Glomeruläre Filtrationsrate

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 02.07.2023

This article in english

Definition

Unter der glomerulären Filtrationsrate (GFR) versteht man die Menge an Primärharn, die durch die glomeruläre Filtration pro Zeit gebildet wird (Herold 2022). Die GFR liegt normalerweise bei 120 ml/ min / 1,73 m² Körperoberfläche bzw. bei ca. 180 l / d (Silbernagl 2003).

Allgemeine Information

In der medizinischen Versorgung ist die Bewertung der glomerulären Filtrationsrate sehr wichtig (Musso 2016). Die Messung selbst wird jedoch auf Grund der Komplexität nur selten durchgeführt (Ferguson 2015). Außerdem stellt die GFR eine dynamische Größe dar, die sich nahezu augenblicklich durch z. B. Stressreaktionen verändern kann (Solomon 2017).

Zur exakten Messung der GFR wird Inulin, eine Indikatorsubstanz (Silbrenagl 2003), verwendet. Die Formel lautet:

GFR = UIN x VU / PIN ml / min

UIN = Urinkonzentration von Inulin

VU = Urinzeitvolumen

PIN = Plasmakonzentration des Inulins (Emminger 2005).

 

Über Jahrzehnte wurden deshalb enorme Anstrengungen unternommen, um möglichst genaue Gleichungen zur Schätzung der Nierenfunktion zu entwickeln wie z. B. die

 

- CKD- EPI- Gleichung (Chronic Kidney Disease Epidemiology Collaboration)

Bei dieser Formel werden berücksichtigt: Kreatinin im Serum, Gewicht, Größe und Alter des Patienten. Diese Gleichung hat sich zur Schätzung der eGFR inzwischen durchgesetzt.

Link zum eGFR- Rechner: https://nierenrechner.de/ (Weckmann 2019).

 

- MDRD- Gleichung

Diese Gleichung ist etwas weniger präzise als die CKD- EPI- Gleichung, wird aber dennoch laut Leitlinie empfohlen.

Hierbei spielen Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Größe, Gewicht, Kreatinin, Harnstoff, Eiweiß und Albumin im Serum und Harnstoff im Urin eine Rolle.

Link zum eGFR- Wert- Rechner: https://nierenrechner.de/index.php?page=egfr-mdrd (Weckmann 2019)

 

- EKFC ( European- Kidney Function Consortium)

Die EKFC- Gleichung verwendet zur Bestimmung der GFR entweder Serumkreatinin, Cystatin C oder eine Kombination aus beiden (Schäffner 2023)

- DRA- Gleichung

- Gregori- Macías- Gleichung (Musso 2016)

Weitere frei zugängliche eGFR- Rechner finden sich unter https://www.labor-limbach.de/medizinische-rechner/ (Weckmann 2019).

 

Gestört werden kann die GFR durch:

- prärenale

- renale

- postrenale Ursachen (Renz 2009)

Außerdem besteht eine physiologische Abnahme der GFR um ca. 10 ml / l alle 10 Jahre ab dem 40. Lebensjahr (Renz 2009)

Pathophysiologie

Die Autoregulation der glomerulären Filtration wird durch 3 Hauptfaktoren beeinflusst:

- 1. autonomer vasoreaktiver (myogener) Reflex in der afferenten Arteriole

Dieser wird bei Schwankungen des renalen Blutflusses als erstes aktiv. Durch die reflexartige Konstriktion oder Dilatation der afferenten Arteriole werden die glomerulären Kapillaren vor plötzlichen Veränderungen des systolischen Drucks geschützt (Kasper 2015).

 

- 2. tubuloglomeruläre Rückkoppelung (TGF)

Die TGF verändert durch reflexartige Vasokonstriktion oder Dilatation der afferenten Arteriole sowohl die Filtrationsrate als auch den tubulären Fluss (Kasper 2015).

 

- 3. durch Angiotensin- II

Sobald es zu einer verminderten Nierendurchblutung kommt, wird Renin aus dem juxtaglomerulären Apparat freigesetzt. Das Renin katalysiert die Umwandlung von Angiotensinogen in Angiotensin I. Angiotensin I wiederum wird durch das Enzym ACE in Angiotensin II umgewandelt.

Durch die aus Angiotensin- II vermittelten Vasokonstriktion der efferenten Arteriole kommt es zu einem erhöhten glomerulären hydrostatischen Druck, der die Filtrationsrate auf ein normales Niveau anhebt (Kasper 2015).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Emminger H, Benz C, Brothag A, Diez C, Erens O, Hagemann P, Hanusch B, Höper D, Kia T, Ludwig R, Schaps K P, Seibert- Alves F, Sperling J M, Werthmann A, Wieting J (2005) Physikum EXAKT: Das gesamte Prüfungswissen für die 1. ÄP. Georg Thieme Verlag Stuttgart 563
  2. Ferguson T W, Komenda P, Tangri N (2015) Cystatin C as a biomarker for estimating glomerular filtration rate. Curr Opin Nephrol Hypertens. 24 (3) 295 - 300
  3. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 603
  4. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 332e- 2
  5. Manski D (2019) Das Urologielehrbuch. Dirk Manski Verlag 11
  6. Musso C G, Alvarez- Gregori J, Jauregui J, Macias- Nunez J F (2016) Glomerular filtration rate equations: a comprehensive review. Int Urol Nephrol. 48 (7) 1105 – 1110
  7. Renz H (2009) Praktische Labordiagnostik. Walter de Gruyter Verlag Berlin 246
  8. Schäffner E, Ebert N (2023) Individualisierte Bestimmung der glomerulären Filtrationrate in der klinischen Praxis. Die Nephrologie 18: 138 – 146
  9. Silbernagl S, Despopoulos A (2003) Taschenatlas Physiologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart /New York 152
  10. Weckmann G, Chenot J F, Stracke S (2019) Versorgung von Patienten mit chronischer nicht- dialysepflichtiger Nierenerkrankung in der Hausarztpraxis. S3-Leitlinie, AWMF-Register-Nr. 053-048 DEGAM-Leitlinie Nr. 22 Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) Berlin
     
Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 02.07.2023