Foetor ex ore R19.6

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 30.01.2023

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Synonym(e)

bad breath; Halitosis; Mundgeruch; oral malodur; übler Mundgeruch

Definition

Unter einem Foetor ex ore versteht man einen aus der Mundhöhle abgegebenen unangenehmen Geruch (Wu 2019).

Einteilung

Beim Foetor ex ore, auch als „Halitosis“ bezeichnet, differenziert man zwischen

- Echter Halitosis: Dieser kann physiologisch oder pathologisch sein. Hierbei überschreitet die Intensität des Foetor das gesellschaftlich akzeptable Maß (Wu 2019).

  • - Physiologischer Halitosis entsteht durch Fäulnisprozesse in der Mundhöhle und wird in erster Linie durch den dorsoposterioren Bereich der Zunge verursacht (Wu 2019). Man findet ihn z. B. beim morgendlichen Mundgeruch (Hampelska 2020)
  • - Pathologische Halitosis wird unterteilt in:

                 - oralen pathologischen Mundgeruch durch orale Erkrankungen

                 - extra- oraler patholog. Mundgeruch aus Nase, Nasennebenhöhle und Larynx, Lunge, oberer Verdauungstrakt (Wu 2019).

- Pseudo- Halitosis: Diese wird ausschließlich vom Patienten wahrgenommen und lässt sich durch einfache Mundhygienemaßnahmen verbessern (Wu 2019).

- Halitophobie: Diese liegt vor, wenn Patienten nach einer Behandlung der echten oder Pseudo- Halitosis weiterhin glauben, Mundgeruch zu haben ohne dass es physische oder soziale Anzeichen dafür gibt (Wu 2019).

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Foetor ex ore kann primär (Ursprung bei der Exspiration) oder sekundär (Ursprung in der Mundhöhle bzw. den oberen Atemwegen) entstehen. Unterscheiden lässt sich das durch den Vergleich zwischen Mund- und Nasenatmung (Wu 2019).

Außerdem wird der Foetor eingeteilt in:

- Intraorale Halitosis (IOH): Diese findet sich bei ca. 80 – 90 % der Betroffenen (Hampelska 2020).

- Extraorale Halitosis (EOH): Diese kann bei Diabetes, Leber- und Nierenerkrankungen durch das Blut übertragen werden (ca. 5 – 10 %) und durch die Atemwege bzw. den Magen- Darmtrakt (Hampelska 2020).

Eine weitere Einteilung stammt von Aydin und Harvey- Woodworth aus dem Jahre 2014:

- Typ 0: physiologischer Mundgeruch

- Typ 1: oraler Mundgeruch

- Typ 2: über die Atemwege übertragen

- Typ 3: aus dem gastroösophagealen Bereich

- Typ 4: durch Blut übertragen

- Typ 5: subjektiv empfundener Mundgeruch (Hampelska 2020)

Vorkommen/Epidemiologie

Ein Foetor ex ore findet sich bei ca. 35 % aller Erwachsenen (Herold 2022).

Foetor ex ore wird zu 80 – 90 % durch lokale Prozesse (Herold 2022) im Mund- Nasen- und Rachenraum (in erster Linie durch Zungenbelag und Parodontitis [Mogilnicka 2020]) verursacht, an 2. Stelle stehen chronische Erkrankungen der Leber (Wu 2019), gefolgt von pulmonalen Erkrankungen. Erst danach kommen als Ursache Stoffwechselerkrankungen, Intoxikationen und geruchsintensive Speisen in Frage (Messmann 2012).

 

Eine Halitophobie besteht weltweit bei ca. 5 % der Bevölkerung (Wu 2019), keine spezifische Ursache für den Foetor ex ore findet man bei ca. 40 % (Scully 2014). In diesen Fällen stammt der Mundgeruch überwiegend von den dorsoposterioren Teilen der Zunge oder aus Zahnfleischtaschen (Rosien 2021).

