceftazidim und Cefepim. Ceftriaxon und Cefotaxim hingegen sind nicht wirksam. Wirksam sind Fluorchinolone, Aminoglykoside sowie Carbapeneme.

Bemerkung: Besonders auffällig ist, dass die Zahl antibiotikaresistenter sowie multiresistenter Stämme zunimmt. Für Europa ist davon auszugehen, dass bis zu 25 % der Pseudomonas-aeruginosa-Stämme gegen Cephalosporine der 3. Generation resistent sind, bei den Carbapanemen und Quinolonen sind es sogar bis zu 50 %. Mittlerweile gibt es sogenannte 4MRGN-Stämme, gegen die kein einziges der heute verfügbaren Antibiotika mehr eine Wirkung entfaltet. 

Inwieweit Pseudomonas-Impfungen bei gefährdeten Personen zukünftig Option darstellen bleibt abzuwarten.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Chegini Z et al. (2020) Bacteriophage therapy against Pseudomonas aeruginosa biofilms: a review. Ann Clin Microbiol Antimicrob 19:45.
  2. Lee K et al. (2017) Pseudomonas aeruginosa Biofilm, a Programmed Bacterial Life for Fitness. J Microbiol Biotechnol 27:1053-1064.
  3. Mielko KA et al. (2019) , Jabłoński SJ, Milczewska J, Sands D, Łukaszewicz M, Młynarz P. Metabolomic studies of Pseudomonas aeruginosa. World J Microbiol Biotechnol 35:178.
  4. Moradali MF et al.(2017) Pseudomonas aeruginosa, Lifestyle: A Paradigm for Adaptation, Survival, and Persistence. Front Cell Infect Microbiol.7:39.
  5. Mulcahy LR et al. (2014)  Pseudomonas aeruginosa biofilms in disease. Microb Ecol 68:1-12.
  6. Silby MW et al. (2011) Pseudomonas genomes: diverse and adaptable. FEMS Microbiol Rev 35:652-680.

Verweisende Artikel (3)

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