Reanimation
Synonym(e)
Erstbeschreiber/Historie
- Beatmung:
Im 19. Jahrhundert wurden wenig effektive Maßnahmen zur indirekten Beatmung durch Thoraxkompressionen wie z. B. die Armbewegungen nach Sylvester angewandt, die teilweise noch bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts gelehrt wurden (Ziegenfuß 2007).
Der österreichische Mediziner Peter Safar entwickelte zusammen mit D G Greene in den 1950er Jahren die Technik der modernen respiratorischen Reanimation (Litzberski 2025).
- Herzmassage:
Böhm wandte 1874 erstmals eine äußere Herzmassage bei Vergiftungen mit Chloroform an und König führte sie 1892 mit Erfolg in Göttingen durch. Anschließend geriet sie jedoch in Vergessenheit (Düben 1972).
Erst im Jahre 1960 wurde durch Kouwenhoven, Jude und Knickerbocker die externe kardiopulmonale Reanimation durch Thoraxkompressionen veröffentlicht. Sie stellte einen Meilenstein in der modernen Medizin dar (Scholz 2017).
Die Kombination aus Beatmung und Herzmassage wurde erstmals 1961 von P. Safar empfohlen (Ziegenfuß 2007),
Im Jahre 1972 veröffentlichte der Europäische Rat für Wiederbelebung (ERC) erstmals evidenzbasierte europäische Leitlinien zur Prävention und Behandlung von Kreislaufstillstand und lebensbedrohlichen Notfällen. Die letzte Änderung stammt aus dem Jahre 2025 (Leitlinien 2025).
Definition
Unter einer Reanimation versteht man den Versuch der Wiederbelebung eines Patienten, der an einem Kreislauf- und / oder Atemstillstand leidet (Antwerpes 2025).
Einteilung
Man differenziert bei der Reanimation zwischen „Basic Life Support“ (BLS) und „Advanced Life Support“ (ALS). Näheres s. unter „Allgemeine Informationen“ (Antwerpes 2025).
Allgemeine Information
- Basismaßnahmen (Basic Life Support = BLS):
BLS können von jedem Laien als auch von Notfallsanitätern und Notärzten durchgeführt werden (Antwerpes 2025).
Kommt es in einem öffentlichen Raum zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand, so sollte ohne eindeutige Patientenverfügung bzw. ohne klare medizinische Ausschlusskriterien IMMER eine Reanimation eingeleitet werden. Im Krankenhaus hingegen können mögliche Szenarien zuvor besprochen werden (Zumbrunn 2025).
Die CRP sollte mindestens 30 min lang erfolgen, bei Hypothermie durch Unfälle sogar bis zu einer Stunde (Herold 2025).
Nach Erkennen eines Kreislaufstillstandes sollten sowohl Rettungsdienst als auch ein Notarzt verständigt werden (Herold 2025).
Die Basismaßnahmen einer CPR bestehen aus:
- C = Chest compression
- A = Airway
- B = Breathing (Herold 2025)
Zu den BLS zählen:
- Feststellen des Bewusstseinsgrades:
Lautes Ansprechen, Rütteln des Körpers, Reiben der Fingerknöchel einer geballten Faust über dem Sternum (Pelz 2016).
- Kontrolle der Atmung:
Eine eventuell noch vorhandene Schnappatmung sollte nicht als suffiziente Atmung fehlinterpretiert werden. Allerdings kann die Atemkontrolle selbst für Geübte schwierig sein, deshalb sollte mit einer Reanimation bereits bei Vorliegen von Pulslosigkeit begonnen werden (Schwab 2015).
- Herzdruckmassage:
Zuerst sollte mit der Herzdruckmassage (HDM) auf einem möglichst harten Untergrund begonnen werden. Dabei wird die untere Hälfte des Sternums mit einer Kompressionstiefe von ca. 5 – 6 cm eingedrückt, die Frequenz sollte zwischen 100 – 200 / min liegen (Herold 2025).
Die Thoraxkompression kann auch maschinell erfolgen, wobei die Kompressionstiefe des Stempels eingestellt werden kann (Ziegenfuß 2007).
- Beatmung:
Für die Mund-zu-Mund-Beatmung sollte der Kopf des Patienten überstreckt werden und das Kinn angehoben werden. Die Nasenöffnung ist mit den Fingern zu verschließen. Anschließend wird ca. 1 sec lang in die Lunge des Patienten so stark ausgeatmet, dass sich der Brustkorb sichtbar hebt (Ziegenfuß 2007).
Für eine endotracheale Intubation sollte die Pause der Herzdruckmassage < 5 sek angestrebt werden (Herold 2025).
