Suxamethonium

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 21.06.2020

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Synonym(e)

Succinylcholin

Definition

Suxamethonium (Succinylcholin) ist ein Arzneimittel das zur Narkosedurchführung (Muskelrelaxans vom nicht - (kompetitiven) depolarisierenden Typ) dient. Es wird angewendet zur Muskelrelaxation im Rahmen der Allgemeinanästhesie.

Pharmakodynamik (Wirkung)

Depolarisierende Muskelrelaxanzien wirken als Agonisten (erregend) des NM-Nikotinrezeptors auf der motorischen Endplatte. Die Interaktion mit dem Rezeptor führt zu einer lang anhaltende Depolarisation der motorischen Endplatte. Acetylcholin kann nicht mehr erregen, da der Rezeptorkanal bereits geöffnet ist.

Depolarisierende Muskelrelaxanzien wie Suxamethonium (Succinylcholin) werden im Gegensatz zu Acetylcholin nicht von der Acetylcholinesterase abgebaut. Insofern wird der NM – Nikotinrezeptorkanal langhaltig eröffnet, die motorische Endplatte bleibt langhaltig depolarisiert. Dieser Zustand der Depolarisation wird als Depolarisationsblock, oder Phase-I-Block bezeichnet.

Die „multizentrische“ Aktivierung der Muskelfasern führt anfänglich zu einer kurzen Kontraktion der Muskeln. Dies kann beim Patient als Faszikulation der Muskulatur (unkoordiniertes Muskelzittern) beobachtet werden. Eine Ausnahme hiervon bilden die Augenmuskeln die mit einer anhaltenden Kontraktion antworten können. Die fortbestehende Depolarisation verhindert eine erneute Erregung durch Acetylcholin. Diese Phase der unkoordinierten Faszikulation geht in eine schlaffe Lähmungsphase über. Der Muskel ist unerregbar. Die Wirkung ist nicht durch andere Medikamente aufzuheben (antagonisierbar).

Abgebaut wird Suxamethonium durch eine unspezifische Cholinesterase. Diese wird in der Leber gebildet. Bie schweren Lebefunktionsstörungen oder bei genetischen Störungen (0,05% der europäischen Bevölkerung) kommt es zu einem verzögerten Abbau. Die Patienten müssen dann stundenlang beatmet werden (Applikation einer gereinigten Serumcholinesterase möglich!). 

Unerwünschte Wirkungen

Bei der Bewertung von Nebenwirkungen werden folgende Häufigkeitsangaben zugrunde gelegt:

  • sehr häufig: mehr als 1 Behandelter von 10
  • häufig: 1 bis 10 Behandelte von 100
  • gelegentlich: 1 bis 10 Behandelte von 1.000
  • selten: 1 bis 10 Behandelte von 10.000
  • sehr selten: weniger als 1 Behandelter von 10.000
  • nicht bekannt: Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar

 

Okuläre NW: Nach Gabe von Succinylcholin kommt es zur Erhöhung des Augeninnendrucks

Muskulatur: Häufig: Faszikulationen der Muskulatur, postoperative Muskelschmerzen sowie kutane allergische Reaktionen.

Kardiale NW: Gelegentlich: treten Herzrhythmusstörungen (ventrikuläre Arrhythmie, Bradykardie mit AV-Knoten-Ersatzrhythmus) auf.

Immunologische NW: Anaphylaxie: selten: kommt es nach Gabe von Succinylcholin zum Auftreten eines anaphylaktischen Schocks.

Maligne Hyperthermie: In Einzelfällen kann Succinylcholin eine maligne Hyperthermie oder Rhabdomyolyse auslösen.

Elektrolyte: Hyperkaliämie: Austritt von Kalium, Kreatininphosphokinase und Myoglobin aus der Muskelzelle. Dadurch kann es in Einzelfällen - überwiegend bei Jugendlichen zur Myoglobinurie und nachfolgendem Nierenversagen oder zu akutem Herzversagen kommen.

Bemerkung: Bei einer  Überdosierung von Succinylcholin kann es zu einer Verlängerung der peripheren Ateminsuffizienz kommen. Dosis- und zeitabhängig ist mit der Entwicklung eines Phase-II-Blocks zu rechnen. Die Symptome einer Überdosierung treten verstärkt unter dem Einfluss von Alkohol und anderen zentral dämpfenden Mitteln auf.

Therapiemaßnahmen bei Intoxikation: Bis zum Wiederauftreten einer intakten Eigenatmung ist eine künstliche Beatmung erforderlich. Gegebenenfalls können gereinigte Cholinesterasepräparate verabreicht werden.

Kontraindikation

Suxamethonium ist kontraindiziert bei:

Disposition zur Hyperkaliämie (z. B. bei ausgedehnten Verbrennungen, Niereninsuffizienz, akuten und chronischen Denervationssyndromen),

  • bekannter Überempfindlichkeit gegen andere Muskelrelaxanzien,
  • Vorliegen von Cholinesterasemangel oder -defekten,
  • Erkrankungen des neuromuskulären Systems,
  • penetrierenden Augenverletzungen,
  • Glaukom.

Bemerkung: Ein auffälliger Rigor des Musculus masseter kann ein Hinweis auf eine erhöhte Gefährdung des Patienten durch eine Rhabdomyolyse oder maligne Hyperthermie sein. Eine besondere intraoperative Überwachung (z. B. Kapnometrie) und ein Vermeiden von Arzneimitteln, die das Risiko erhöhen (Triggersubstanzen), wird empfohlen.

Hinweis(e)

Succinylcholin darf nur von Ärzten angewendet werden, die mit seinen Wirkungen vertraut sind, die Methoden und Techniken der Intubation, künstlichen Beatmung und Wiederbelebung beherrschen sowie über die nötigen apparativen und medikamentösen Voraussetzungen verfügen. Die neuromuskuläre Funktion sollte intraoperativ mittels eines Nervstimulators überwacht werden.

Bei allen Erkrankungen des neuromuskulären Systems muss mit erhöhter Empfindlichkeit gegenüber Succinylcholin gerechnet werden; gegebenenfalls ist eine Dosisreduktion erforderlich.

Bei Vorliegen einer atypischen Cholinesterase-Variante kann es zu einer Wirkungsverlängerung kommen, die bis zu Stunden anhalten kann (langzeitige Beatmug notwendig)

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Kosinova M et al. (2017) Rocuronium versus suxamethonium for rapid sequence induction of general anaesthesia for caesarean section: influence on neonatal outcomes. Int J Obstet Anesth 32:4-10.
  2. Umesh G et al. (2009) Suxamethonium stands the test of time: it is too early to say goodbye. Anaesthesia 64:1023
  3. Zhang X et al. (2019) Supramolecular therapeutics to treat the side effects induced by a depolarizing neuromuscular blocking agent. Theranostics 9:3107-3121.

Weiterführende Artikel (1)

Muskelrelaxanzien, periphere;
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