Fingolimod

Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2021

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Definition

Fingolimod (Fingolimod hydrochlorid) wird zur Behandlung der hochaktiven schubförmig-remittierend verlaufenden Multiplen Sklerose angewendet. Das Immunsuppressivum wirkt als Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator und supprimiert inflammatorische Prozesse im ZNS, die die Myelinscheiden weiter zerstören würden.

Pharmakodynamik (Wirkung)

Fingolimod ist ein Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor-Modulator, der durch die Sphingosin-Kinase zu seinem aktiven Metaboliten Fingolimod-Phosphat metabolisiert wird. Fingolimod-Phosphat bindet bereits in geringen nanomolaren Konzentrationen an den Sphingosin-1-Phosphat (S1P)-Rezeptor 1 auf Lymphozyten, überwindet die Blut-Hirn-Schranke, und bindet im ZNS an den S1P-Rezeptor 1 auf den Nervenzellen. Durch die Bindung blockiert der Wirkstoff die Lymphozytenmigration aus den Lymphknoten und reduziert so die Infiltration pathogener Lymphozyten, einschließlich pro-inflammatorischer Th17-Zellen, in das ZNS.

Pharmakokinetik

Fingolimod und Fingolimod-Phosphat sind zu einem sehr großen Anteil proteingebunden (> 99%). Fingolimod wird zu ≥ 85% resorbiert. Die absolute orale Bioverfügbarkeit beträgt 93%. Nahrungsaufnahme veränderte die Cmax bzw. Exposition (AUC) von Fingolimod nicht. Der Wirkstoff reichert sich mit einem Anteil von 86% in den Erythrozyten an. Fingolimod wird beim Menschen durch reversible, stereoselektive Phosphorylierung in das pharmakologisch aktive (S)-Enantiomer Fingolimod-Phosphat transformiert. Die Fingolimod-Clearance aus dem Blut beträgt 6,3 ± 2,3 l/h, die durchschnittliche scheinbare terminale Halbwertszeit liegt bei 6 bis 9 Tagen. Nach oraler Gabe werden ungefähr 81% der verabreichten Dosis als inaktive Metaboliten langsam renal eliminiert.

Indikation

Behandlung der hochaktiven schubförmig-remittierend verlaufenden Multiplen Sklerose bei Patienten ab einem Alter von 10 Jahren.

Schwangerschaft/Stillzeit

Frauen sollten während der Behandlung nicht schwanger werden und die Anwendung einer aktiven Verhütungsmethode wird empfohlen. Tritt unter der Therapie mit Fingolimod eine Schwangerschaft auf, wird ein Absetzen von Fingolimod empfohlen.

Darüber hinaus ist bekannt, dass der durch Fingolimod modulierte Rezeptor (Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptor) während der Embryogenese an der Gefäßbildung beteiligt ist.

Fingolimod geht bei Tieren in die Muttermilch über. Aufgrund des potenziellen Risikos von schwerwiegenden Nebenwirkungen bei Säuglingen durch Fingolimod sollten Frauen unter der Behandlung nicht stillen.

Dosierung und Art der Anwendung

Die empfohlene Dosierung von Fingolimod beträgt 0,5 mg einmal täglich. Bei Kindern ab einem Alter von 10 Jahren mit einem Körpergewicht ≤ 40 kg wird eine einmal tägliche Gabe von 0,25 mg Fingolimod empfohlen.

Unerwünschte Wirkungen

Sehr häufig (≥ 1/10) kommt es unter der Behandlung mit Fingolimod zu folgenden Nebenwirkungen:

  • Influenza
  • Sinusitis
  • Husten
  • Diarrhö
  • Rückenschmerzen
  • Erhöhte Leberenzyme (Erhöhte ALT, Gammaglutamyltransferase, Aspartattransaminase).

Bradyarrhythmie: Bei Therapiebeginn mit Fingolimod kann es zu einer vorübergehenden Abnahme der Herzfrequenz und zudem zu einer Verzögerung der atrioventrikulären Überleitung kommen (einschließlich vorübergehender, sich spontan zurückbildender kompletter AV-Block).

Leberfunktion: Unter der Anwendung von Fingolimod wurde über eine Erhöhung der Leberenzyme, insbesondere Alanin-Aminotransaminase (ALT) aber auch Gamma-Glutamyltransferase (GGT) und Aspartat-Transaminase (AST) berichtet.

Makulaödem: Vor allem in den ersten 3 bis 4 Behandlungsmonaten können bei 0,5 Prozent der mit  0,5 mg Fingolimod behandelten Patienten Makulaödeme mit oder ohne visuellen Symptome auftreten.

Infektionen: Fingolimod reduziert dosisabhängig die periphere Lymphozytenzahl bis auf 20 – 30 Prozent vom Ausgangswert durch reversibles Zurückhalten (Sequestrierung) von Lymphozyten im Lymphgewebe. Folgendes ist deshalb zu beachten:Fälle von Kryptokokkenmeningitis (eine Pilzinfektion), manche mit tödlichem Ausgang, wurden in der Postmarketing-Phase nach etwa 2 – 3 Jahren Behandlung berichtet, obwohl ein genauer Zusammenhang mit der Behandlungsdauer nicht bekannt ist

Nach Markteinführung wurde unter Fingolimod-Therapie Progressive Multifokale Leukenzephalopathie (PML) berichtet

Ein negativer anti-JCV-Antikörper-Test schließt die Möglichkeit einer anschließenden JCV-Infektion nicht aus

Vor Beginn einer Fingolimod-Behandlung sollte eine MRT-Aufnahme (in der Regel innerhalb von 3 Monaten vor Behandlungsbeginn) als Referenz vorliegen

Infektionen mit humanem Papillomavirus (HPV), einschließlich Papillom, Dysplasie, Warzen und HPV-bzw. HHV-bedingte Krebserkrankungen, wurden unter der Behandlung mit Fingolimod nach der Markteinführung berichtet

Das Auswaschen von Fingolimod kann nach Beendigung der Therapie bis zu zwei Monate dauern und die Überwachung auf Infektionen sollte demzufolge über diesen Zeitraum fortgesetzt werden

Posteriores reversibles Enzephalopathiesyndrom

Es wurde in klinischen Studien und nach Markteinführung über seltene Fälle eines posterioren reversiblen Enzephalopathiesyndroms (PRES) bei einer Dosis von 0,5 mg berichtet. PRES ist gekennzeichnet durch plötzliches Auftreten von starken Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, veränderter mentaler Status, Sehstörungen und Anfälle.