Die anschließende Frequenz HDM: Beatmung sollte bei Erwachsenen bei 30 : 2 liegen, wobei es zu keiner Pause der Herzdruckmassage während der Beatmung kommen sollte (Herold 2025). Bei Kindern liegt die Frequenz bei 15:2 und bei Säuglingen bei 3:1 (Secchi 2009)).
Die Helfer sind möglichst alle 2 min auszutauschen (Herold 2025).
Sollte eine Mund-zu-Mund-Beatmung aus psychologischen oder infektionspräventiven Gründen abgelehnt werden, so ist eine ausschließliche Herzdruckmassage erlaubt (Herold 2025).
Während der AED-Herzrhythmus-Analyse sollte der Patient nicht berührt werden (Herold 2025)
- Erweiterte Maßnahmen nach EKG-Analyse (Advanced Life Support = ALS)
Hierbei differenziert man zwischen
- a. pulsloser Kammertachykardie, Kammerflimmern oder Kammerflattern und
- b. Asystolie und elektromechanischer Dissoziation
a. Pulslose Kammertachykardie, Kammerflimmern oder Kammerflattern:
- Sofortige Defibrillation auf höchster Energiestufe erforderlich
- Falls diese erfolglos ist, sollte immer wieder derselbe Kreislauf erfolgen von CPR 2 min lang, anschließend eine Defibrillation auf höchster Energiestufe. Falls wieder erfolglos, kann ggf. eine alternative Patch-Position erwogen werden.
- Venenzugang legen ohne Unterbrechung der HDM. Falls ein Venenzugang nicht durchgeführt werden kann, ist ein intraossärer Zugang zu schaffen.
- Falls immer noch nicht ein defibrillierbarer Rhythmus erreicht werden kann, sollten max. 1 mg Adrenalin (Adrenalin 10 µg /kg [Leitlinien 2025]) plus 9 mg NaCl i. v. verabreicht werden.
- Bei defibrillierbarem Rhythmus sollte nach der 3. Defibrillation 1 mg Adrenalin i. v. gegeben werden. Diese Therapie sollte alle 3 – 5 min wiederholt werden. Bei intraossärem Zugang ist zusätzlich ein Nachspülen mit 20 ml isotonischer Lösung erforderlich.
- Falls nach 3 Defibrillationen noch VF bzw. eine polymorphe VT bestehen, sollten max. 300 mg Amiodaron i. v. (Amiodaron 5 mg /kg [Leitlinien 2025]) verabreicht werden. Nach 5 Defibrillation und weiterhin bestehendem VF bzw. polymorphen VT einmalig 150 mg Amiodaron nachinjizieren (Herold 2025). Weitere Medikamente s.a. „Interne Therapie“
- Intubation und Beatmung: Sofern die Unterbrechung der HDM nicht länger als 5 sec dauert, kann der Patient frühzeitig intubiert werden. Alternativ zur Intubation kann auch eine supraglottische Atemhilfe verwendet werden (Herold 2025)
- Die Messung von CO2 in der Ausatemluft, die sog. Kapnografie empfiehlt sich, um die richtige Lage des Endotrachealtubus zu kontrollieren. Die Beatmungsfrequenz sollte bei 10/min liegen.
- Die Reanimation selbst wird unter hohen Sauerstoffanteil durchgeführt. Nach erfolgreicher Reanimation sollten die SpO2-Werte auf die Normalwerte zwischen 94-96 % begrenzt werden. Eine Hyperoxämie ist nach Rückkehr einer spontanen Zirkulation unbedingt zu vermeiden (Herold 2025).
- Die Blutglukose sollte ebenfalls regelmäßig überwacht und im Normbereich gehalten werden. Eine Hypoglykämie ist unbedingt zu vermeiden (Herold 2025).
b. Asystolie und elektromechanischer Dissoziation:
- CPR 2 min und anschließende Gabe von 1 mg Adrenalin alle 3 – 5 min i. v. (wie bei Kammerflimmern).
- Falls dies erfolglos bleibt, sollte eine transthorakale Elektrostimulation als Schrittmachertherapie eingesetzt werden.
- 50 mmol Natriumbikarbonat sollte verabreicht werden bei einem Kreislaufstillstand durch Hyperkaliämie oder bei Überdosierung trizyklischer Antidepressiva
- Der Einsatz von Thrombolytika ist bei dringendem V. a. eine Lungenembolie zu überlegen. Anschließend ist die CPR fortzusetzen.
