Nach einem Klappenersatz treten bei ca. 50 % aller Patienten innerhalb der ersten 10 Jahre Komplikationen auf. Dabei differenzieren wir zwischen Früh- und Spätkomplikationen.
Zu den frühen Komplikationen gehören:
- Infektionen
- Prothesenendokarditis (tritt bei 7 – 15 % der Fälle innerhalb der ersten 15 Jahre auf; hat eine sehr schlechte Prognose und eine hohe Mortalität [Pinger 2019])
- Blutungen
- Rhythmusstörungen
- Herzinsuffizienz
- perioperatives Versagen von Lunge, Nieren, Leber oder Multiorganversagen
(Herold 2018)
Zu den späten Komplikationen gehören:
- Thromboembolien
- Prothesenendokarditis
- Blutungen unter Antikoagulation
- Komplikationen der Prothesen:
- Einrisse in der Ummantelung bei Klappenkäfigen
- bestehende Disproportion von Klappe zu Körpergröße (auch als patient/ prosthesis mismatch = PPM bezeichnet)
- Ausriss von Prothesenflügeln
- Defekte der Kugelprothesen
- Herzinsuffizienz im späteren Verlauf durch:
- Klappendysfunktion
- auftretende Hypertonie und / oder KHK
- bereits präoperativ bestandene Myokardschädigung (der präoperativ bestandene Zustand des linken Ventrikels bestimmt im wesentlichen die Langzeitprognose, insbesondere bei zuvor bestandener Klappeninsuffizienz)
(Herold 2018)
Ursachen einer Protheseninsuffizienz können sein:
- mechanische Dysfunktion (sehr selten, z. B. durch Bügelbruch)
- Schlussunfähigkeit (durch Thrombose, Vegetation, Pannus etc.)
- paravalvuläres Leck / periprothetische Dehiszenz (z. B. durch Endokarditis, Nahtinsuffizienz etc.)
- Degeneration der Klappe (bei Bioprothesen)
(Pinger 2019)
Ursachen einer Prothesenstenose können sein:
- mechanische Dysfunktion (sehr selten auftretend)
- degenerative Veränderungen (bei Bioprothesen)
- Stenosierung durch Thrombus, Pannus, endokarditische Vegetation
(Pinger 2019)
Spezifische Probleme nach Klappenersatz:
1. Kunst- Klappenthromben
Die Inzidenz der Klappenthromben liegt unter Koagulation für
- die Aortenklappenprothese bei 0,9 – 1,2 Ereignisse / 1.000 Patientenjahre
- die Mitralklappe bei 2,1 – 3,4 Ereignisse / 1.000 Patientenjahre
(Pinger 2019)
- am häufigsten jedoch bei Prothesen der Trikuspidalklappe (genaue Zahlenangaben liegen nicht vor; Patienten mit Trikuspidalstenose erhalten wegen der Gefahr der Thrombosen fast ausschließlich biologische Klappen)
- die Häufigkeit ist abhängig vom Prothesentyp, tritt nur selten bei der St. Jude Medical auf
(Herold 2018)
Als Folge der Klappenthrombosen können sich eine Klappeninsuffizienz und / oder Stenose mit kardialer Dekompensation entwickeln (Pinger 2019).
Klinische Symptome:
Es findet sich eine Verschlechterung des klinischen Zustandes, Zeichen einer akuten Herzinsuffizienz können auftreten, plötzliche Herzrhythmusstörungen sind möglich oder es kommt zu Embolien.
Therapie:
Umgehende Re- Operation; eventuell ist eine Lyse- Therapie erforderlich
(Herold 2018)
Bei einer Untersuchung von 110 Patienten erbrachte die Lyse einen Erfolg in 71 % der Fälle. Die Mortalität lag bei 12 % (sowohl durch Therapieversagen als auch durch Therapiekomplikationen [Pinger 2019].
Laut Experten- Empfehlung von Huang aus dem Jahre 2013, die 662 operierte und 756 lysierte Patienten umfasste, sollte bei rechtsseitigen Thromben die Thrombolyse die Therapie der ersten Wahl sein. Eine Operation empfiehlt er nur dann, wenn die Lyse erfolglos war.
Bei linksseitigen Thromben hält Huang die Lyse für die Therapie der ersten Wahl bei Patienten
- mit absoluter Kontraindikation für eine operative Maßnahme
- mit NYHA I / II
- mit Komorbiditäten, die ein hohes Op- Risiko haben
- Patienten, die die Operation ablehnen
- mit nur kleinem Thrombus (< 0,8 cm² ) und ohne apoplektischen Insult in der Vorgeschichte
Die chirurgische Behandlung wiederum ist bei folgenden Patienten die erste Wahl bei Patienten:
- bei denen ohnehin ein Austausch der Klappenprothese notwendig ist
- mit beeinträchtigter Durchblutung der Koronarien
- mit Kontraindikation für die Lyse- Therapie
- sofern Pannus- Bildung wesentlich zur Obstruktion beiträgt
- nach erfolglos durchgeführter Lyse
Die operative Maßnahme sollte initial bevorzugt bei Patienten erfolgen mit:
- mit NYHA III / IV
- Thrombusgröße > 0,8 cm²
(Huang 2013)
2. Thromboembolien
Thromboembolien treten bevorzugt bei Verwendung mechanischer Klappenprothesen auf und dann überwiegend bei denen in Mitralposition, seltener in Aortenposition. Die Inzidenz liegt bei 2 % – 3 % pro Patientenjahr. Bei Homograftklappen treten Thromboembolien selten auf.