 

Ätiopathogenese

Foetor ex ore wird in erster Linie durch Fäulnisbakterien (insbesondere Methylmercaptan [Wu 2019]) auf dem Zungenrücken und flüchtige Schwefelverbindungen aus den Speiseresten verursacht (Wu 2019).

- 1. Übler Geruch im Mund-, Nase-, Rachenraum durch:

        - dentale Erkrankungen

        - gingivale Erkrankungen

        - mangelnde Hygiene der Interdentalräume und Zahnfleischtaschen

        - bakterielle Plaques

        - Nahrungsreste

        - bakterielle Entzündungen wie z. B. bei der Diphtherie (ein süßlicher Geruch nach faulen Äpfeln), Angina Plaut- Vincenti (faulig riechender, nicht selten einseitiger Geruch), Rhinitis atrophicans (Herold 2022), die einen fötiden Geruch verursacht, der aber vom Patienten selbst nicht wahrgenommen werden kann (Boenninghaus 2005).

        - Zwiebeln, Knoblauch, Tabakkonsum

        - Ulzerationen durch Agranulozytose

        - nach Chemotherapie bestehende Mukositis

        - zerfallene Tumoren

        - Xerostomie

        - Erkrankungen der Speicheldrüsen bei z. B. dem Sjögren- Syndrom

        - alten Menschen

        - Fasten (Herold 2022)

        - Biofilm der Zunge (Ortiz 2020)

- 2. Unangenehmer Geruch der Ausatemluft durch:

         - Erkrankungen im Bereich des Verdauungstraktes bei Achalasie, Ösophaguskarzinom, Ösphagusdivetikel, HP- Infektion, Stenose des Magenausgangs, Fremdkörper im oberen Verdauungstrakt, Ileus (Herold 2022)

         - pulmonale Erkrankungen wie z. B. Bronchiektasen, eitrige Bronchitis, Lungenabszess, Pneumonie (Herold 2022)

        - Entgleisungen des Stoffwechsels mit z. B. Azetongeruch im Coma diabeticum, Geruch nach roher Leber beim Foetor hepaticus, Harngeruch beim Foetor uraemicus (Herold 2022)

        - Resorption der Geruchsstoffe im Darm durch z. B. Genuss von Zwiebeln, Knoblauch oder Intoxikationen mit Arsen, Melathion, Phosphor, Tellur, organischen Phosphorsäureester, Selen

        - bei unbekannter Ursache, sog. essentieller Foetor

        - nach Einnahme von Medikamenten aus der Gruppe der Säurereduzierer, Aminothiole, Anticholinergika, Antidepressiva, Antimykotika, Antihistaminika, Steroide, Antispasmodika, Chemotherapeutika, Nahrungsergänzungsmittel und schwefelorganische Substanzen (Hampelska 2020).

- 3. Halluzinatorische Geruchsempfindungen bei:

        - psychiatrischen oder

        - neurologischen Erkrankungen (Herold 2022)

Risikofaktoren für Foetor ex ore sind:

- Mundtrockenheit:

Diese begünstigt die anaerobe bakterielle Fäulnis der Speisereste und führt gleichzeitig zu einer erhöhten gramnegativen Bakterienlast, die wiederum die Produktion von Schwefelverbindungen steigert (Wu 2019).

- Rauchen:

Rauchen wird einerseits mit einer schädlichen Wirkung auf den Zahnhalteapparat in Verbindung gebracht, andererseits findet sich bei Rauchern eine hohe Zahl von Schwefelverbindungen (insbesondere in Zahnfleischtaschen), da das mikrobielle Gleichgewicht durch Rauchen verändert wird und der Rauch selbst Schwefelverbindungen enthält (Wu 2019).

- Ernährungsgewohnheiten:

Es gibt Nahrungsmittel wie z. B. Knoblauch, Zwiebeln, manche Gewürze, die zu einem vorübergehenden Mundgeruch führen (Wu 2019).

- Alkohol:

Auch der (chronische) Alkoholkonsum stellt einen potentiellen Risikofaktor dar, für die wahrscheinlich bei der Oxidation des Alkohols in Mund und Leber entstehenden geruchsintensiven Nebenprodukte wie z. B. Acetaldehyd verantwortlich sind (Wu 2019).

