Erstickungs-T

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 16.10.2022

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Synonym(e)

HATW; hyperacute T- waves; hyperakute T- Wellen; Kirchturm- T; T- en- dôme

Erstbeschreiber

Das De- Winter- Zeichen wurde erstmals im Jahre 2008 vom holländischen Kardiologen Robbert Jan de Winter beschrieben und nach ihm benannt (Gollwitzer 2020).

Definition

Als Erstickungs- T bezeichnet man eine Überhöhung der T- Welle im EKG, die sich sowohl symmetrisch, gleichschenklig, positiv als auch schmal mit markantem Scheitel darstellen kann (Levis 2015 / von Olshausen 2005). Sie kann - je nach Ursache - pathologisch, aber auch ohne pathologische Bedeutung sein (von Olshausen 2005).

Allgemeine Information

Ein Erstickungs- T stellt sich je nach Ursache unterschiedlich dar:

  • Myokardinfarkt: Ein Erstickungs- T tritt im Bereich der ischämischen Zone beim akuten transmuralen Myokardinfarkt auf. Es handelt sich dabei um die früheste im EKG abzuleitende Veränderung, die normalerweise dem Nachweis entgeht, da sie sehr kurzfristig, d. h. nur wenige Minuten anhält (Herold 2022 / Kasper 2017 / Börger 1994). Beim Myokardinfarkt zeigt das Erstickungs- T breitbasige, symmetrische, gleichschenklige positive (Börger 1994) T- Wellen im EKG. Die Amplitude ist erhöht. Oftmals sind die T- Wellen mit einem abgesenkten ST- Take- off verbunden (Levis 2015). Unter einer Ballonokklusion kann es zu einer Änderung der Polarität der T- Wellen kommen (Goldberger 1982), d. h. ein Erstickungs- T kann voll reversibel (von Olshausen 1995).
  • Volumenüberlastung: Hierbei findet sich großes, symmetrisches, konkordantes T (von Olshausen 2005).
  • Hyperkaliämie: Bei einer Hyperkaliämie hingegen sind die T- Wellen im EKG schmal mit einem markanten Scheitel (Levis 2015). Zusätzlich kommt es hierbei durch die intraventrikuläre Erregungsleitungsstörung zu einer Deformierung und Verbreiterung des QRS- Komplexes (von Olshausen 2005). Die typische T- Welle ist das früheste EKG- Zeichen einer Hyperkaliämie (Ohly 2019).
  • Kohlenmonoxydvergiftung: Hierbei findet sich – wie auch beim Myokardinfarkt - eine breitbasige, symmetrische, gleichschenklige positive T- Welle (Börger 1994) mit erhöhter Amplitude (Levis 2015).
  • Bei einer Vagotonie, vegetativer Labilität, Bradykardie und nach einer längeren kompensatorischen Pause ist die konkordante T- Welle immer asymmetrisch und hat keine pathologische Bedeutung (von Olshausen 2005).

Ätiologie

Das Auftreten einer Erstickungs- T- Welle kann verursacht werden durch:

- akuter Myokardinfarkt

- Hyperkaliämie

- zerebrovaskuläre Schädigung

- linksventrikuläre Volumenüberlastung z. B. bei Mitral- oder Aortenregurgitation (Kasper 2015), Aortenklappeninsuffizienz, offenem Ductus arteriosus (von Olshausen 2005)

- als Normvariante (Kasper 2015)

- erhöhten Vagotonus bei jungen Erwachsenen (Gollwitzer 2020)

- Kohlenmonoxydvergiftung

- Bradykardie (von Olshausen 2005)

Pathophysiologie

Der Vektor der T- Welle ist ein Ausdruck der Repolarisation (Ohly 2019).