- Sollte die Ursache des Kreislaufstillstandes ein Myokardinfarkt /akutes Koronarsyndrom (ACS) sein, so empfiehlt sich die zeitnahe perkutane Koronarintervention (Herold 2025)
Beendigung der Reanimation
Die Reanimationsmaßnahmen sollten mindestens 30 min lang fortgesetzt werden, bei Hypothermie sogar > 1 Stunde (Herold 2025). Bei V. a. eine Embolie wird sogar eine Reanimationsdauer von 60 – 90 min empfohlen (Schwab 2015).
Bei Kenntnis einer infausten Grunderkrankung kann ein vorzeitiger Abbruch sinnvoll sein (Schwab 2015).
Bei Kammerflimmern und pulsloser ventrikulärer Tachykardie sollte eine einmal begonnene Reanimation so lange fortgesetzt werden, wie auch dieser Rhythmus besteht. Falls der Rhythmus in eine Asystolie oder pulslose elektrische Aktivität (PEA) degenerieren sollte, ist das als schlechtes Zeichen zu werten. Die Pupillenweite bzw. Pupillenreaktion hingegen haben – gegenüber früheren Behauptungen – keine prognostische Bedeutung (Schwab 2015).
Postreanimationsbehandlung
Nach erfolgreicher Reanimation sollten folgende Zielgrößen angestrebt werden:
▪ SaO2 94–98%
▪ PaO2 10–13 kPa
▪ etCO2 (endtidales CO2) 4,7–6,0 kPa
▪ MAP (mittlerer arterieller Blutdruck) 60–65 mmHg
▪ Temperatur ≤ 37,5 °C (Leitlinien 2025)
Vorkommen
In Europa erleiden ca. 84 von 100.000 Menschen jährlich einen Herz-Kreislaufstillstand (Zumbrunn 2025). In der westlichen Welt stellt ein Herz-Kreislauftod die häufigste Todesursache dar und ist in ca. 55% der Fälle die Erstmanifestation einer bis dahin nicht erkannten Herzerkrankung (Herold 2025).
Das Durchschnittsalter der Patienten liegt bei 67 Jahre (plus/minus 17 Jahre), von denen ca. 65 % männlich sind (Herold 2025).
Ätiologie
Die Ursachen, die zu einer Reanimation führen, sind vielfältig. Dazu zählen insbesondere:
- Kardiovaskuläre Ursachen bei ca. 60 %
- Unbekannte Ursachen bei 15 %
- Respiratorische Ursachen bei 14 %
- Trauma bei 3 %
- Lungenarterienembolie zwischen 2 – 5 %
- Seltene Ursachen wie z. B. Elektrolytstörungen, Spannungspneumothorax, Aortendissektion, akute Blutungen (Girndt 2022)
Klinik
Patienten mit plötzlichem Bewusstseinsverlust und auffälligem Atemmuster sollten umgehend reanimiert werden (Girndt 2022).
Komplikation(en)
Zu den Komplikationen durch die Reanimationsmaßnahmen zählen:
- Rippenfrakturen mit Verletzungen von Lunge und / oder Herz
- Sternumfraktur
- Leberverletzung
- Milzverletzung
- Aorten / bzw. Herzruptur
- Perikarderguss
- Magenüberblähung (Herold 2025)
- Pneumothorax
- Magenruptur (Secchi 2009)
Interne Therapie
Als Notfallmedikamente bei einer Reanimation gelten:
- Adrenalin: 1 mg alle 3 – 5 min i. v. oder intraossär
- Amiodaron: einmalig 300 mg i. v., bei Wiederholung 150 mg i. v., nachfolgend Dauerinfusion mit 900 mg / 24 h
- Lidocain: 1,0 – 1,5 mg / kg KG i. v., maximale Dosierung 3 mg / kg KG
- Magnesium: 2 g 50%ige Magnesiumsulfatlösung i. v. bei Hypomagnesiämie, Intoxikation mit Digitalis und Torsade-de-pointes-Tachykardien
- Natriumbikarbonat: 50 ml Natriumbikarbonat 8,4% nur bei länger andauernder Reanimation, wenn der pH< 7,1 fällt und BE < -10 mmol/l
- Calcium: 2 – 4 mg / kg KG i.v. bei Hypokalzämie, Hypokaliämie bzw. einer Intoxikation mit Calciumantagonisten
- Thrombolytika wie z. B. Urokinase bei V. a. Lungenembolie für 60 – 90 min unter Fortführung der CPR
- Lipidemulsion 20 %: bei Intoxikation durch Lokalanästhetika 1,5 ml / kg KG als Bolus, anschließend 0,1 ml / kg KG / min über einen Zeitraum von 30 min oder aber 0,5 ml / kg KG / min über einen Zeitraum von 30 min (Schwab 2015)
Prognose
Durch Rettungsdienste werden in Deutschland pro Jahr ca. 55.000 Reanimationsversuche gestartet. Von ihnen versterben jedoch noch kurz vor oder nach Erreichen des Krankenhauses 74,3%. Aber auch nach Erreichen des Krankenhauses bleibt die Prognose ernst, da das 1-Jahresüberleben bei lediglich 7,7% weltweit liegt (Zumbrunn 2025).