- Diabetes mellitus

- Adipositas

- Dehydrierung

- Hungerzustand

- Stress (Katecholamine und Cortisol erhöhen die Produktion von Schwefelwasserstoff)

- fortgeschrittenes Alter (Hampelska 2020)

 

Pathophysiologie

Es sind in erster Linie flüchtige Schwefelverbindungen wie z. B. Schwefelwasserstoff, Dimethyldisulfid, Diethyldisulfid, Ethantiol etc., die in der Ausatemluft Mundgeruch verursachen. Außerdem können auch gramnegative Bakterien wie z. B. Actinobacillus actinomycetemcomitans, Bacteroides forsythus, Prevotella intermedia, Porphyromonas gingivalis eine Rolle spielen und Indol, Skatol, Aceton, Ammoniak sowie andere riechende Verbindungen (Mogilnicka 2020).

Durch mangelnde Reinigung der Zähne und Zahntaschen kommt es hauptsächlich zu einer Ansammlung von:

- Abbauprodukten der Anaerobier wie z. B. Aminen, Buttersäure und flüchtigen Schwefelverbindungen (Herold 2022). Insbesondere durch Schwefelwasserstoff, bei dem bereits geringe Konzentrationen ausreichen, entsteht der Geruch fauler Eier (Mogilnicka 2020).

- Indole: Zu den Indolen, die einen Foetor ex ore verursachen können, zählen Indol und Skatol. Sie werden von intraoralen anaeroben gramnegativen Bakterien der Mundhöhle produziert und verursachen einen fäkalen Geruch (Mogilnicka 2020).

- Putrescin und Cadaverin: Sie zählen zu den Diaminen und stehen in Verdacht, Foetor ex ore durch Zahnbelag zu verursachen. Sie werden im Speichel produziert. Ihr Geruch ähnelt dem von verdorbenen Fisch oder Fleisch (Mogilnicka 2020).

- Aceton: Beim Aceton handelt es sich um ein flüchtiges Keton, das aus Acetoacetat entsteht. Es bildet einen Geruch nach fauligen Äpfeln. Erhöhte Konzentrationen von Aceton finden sich in der Ausatemluft beim Fasten, fettreicher bzw. ketogener Ernährung und insbesondere bei der diabetischen Ketoazidose (Mogilnicka 2020).

- Ammoniak: Ammoniak findet sich im Körper in Atem, Speichel, Blut, Urin und Schweiß. Ammoniak, ein Abbauprodukt des Eiweißstoffwechsels, wird über der Leber in den Harnstoffwechsel überführt (Schmuck 2008). Bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz enthält der Speichel hohe Dosen Harnstoff, die die Atemluft urämisch riechen lässt, ebenso wie die hohen Ammoniakwerte bei Patienten mit chronischen Lebererkrankungen (Mogilnicka 2020).

Lokalisation

Am häufigsten geht der sekundäre Foetor es ore vom Zungenrücken aus, da diese ein Reservoir für anaerobe Bakterien ist. Eine weitere Rolle spielen parodontale Erkrankungen, devitale Zähne, freie Zahnpulpen, festsitzende kieferorthopädische Apparaturen, Wunden etc. (Wu 2019).

Diagnostik

Die Diagnosestellung erfolgt i. d. R. interdisziplinär durch z. B. Zahnarzt, HNO- Arzt, Internisten (Herold 2022).

Foetor lässt sich durch unterschiedliche Methoden wie z. B. die organoleptische Messung (Goldstandard), elektrochemische Messungen, Gaschromatographie, Teststreifen (Wu 2019), Halimeter etc. objektivieren (Hähnel 2020). Die Speichelfließrate kann mit der Sialometrie bestimmt werden (Hähnel 2020).