Klinische Symptome:
Je nach betroffenem Gefäßgebiet (z. B. Gehirn, Extremitäten, Intestinalgefäße) findet sich eine Ischämie mit entsprechender Symptomatik
(Herold 2018)
Prophylaxe:
Die ACC / AHA 2014 empfiehlt eine orale Koagulation mit Vit. K- Antagonisten
Empfehlungsgrad I:
- bei mechanischem Aortenklappenersatz (sowohl Doppelflügelprothese als auch moderne Kippscheibenprothese) ohne Risiken für Embolien: orale Antikoagulation mit dem INR- Zielwert 2,5
- bei mechanischem Aortenklappenersatz mit bestehenden Risiken für Embolien (z. B. Atrial fibrillation, linksventrikuläre Dysfunktion, Z. n. Thromboembolie, Hyperkoagulabilität) oder bei Vorhandensein eines älteren mechanischen Aortenklappenersatzes (z. B. Kugel- Käfig Prothese): orale Antikoagulation mit dem INR- Zielwert 3,0
- bei mechanischem Mitralklappenersatz: orale Antikoagulation mit dem INR- Zielwert 3,0
Empfehlungsgrad IIa:
- bei biologischem Mitralklappenersatz oder Rekonstruktion der Mitralklappe:
für die ersten 3 Monate postoperativ orale Antikoagulation mit dem INR- Zielwert 2,5
Empfehlungsgrad IIb:
- Patienten mit Bioprothese als Aortenklappenersatz sollten für die ersten 3 Monate postoperativ eine orale Antikoagulation mit dem INR- Zielwert 2,5 erhalten
Orale Koagulation mit 100 mg ASS / d:
Empfehlungsgrad I:
- Zusätzlich zur oralen Antikoagulation mit Vit. K- Antagonisten sollten ALLE Patienten mit mechanischer Prothese ASS erhalten
Empfehlungsgrad IIa:
- alle Patienten mit Bioprothese als Aortenklappenersatz oder Mitralklappenersatz sollten eine ASS- Dauertherapie erhalten
Empfehlungsgrad IIb:
- Patienten mit TAVI (transcatether aorticvalve implantation) sollten eine ASS- Dauertherapie erhalten und außerdem Clopidogrel in den ersten 6 Monaten postoperativ;
Dosierungsempfehlung s.u.
(Pinger 2019)
Direkte Antikoagulanzien wie z. B. Apixaban, Edoxaban, Dibagratan, Rivaroxaban sind zur Antikoagulation kontraindiziert bei Patienten mit Kunstklappen (Herold 2018).
3. Prothesenendokarditis
Zu einer Prothesenendokarditis kommt es bevorzugt sowohl bei mechanischem und auch bei biologischem Ersatzklappen. Lediglich bei Homograftklappen findet sie sich seltener.
Das Risiko einer Prothesenendokarditis liegt bei ca. 7 – 15 % in 15 Jahren. Die Prognose ist immer sehr ernst, die Mortalität hoch (Pinger 2019)
Man differenziert zwischen einer Früh- und einer Spätendokarditis.
Die Frühendokarditis tritt innerhalb des ersten postoperativen Jahres auf und reflektiert im allgemeinen eine perioperative Kontamination . Als Erreger finden sich meistens Staphylokokken und gramnegative Erreger. Nur selten sind Pilze der Auslöser (Herold 2018).
Die Spätendokarditis tritt erst im zweiten postoperativen Jahr auf. Die Erreger sind identisch mit den Erregern, die auch an nativen Herzklappen eine Endokarditis auslösen können wie z. B. Streptococcus aureus, Streptococcus viridans, Staphylococcus epidermidis, Enterokokken etc. (Herold 2018).
Klinische Symptome:
- Fieber
- bislang nicht vorhandene Klappengeräusche
- geänderte Öffnungs- oder Schlusstöne
(Herold 2018)
Diagnostik:
- transösophageale Echokardiographie
- es sollte umgehend (vor Beginn der Antibiose) eine Blutkultur entnommen werden
(Herold 2018)
Therapie:
Es empfiehlt sich, mit einer Höchstdosis-Kombinationstherapie synergistisch und additiv wirkender Antibiotika zu beginnen . Die Behandlungsdauer sollte 6 Wochen nicht unterschreiten (Suttrop 2004)
Prophylaxe:
Um die späte Prothesenendokarditis zu verhindern, sollten Hochrisikopatienten (zu ihnen zählen alle Patienten mit künstlichen Herzklappen) bei Eingriffen, die zu einer Bakteriämie führen, eine Antibiose erhalten. Dosierungsvorschlag:
- eine Antibiotikaprophylaxe 30 – 60 min vor dem Eingriff als Einzeldosis zu verabreichen;
- sofern eine orale Gabe möglich ist, können Amoxicillin oder Ampicillin 2 g p. o. verabreicht werden
- falls eine orale Gabe nicht möglich ist, empfiehlt sich Ampicillin oder Cefalexin 2 g i.v.