Die Erfolgsaussichten einer Reanimation nach primärem Kreislaufstillstand sind deutlich besser als nach sekundärem Kreislaufstillstand, da beim sekundären Kreislaufstillstand die Organe meistens bereits schwer hypoxisch sind (Secchi 2009).
Falls die Defibrillation unmittelbar nach Beginn eines Kammerflimmerns einsetzt (z. B. auf der Intensivstation), kann diese bei bis zu 95% zum Erfolg führen. Pro Minute, die sich die Defibrillation verzögert, verringern sich die Überlebenschancen um 10 % (Herold 2025).
Innerhalb eines Krankenhauses (IHCA) überleben zwischen 15-34% der Betroffenen einen Herz-Kreislauf-Stillstand, außerhalb (OHCA) nur rund 10%. Bei den Überlebenden finden sich unter den IHCA ca. 22,9 %, die letztlich an schweren neurologischen Schädigungen versterben und ca. 67,7 % der OHAC-Gruppe. Bei Patienten, die das erste Jahr nach einem solchen Zwischenfall überleben, zeigt sich bei bis zu 83,3% ein gutes neurologisches Ergebnis (Zumbrunn 2025).
Hinweis(e)
Bei den OHCA-Fällen unter 50 Jahren wurde bei bis zu 25 % eine klinisch relevante pathogene Variante in einem Gen identifiziert, das wahrscheinlich mit dem plötzlichen Kreislaufstillstand in Zusammenhang steht (Leitlinien 2025).
Literatur
- Antwerpes F, Dodegge M, Pientka J, Groß L, Schuckel S, Schipper J, Reh F, Lößl S, Andrieu G, Dittmann M (2025) Reanimation. DocCheckFlexikon doi: https://flexikon.doccheck.com/de/Reanimation
- Dirks B (2025) Deutscher Taz für Wiederbelebung: Reanimation 2025: Leitlinien kompakt
- Düben W (1972) Äußere Herzmassage. In: Heim, Der Arzt am Unfallort. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 42
- Girndt M, Michl P (2022) Innere hoch2. Elsevier Urban und Fischer Verlag 936-938
- Herold G et al. (2025) Innere Medizin. Herold Verlag 295-297
- Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1764-1770
- Leitlinien (2025) Die Empfehlungen der ERC-Leitlinien zur Reanimation 2025. Doi: https://www.grc-org.de/files/Contentpages/document/251125_TB_Reanimation.pdf
- Litzberski E, Hofmann W (2025). Der kleine Samariter: Erste Hilfe vor 100 Jahren. Google books 57. Doi: https://books.google.de/books?id=mGeDEQAAQBAJ&pg=PA57&dq=peter+safar+atemspende&hl=de&newbks=1&newbks_redir=0&sa=X&ved=2ahUKEwjfhM7b06SRAxWaR_4FHdutEV0Q6AF6BAgHEAM#v=onepage&q=peter%20safar%20atemspende&f=false
- Pelz J, Michalski D (2016) Notfallmedizin up2date. Georg Thieme Verlag Stuttgart 11 (03) 215-220
- Scholz K H, Böttinger B W (2017) Cardiac-Arrest-Zentren: Verbesserung der Überlebensrate nach prähospitalem Kreislaufstillstand. Notfall und Rettungsmedizin. https://www.springermedizin.de/kardiopulmonale-reanimation/kreislaufstillstand/cardiac-arrest-zentren/12233518
- Schwab S, Schellinger P, Werner C, Unterberg A, Hacke W (2015) Neurointensiv. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 316 – 329
- Secchi A, Ziegenfuß T (2009)) Checkliste Notfallmedizin. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 97 - 106
- Ziegenfuß T (2007) Notfallmedizin. Springer Medizin Verlag Heidelberg 153 - 182
- Zumbrunn S K, Blatter R, Bissmann B, Amacher S A, Sutter R, Hunziker S (2025) Prognose nach Herz-Kreislauf-Stillstand: Evidenz zum kurz- und langfristigen Verlauf. Dtsch Arztebl Int 122 173-179