  • Myokardischämie: Bei einer Myokardischämie kommt es Sekunden bis Minuten nach dem Ereignis zum Auftreten eines Erstickungs- T. Durch die Ischämie läuft die Repolarisation der Innenschicht des Myokards langsamer ab als in den relativ stärker durchbluteten Stellen der Myokard- Außenschicht (von Olshausen 1996). Als Folge dieser Verlangsamung sind die äußeren Schichten des Myokards bereits wieder repolarisiert, während der Prozess der Repolarisation in den Innenschichten noch nicht abgelaufen ist (Halhuber 1978). Dadurch wird der Vektor verstärkt und lässt die positive T- Welle höher erscheinen als im Normalzustand (von Olshausen 1996). Im weiteren Verlauf des Infarktes wird auch die Außenschicht ebenfalls schlechter durchblutet und die T- Welle geht in seine terminale Negativität über (Halhuber 1978).
  • Hyperkaliämie: Eine Hyperkaliämie führt zu einer positiven Bathmo-, Chrono- und Inotropie (Erregbarkeit, Frequenz, Kontraktilität [Thierbach 2002] [Silbernagl 2009]). Durch eine diskrete Depolarisation werden die Myokardzellen schneller erregbar. Das Membranpotential ist ab einer bestimmten Kaliummenge stark positiv, so dass die Zelle nicht mehr unter eine Schwelle von ca. - 40 mV repolarisieren kann. Die spannungsabhängigen Natriumkanäle, die erneute Aktionspotentiale ermöglichen würden, können sich dadurch nicht mehr öffnen und es kommt letztlich zu einer Arretierung der Herzaktionen (von Karais 2020).

 

Manifestation

- Myokardinfarkt:

Das Erstickungs- T manifestiert sich bei einem ST- elevation myocardial infarction = STEMI Myokardinfarkt im Initialstadium (Jensch 2018).

- Hyperkaliämie:

Ab Serumkaliumwerten von > 6 mval / l treten i. d. R. Erstickungs- T- Wellen auf (von Olshausen 2005).

Differentialdiagnose

- De- Winter- Zeichen: Hierbei finden sich ähnliche Veränderungen wie die des Erstickungs- T. Das De- Winter- Zeichen stellt ein atypisches Zeichen bei Patienten mit LAD- Stenose dar. Es handelt sich dabei um ein Äquivalent des Vorderwand- STEMI, allerdings ohne ST- Streckenhebung (Gollwitzer 2020).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Börger H H, von Olshausen K (1994) EKG- Information: Grundlagen – vektorielle Deutung – Morphologische Interpretation – Klinische Syndrome – Rhythmusstörungen – Schrittmacher- EKG – EKG- Technik und Artefakte. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 124
  2. Goldberger A L (1982) Hyperacute T waves revisited. American Heart Journal 104 (4) 888-890
  3. Gollwitzer J, Grusnick H M, Klausmeier M (2020) Elsevier Emergency: Innovative Konzepte. Elsevier Verlag Urban und Fischer 69
  4. Halhuber M J, Günther R, Ciresa M, Schumacher P, Newesely W (1978) EKG- Einführungskurs: Eine praktische Propädeutik der klinischen Elektrokardiographie. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 73
  5. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 252
  6. Jensch P J (2018) Prognostische Relevanz der Infarkt-Heterogenität gemessen mittels kardialer Magnetresonanztomographie bei Patienten mit akutem ST-Streckenhebungsinfarkt. Inauguraldissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Universität zu Lübeck
  7. von Karais M, Trautmann N (2020) 50 Fälle EKG aus Klinik und Praxis. Elsevier Urban und Fischer Verlag Deutschland 80
  8. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1455, 1457
  9. Lewis J T (2015) ECG Diagnosis: Hyperacute T Waves. Perm J. 19 (3) 79
  10. Thierbach A (2002) Lexikon der Notfallmedizin. Springer Verlag Heidelberg 64, 93
  11. Ohly A, Kiening M (2019) EKG endlich verständlich.Elsevier Urban und Fischer Verlag Deutschland 35, 83
  12. von Olshausen K, Börger H H (1996) EKG- Information: Grundlagen – Morphologische Interpretation – Klinische Syndrome – Rhythmusstörungen – Schrittmacher – EKG – EKG – Technik und Artefakte. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 125
  13. von Olshausen K, Börger H H (2005) EKG- Information: Vom Anfänger zum Profi – Grundlagen – Morphologische EKG- Interpretation – Klinische Syndrome – Rhythmusstörungen – Schrittmacher- und ICD- EKG – Tipps und Tricks. Steinkopff Verlag Darmstadt 129 - 130,
  14. Silbernagl S (2009) Taschenatlas Pathophysiologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 196
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