Somogyi-Effekt

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 20.03.2022

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Synonym(e)

posthypoglykämische Hyperglykämie; Somogyi- Phänomen; Somogyi- Rebound

Erstbeschreiber

Den Somogyi- Effekt beschrieb im Jahre 1959 als Erster der Ungar Michael Somogyi, nach dem dieser auch benannt wurde (Somogyi 1959).

Definition

Unter einem Somogyi- Effekt versteht man eine reaktive Hyperglykämie beim Diabetiker als hormonelle Gegenregulation nach einer nächtlichen Hypoglykämie (Kolossa 2014).

Vorkommen

Der Somogyi- Effekt tritt nur sehr selten auf (Howorka1988). Betroffen sind überwiegend Kinder und Jugendliche mit einer ausgeprägten hormonellen Tagesrhythmik (Hien 2007).

Neben dem Somogyi- Effekt kann bei ein und dem selben Diabetiker an unterschiedlichen Tagen auch das Dawn- Phänomen auftreten (Kolossa 2014).

Ätiologie

Beim Somogyi- Effekt wird durch eine zu hohe abendliche Insulindosis eine nächtliche Hypoglykämie ausgelöst, die dann zu einer reaktiven morgendlichen Hyperglykämie führt (Herold 2020).

Pathophysiologie

Beim Somogyi- Effekt kommt es durch eine Hypoglykämie im Rahmen einer hormonellen Gegenreaktion zu einem Blutzuckeranstieg und damit außerdem zu einer Insulinresistenz (Mehnert 2003).

Klinisches Bild

Die nächtlichen Hypoglykämien können Albträume und Nachtschweiß verursachen.

Bei Kindern verlaufen allerdings nächtliche Hypoglykämien in bis zu 20 % der Fälle völlig asymptomatisch (Hien 2007).

Man kann einen Somogyi- Effekt vermuten, wenn neben der morgendlichen Hyperglykämie auch noch Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit (Reinhardt 2004) und nächtliches Schwitzen bestehen (Wehling 2006).

 

 

 

Diagnostik

Die Diagnostik erfolgt durch mehrere nächtliche BZ- Kontrollen, eine Nüchtern- BZ- Kontrolle und Urinstix auf Ketone (Hien 2007).

Bei morgendlichen Hyperglykämien, die durch den Somogyi- Effekt ausgelöst werden, sollten diese Kontrollen zwischen 3 – 4 h erfolgen (Herold 2020), da zwischen 0.00 Uhr bis 3.00 Uhr die größte Insulinwirksamkeit vorliegt (Hien 2007).

Beim Somogyi- Effekt kann der BZ nachts niedrig und morgens hoch sein (Reinhardt 2004), viel häufiger ist der BZ aber morgens ebenfalls niedrig oder normal. In diesen Fällen steigt der BZ erst postprandial an, obwohl sie die vorgeschriebenen BE verzehrt und die erforderliche Insulindosis eingehalten wurde (Hien 2007). 

Der positive Urinstix auf Ketone spricht für eine nächtliche Hypoglykämie (Hien 2007).

 

CGM

Der Somogyi- Effekt kann ein Dawn- Phänomen maskieren. Zur Differenzierung sollte die kontinuierliche Gewebezuckermessung (CGM) eingesetzt werden (Kolossa 2014). 

Labor

Typisch für die nächtliche Hypoglykämie ist ein positiver Nachweis von Ketonen im (glukosefreien) Morgenurin (Hien 2007).

Differentialdiagnose

- Dawn- Phänomen (Herold 2020)

Therapie

Patienten, bei denen bereits nächtliche Hypoglykämien aufgetreten sind, sollten vor dem Schlafengehen keinen BZ < 120 mg / dl haben. Falls das doch der Fall ist, wird dem Patienten empfohlen, 2 – 3 BE zu sich zu nehmen. Zur Vermeidungweiterer Vorkommnisse in dieser Art, ist die abendliche Insulindosis zu verringern (Herold 2020). 

Hien (2007) empfiehlt die Reduktion der abendlichen NPH- Dosis oder die Umstellung auf ein Analoginsulin, welches nicht den NPH- typischen nächtlichen Wirkgipfel zeigt. 

Prognose

In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass die abendliche Insulindosis für die Dawn- Phase nicht mehr ausreichend ist. Dann empfiehlt es sich, die Dosis der NPH- Spätinjektion zu belassen und kurz vor dem Schlafengehen lang wirksame, resorptionsverzögerte Kohlenhydrate wie z. B. Vollkornbrot mit Butter, Vollkornkekse mit Quark, Kräcker mit Käse zu sich zu nehmen (Hien 2007).

 

 

Hinweis(e)

Neueste Studien, die an der Washington University School of Medicine durchgeführt wurden, deuten darauf hin, dass Diabetiker mit nächtlichen Hypoglykämien morgens eine Hypo- und nicht  eine Hyperglykämie aufweisen. 

Nächtliche Hypoglykämien führen nicht zu einer Hyperglykämie am Folgetag. Es wurde keine Korrelation zwischen erhöhten Glukosespiegeln und gegenregulierenden Hormonen wie z. B. Adrenalin, Cortisol, Glukagon und Wachstumshormonen gefunden.

Damit wäre der Somogyi- Effekt widerlegt (Reyhanoglu 2021).

 

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag  738
  2. Hien et al. (2007) Diabetes- Handbuch: Eine Anleitung für Praxis und Klinik. Springer Verlag Heidelberg 167 - 168
  3. Howorka K (1988) Funktionelle, nahe- normoglykämische Insulinsubstitution. Springer Verlag Heidelberg 105 - 106
  4. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 2412
  5. Kolossa R (2014) Insulinpumpentherapie. Diabetologe (10) 472 – 476. DOI 10.1007/s11428-013-1148-6 
  6. Mehnert H et al. (2003) Diabetologie in Klinik und Praxis. Georg Thieme Verlag Stuttgart 327

  7. Reinhardt D (2004) Therapie der Krankheiten im Kindes- und Jugendalter. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 94, 153
  8. Reyhanoglu G et al. (2021) Somogyi Phenomenon. StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing. PMID: 31855369, Bookshelf ID: NBK551525
  9. Somogyi M (1959) Exacerbation of diabetes by excess insulin action. The American Journal of Medicine 26 (2) 169 – 191
  10. Wehling M et al. (2006) Klinische Pharmakologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 273, 275
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