- bei Ampicillin- oder Penicillinallergie sollte oral Clindamycin 600 mg gegeben werden
- bei notwendiger i.v. - Gabe Clindamycin 600 mg i.v.
(Herold 2018)
Näheres s. Endokarditisprophylaxe
4. Paravalvuläre Lecks
Paravalvuläre Lecks treten in der frühen postoperativen Phase bevorzugt an Klappen auf, die in stark kalzifizierte Klappenringe eingenäht wurden. In einer späteren Phase treten sie meistens im Rahmen einer Endokarditis auf(Herold 2018).
Nach einem Aortenklappenersatz findet man sie in ca. 2 % – 10 % und nach einer Mitralklappenprothese in 7 % - 17 % (Pinger 2019).
Ein paravalvuläres Leck führt im Verlauf zu einer Hämolyse und zur Regurgitation (Pinger 2019).
Klinische Symptome:
Die meisten Patienten bleiben asymptomatisch. Nur in ca. 1 % - 5 % finden sich klinische Auswirkungen der schweren hämolytischen Anämie oder Zeichen einer Herzinsuffizienz auf Grund der Volumenbelastung (Pinger 2019).
Diagnostik;
Bei der Auskultation finden sich Refluxgeräusche an der betroffenen Klappe. Laborchemisch liegen Hinweise auf eine Hämolyse vor (LDH, Haptoglobin, Retikulozytose). In der Echokardiographie kann eine proximale Konvergenzzone vorhanden sein.
(Pinger 2019)
Therapie:
Die Standardtherapie bestand in einer Re- Operation. Dabei werden – je nach Ausmaß des Lecks - eine direkte Naht oder eine Patch- Plastik angewandt. Die 30- Tage major adverse cardiatic events (MACE) liegen bei 8,7 %.
Zunehmend finden aber auch perkutane kathetergestützte Verschlusssysteme Verwendung. Hierbei liegt die Mortalität mit 1,4 % - 2 % niedriger als bei dem bisherigen chirurgischen Vorgehen. Langzeitdaten fehlen derzeit noch.
(Pinger 2019)
5. Hämolyse
Eine mechanisch bedingte Hämolyse tritt bevorzugt bei älteren Klappenmodellen auf. Sie ist bei ansonsten gut funktionierenden Klappenprothesen unbedeutend und äußert sich lediglich durch einen geringen Anstieg von LDH (Herold2018).
Die Ursache einer Hämolyse sind hohe Strömungsgeschwindigkeiten und abnorme Scherkräfte. Man differenziert zwischen einer leichten Hämolyse (LDH 220 – 400 U/l). Sie kann auch bei einer intakten Klappe auftreten.
Bei der mittelgradigen Hämolyse findet sich ein LDH- Anstieg von 400 – 800 U/l.
Ab einem LDH > 400 U/l sollte eine Dysfunktion, wie z. B. (Thrombose, Dehiszenz etc.) ausgeschlossen werden.
(Pinger 2019)
Sobald es zu Klappenfunktionsstörungen kommt, nimmt die Hämolyse zu und laborchemisch sind nachweisbar:
- deutliche LDH- Erhöhung
- HBDH erhöht
- Abfall des Haptoglobins (ist bei starker Hämolyse gar nicht mehr messbar)
- Hämopexin kann abfallen (kommt i. d. R. aber nur bei schwerer Hämolyse vor)
- Retikulozyten sind erhöht
- indirektes Bilirubin ebenfalls erhöht
- Nachweis einer Fragmentozytose
- Hb- Wert normal oder erniedrigt (so lange der Hb- Wert normal ist, handelt es sich um eine kompensierte Hämolyse. Erst bei Verminderung des Hb- Wertes spricht man von einer dekompensierten Hämolyse, die auch als hämolytische Anämie bezeichnet wird)
(Herold 2018
Diagnostik:
- echokardiographisch sollte der Ausschluss einer Prothesenfehlfunktion erfolgen (Herold 2018)
Therapie:
Die Therapie richtet sich nach der Ursache der Hämolyse.
Konservativ können eingesetzt werden:
- Betablocker (mindern die Strömungsgeschwindigkeit)
- Substitution von Eisen
- Gabe von Erythropoetin
(Pinger 2019)
Bei einer starken Hämolyse kann eine operative Revision u. U. erforderlich sein. Mit einem Euroscore- Rechner kann im Internet die postoperative Frühmortalität abgeschätzt werden.
(Herold 2018)