Komplikation(en)

- Psychische Probleme

Ein chronisch übler Geruch belastet den Patienten sehr und kann zu psychischen Problemen führen wie z. B. Angstzuständen, verringertem Selbstwertgefühl, sozialem Rückzug etc. (Mogilnicka 2020). In einer 2005 erstellten Studie von McKeown lag die Zahl der Patienten mit psychischen Problemen, die eine auf Foetor ex ore spezialisierte Klinik aufsuchten, bei 75 %.

 

Therapie allgemein

Eine allgemein gültige Therapie gibt es beim Foetor ex ore nicht. Vielmehr muss für jeden Patienten ein individueller Behandlungsplan erstellt werden (Wu 2019).

 

- Durch Zahnprobleme hervorgerufene Halitosis:

Die Therapie erfolgt durch regelmäßige Zahnhygiene, inklusive Zungenschaber, regelmäßige Zahnarztbesuche mit Zahnsteinentfernung, Wurzelglättung, Plaque- Entfernung, Therapie einer Perikoronitis etc. (Wu 2019)

Benutzen einer Zink- Zahnpasta (Scully 2014).

Außerdem können Pfefferminz- Spülungen oder Antiseptika- Lösungen wie z. B. Chlorhexidin regelmäßig verabreicht werden (Wu 2019).

Probiotika:

Die Verabreichung der Probiotika Lactobacillus salivarius oder Streptococcus salivarius hat sich ebenfalls als hilfreich erwiesen. Hier fehlen allerdings bislang Untersuchungen zu etwaigen Langzeitfolgen (Wu 2019).

 

- Extraorale Halitosis:

Behandlung der jeweiligen Ursache des Foetor ex ore (Herold 2022).

Patienten, bei denen trotz umfangreicher Untersuchungen keine Ursache für den Foetor ex ore gefunden werden kann, sollten ebenfalls dieser Gruppe zugeordnet und an entsprechende Fachärzte überwiesen werden (Wu 2019).

 

- Patienten mit Pseudomundgeruch:

Ihnen sollten die Untersuchungsergebnisse ausführlich erläutert werden (Wu 2019).

 

Verlauf/Prognose

In einer von Scully (2014) veröffentlichen Studie fand sich keine Evidenz zur Prognose.

Literatur
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  1. Aydin M, Harvey- Woodworth C N (2014) Halitosis: a new definition and classification. Br Dent J. 217 E1
  2. Boenninghaus H G, Lenarz T (2005) Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde. Springer Medizin Verlag Heidelberg 169
  3. Hähnel S (2020) Mundgeruch – auf das systematiosche Behandlungskonzept kommt es an: Schritt für Schritt. Zahnmedizin up2date 14 (2) 100 - 101
  4. Hampelska K, Jaworska M M, Babalska Z L, Karpinski T (2020) The Role of Oral Microbiota in Intra-Oral Halitosis. J Clin Med. 9 (8) 2484
  5. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 433
  6. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education
  7. McKeown L (2005) Social relations and breath odour. International Journal of Dental Hygiene 1, 213 - 217
  8. Messmann H et al. (2012) Klinische Gastroenterologie: Das Buch für Fort- und Weiterbildung. Georg Thieme Verlag Stuttgart 2
  9. Mogilnicka I, Bogucki P, Ufnal M (2020) Microbiota and Malodor-Etiology and Management. Int J Mol Sci. 21 (8) 2887
  10. Ortitz V, Philippi A (2020) Halitosis. Monogr Oral Sci. 29, 195 – 200
  11. Rosien U, Berg T, Layer P (2021) Facharztwissen Gastroenterologie und Hepatologie. Elsevier Urban und Fischer Verlag Deutschland 34 - 36
  12. Schmuck C, Engels B, Schirmeister T, Fink R (2008) Chemie für Mediziner. Pearson Education München / Boston / San Francisco / Harlow / Don Mills Sydney / Mexika City / Madrid / Amsterdam 680
  13. Scully C (2014) Halitosis. BMJ Clin Evid. 1305
  14. Wu J, Kanone R D, Ji P, Farella M, Mei L (2019) Halitosis: prevalence, risk factors, sources, measurement and treatment – a review of the literature. Aust Dent J. 65 (1) 4 - 11

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Halitosis;

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