Mycobacterium leprae

Zuletzt aktualisiert am: 13.03.2021

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Synonym(e)

Erreger der Lepra; Leprabazillen; Lepraerreger

Erstbeschreiber

Mycobacterium leprae wurde 1874 von Hansen entdeckt (Hansen-Bacillus).

Definition

Mycobacterium leprae (von griech. mykes = Pilz, bakterion = Stäbchen) und das erst kürzlich entdeckte Mycobacterium lepromatosis (Han et al., 2008) sind die Erreger der Lepra bei Mensch und Tier (Schilling et al. 2019; Tió-Coma et al., 2019). Lepra ist eine komplexe Infektionskrankheit, die oft zu schweren, lebenslangen Behinderungen führt und immer noch eine ernsthafte Gesundheitsbedrohung in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen darstellt (World Health Organization 2019).

Erreger

Bakterien der Art Mycobacterium leprae haben eine gebogene, stäbchenförmige Gestalt. Sie sind unbeweglich und bilden keine Sporen. Unter tropischen Bedingungen können die Bakterien außerhalb des menschlichen Körpers bis zu 9 Tage überleben. Im Körper verhalten sie sich ähnlich wie Mycobacterium tuberculosis. Sie liegen obligat intrazellulär und benötigen rund 10 bis 14 Tage, um sich zu teilen (E.-coli-Bakterien benötigen hierfür nur circa 20 Minuten). Die Abwehr des Organismus besteht ausschließlich in einer T-Zell-vermittelten Immunreaktion. Histopathologisch äußert sich die Infektion in der Organisation von epitheloidzelligen Granulomen.

Das Bakterium weist auf Grund seines enzymatischen Besatzes einen einzigartigen Tropismus für periphere Nerven, Haut und Schleimhautmembranen auf und kann somit diese Gewebe besonders gut infizieren und sich dort vermehren. M. leprae kann v.a. im Nasensekret infizierter Personen nachgewiesen werden.

Vorkommen

Prävalenzen: Trotz wirksamer Medikamente werden jährlich immer noch ca. 210.000 neue Fälle diagnostiziert, und diese Inzidenzrate ist über das letzte Jahrzehnt stabil geblieben (World Health Organization, 2019). Lepra-Erkrankungen werden durch schlechte soziale Lebensumstände begünstigt, da diese häufig auch mit ungünstigen hygienischen Bedingungen einhergehen. So treten Lepra-Fälle vor allem in den ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer Südostasiens, Chinas, Südamerikas und des tropischen Afrikas auf.

Übertragung: Die Eintrittspforte von Mycobacterium leprae in den menschlichen Organismus konnte bisher nicht zweifelsfrei identifiziert werden. Allerdings scheint das Hauptreservoir des Mycobacteriums der Mensch zu sein. Die aerosole Übertragung über die Atemwege wird allgemein als der wahrscheinlichste Weg der bakteriellen Verbreitung angenommen. Neben der bakteriellen Exposition wurden auch andere Risikofaktoren mit der Entwicklung von Lepra in Verbindung gebracht, wie z. B. genetische Polymorphismen, der klinische Typ des Lepra, Immunsuppression und Ernährungsfaktoren (Dwivedi et al.2019). Eine zoonotische Übertragung durch infizierte Gürteltiere wurde in der Literatur beschrieben.

Latenz: Es bestehen erhebliche Unterschiede in der Inzidenz von latenten und apparenten Infektionen einerseits sowie von nicht ansteckenden und ansteckenden Infektionen andererseits. Latente Infektionen können symptomfrei über Jahre oder womöglich sogar Jahrzehnte fortbestehen, aber auch jederzeit in die spontane Abheilung übergehen. Falls sie zur manifesten Erkrankung führen, beträgt die durchschnittliche Inkubationszeit ca. vier Jahre. In endemischen Gebieten sind beträchtliche Teile der Bevölkerung mit dem Erreger infiziert, wobei selbst die manifesten Erkrankungen in den frühen Stadien zu einem hohen Prozentsatz spontan ausheilen. Entscheidender Faktor ist die zellvermittelte Immunkompetenz des Infizierten. Erst eine relevante immunologische Defizienz bahnt der aktiven Infektion den Weg.

Pathophysiologie

Bei der gängigen Färbung nach Ziehl-Neelsen lässt sich das zunächst verwandte rote Färbemittel Carbolfuchsin nicht durch Salz- oder Schwefelsäure auswaschen, andere Substrate werden in der Folge mit Methylenblau angefärbt. Mycobacterium leprae besitzt eine gram-positive Zellwand aus mehrschichtigen Peptidoglykanen. Der Peptidoglykanschicht aufgelagert findet sich ein Polymer aus Arabinose und Galactose (Arabino-galactan), an das verschiedene langkettige Lipide, die Mykolsäuren, gebunden sind. Diese Besonderheit hat zur Folge, daß Mycobacterium leprae (auch andere Mykobakterien) mit der üblichen Gramfärbung praktisch nicht anfärbbar ist, sondern daß Farbstoffe nur durch die Einwirkung von Hitze und Phenol in die Bakterien eindringen. Entsprechend sind Mykobakterien auch schwerer entfärbbar; eingedrungener Farbstoff wird auch durch Behandlung mit einem Gemisch aus Säure und Alkohol nicht wieder ausgewaschen.

M. leprae ist ein obligater Parasit, der außerhalb des menschlichen Körpers offenbar bis zu zehn Tage überleben kann. Er lässt sich auf keinem bekannten Nährboden, wohl aber in der Pfote der immunsupprimierten Maus und im neunbändigen Armadillo, dem Gürteltier anzüchten. Das Gürteltier wie auch die bevorzugt bei Mensch und Maus betroffenen Körperregionen sind durch eine vergleichsweise niedrige Temperatur gekennzeichnet, welche das Wachstum von M. leprae begünstigt. Der Keim teilt sich nur etwa alle zwölf Tage und bildet keine Sporen.

Klinisches Bild

Die Inkubationszeit beträgt Monate bis Jahre

Folgende klinische Formen werden unterschieden (s.u. Lepra):

  • Indeterminierte Lepra (L.indeterminata)
  • Lepromatöse Lepra (L.lepromatosa)
  • Tuberkuloide Lepra
  • Bordeline Lepra

Diagnostik

Eine Kultivierung ist nicht möglich. Somit ist der klinische Befund sowie der Nachweis der säurefesten Stäbchen entscheidend.

Mikroskopischer Nachweis im Haut- oder Schleimhautgeschabsel nach Anfärbung n. Ziehl-Neelsen.

Der Nachweis der M. leprae-spezifischen DNA aus Hautproben mittels PCR-Diagnostik sichert die Diagnose.

Prognose

Für die Prognose ist Beurteilung der Menge der Mykobakterien von Bedeutung. Die Wertung erfolgt als „multibazillär“, erregerreich (Therapiedauer über 12 Monate) und „paucibazillär“, erregerarm (Therapiedauer 6 Monate)

Literatur
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