Kutane Neoplasien

Unter Fingolimod-Therapie wurden Basalzellkarzinome (BCC) und andere kutane Neoplasien berichtet, einschließlich malignem Melanom, Plattenepithelkarzinom, Kaposi-Sarkom und Merkelzellkarzinom. Eine Überwachung von Hautläsionen muss deshalb gewährleistet sein und eine medizinische Beurteilung der Haut wird bei Behandlungsbeginn und danach alle 6 bis 12 Monate empfohlen.

Wechselwirkungen

Antineoplastische, immunmodulatorische oder immunsuppressive Therapie gleichzeitige Anwendung sollte nicht erfolgen, da ein Risiko von additiven Effekten auf das Immunsystem besteht. Vorsicht ist auch geboten, wenn Patienten von lang wirksamen Substanzen umgestellt werden, die das Immunsystem beeinflussen, wie z. B. Natalizumab, Teriflunomid oder Mitoxantron

Impfungen Während und bis zu zwei Monate nach einer Behandlung mit Fingolimod kann die Wirksamkeit von Impfungen beeinträchtigt sein. Attenuierte Lebendimpfstoffe sollten aufgrund des Infektionsrisikos nicht gegeben werden.

Bei Bradykardie-induzierenden Substanzen (z. B. Atenolol und Diltiazem) ist eine zusätzliche Reduktion der Herzfrequenz möglich. Die Behandlung mit Fingolimod sollte nicht bei Patienten initiiert werden, die mit Beta-Blockern oder anderen Substanzen, die die Herzfrequenz verringern können, wie Antiarrhythmika der Klassen Ia und III, Calciumkanal-Blockern (wie z. B. Verapamil oder Diltiazem), Ivabradin, Digoxin, Cholinesterasehemmern oder Pilocarpin, behandelt werden.

Ketoconazol 1,7-fachen Erhöhung der Exposition (AUC) von Fingolimod und Fingolimod-Phosphat durch die Inhibition von CYP4F2.

CYP3A4-Inhibitore  Besondere Vorsicht ist angebracht bei Wirkstoffen, die CYP3A4 hemmen können (Proteaseinhibitoren, Azol-Antimykotika, einige Makrolide wie Clarithromycin oder Telithromycin).

CYP3A4-Induktoren (z. B. Carbamazepin, Rifampicin, Phenobarbital, Phenytoin, Efavirenz und echtes Johanniskraut) Reduktion der AUC. Aufgrund der potenziellen Beeinträchtigung der Wirksamkeit sollte ihre gleichzeitige Anwendung mit Vorsicht erfolgen. Die gleichzeitige Gabe von echtem Johanniskraut wird jedoch nicht empfohlen.

Kontraindikation

Für die Anwendung von Fingolimod bestehen folgende Gegenanzeigen:

  • Immundefizienzsyndrom
  • Patienten mit einem erhöhten Risiko für opportunistische Infektionen, einschließlich immungeschwächte Patienten (einschließlich derer, die derzeit eine immunsuppressive Therapie erhalten oder durch eine vorhergehende Therapie immungeschwächt sind)
  • Schwere aktive Infektionen, aktive chronische Infektionen (Hepatitis, Tuberkulose)
  • Aktive maligne Erkrankungen
  • Grades Mobitz Typ II oder einem AV-Block 3. Grades, oder Sick-Sinus-Syndrom, wenn sie keinen Herzschrittmacher tragen
  • Patienten mit einem bestehenden QTc-Intervall ≥ 500 ms 
  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff.

Präparate

Der Handelsname von Fingolimod ist Gilenya

Hinweis(e)

Der Arzneistoff ist eine synthetische Nachbildung des natürlichen Wirkstoffs Myriocin, der aus dem Pilz Isaria sinclairi gewonnen werden kann. 

Vor Therapiebeginn sollte ein aktuelles (d. h. nicht älter als 6 Monate) großes Blutbild (CBC) vorliegen

Untersuchungen des großen Blutbild sollten regelmäßig während der Behandlung, bei Monat 3 und danach mindestens jährlich, und bei Anzeichen einer Infektion durchgeführt werden.

Bei einer bestätigten Gesamtlymphozytenzahl von < 0,2 × 109/l sollte die Behandlung bis zur Besserung pausiert werden.

Vor Therapiebeginn müssen Patienten auf ihre Immunität gegen Varizellen (Windpocken) überprüft werden.

Die Wirkung von Fingolimod auf das Immunsystem kann das Risiko von Infektionen, einschließlich opportunistischer Infektionen, erhöhen Patienten sollten angewiesen werden, ihrem Arzt während der Behandlung und bis zu 2 Monate nach Absetzen von Fingolimod Symptome einer Infektion sofort zu melden falls bei einem Patienten eine schwere Infektion auftritt, sollte ein Absetzen in Betracht gezogen werden.

Verweisende Artikel (1)

Kaposi Sarkom iatrogenes;
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