Elektrokardioversion

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 14.07.2022

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Erstbeschreiber

Synonyme

Rhythmisierung des Herzens; Wiederherstellung des Sinusrhythmus; DC- Kardioversion;

 

 

Erstbeschreiber

Im Jahre 1962 beschrieben Bernhard Lown et al. erstmals eine Elektrokardioversion (Zürn 2012).

Definition

Unter einer Elektrokardioversion (ECV) versteht man den Versuch durch Anwendung von Strom, einen pathologischen Herzrhythmus wie z. B. Vorhofflimmern (VHF oder AF = atrial fibrillation), Vorhofflattern, ventrikuläre Tachykardie etc. in einen Sinusrhythmus zu konvertieren (Reitgruber 2021).

Eine Kardioversion ist der Goldstandard für Patienten mit Vorhofflimmern und Vorhofflattern. Sie wird außerdem als Notfallkardioversion bei Kammerflattern eingesetzt (Er 2007).

Einteilung

Man differenziert bei einer Elektrokardioversion zwischen folgenden Geräten:

- externe Elektrokardioversion mit mono- und biphasisch arbeitenden Geräten

- implantierter Kardioverter- Defibrillator (AICD)

- automatisierte externe Defibrillatoren (AED)

Bei den zuletzt genannten Geräten handelt es sich um eine Frühdefibrillation durch Laienhelfer. Inzwischen sind diese Gerät flächendeckend vorhanden und haben nachweislich die Überlebensrate bei Auftreten von Kammerflimmern außerhalb der Klinik erhöht (Herold 2022).

 

Allgemeine Information

- Durchführung:

Vor einer Kardioversion sind Vorhofthromben unbedingt durch eine transösophageale Echokardiographie (TEE) auszuschließen (Er 2007).

Der Patient muss wenigstens seit 6 h nüchtern sein, Laborwerte (s. d.) vorhanden sein. Ein gut liegender i. v. Zugang ist obligat. Falls es sich um einen Schrittmacherpatienten handelt, sollte der Schrittmacher auf „bipolares Sensing“ eingestellt werden (Er 2007).

Sollte der Patient bei Bewusstsein sein, ist zunächst eine Kurznarkose mit z. B. Propofol 50 – 100 mg oder Etomidat 2 mg / ml, davon 4 – 8 ml rasch i. v. (Weihrauch 2020) einzuleiten (Herold 2022) und der Patient anschließend flach auf dem Rücken zu lagern. Während der gesamten Dauer einer Kardioversion sollten alle Vitalparameter wie z. B. EKG, periphere Sauerstoffsättigung und Blutdruck überwacht werden. Der Eingriff erfolgt in personeller, medikamentöser und maschineller Reanimationsbereitschaft (Er 2007).

Während der Defibrillation dürfen die Helfer keinen Kontakt zum Patienten bzw. zum Bett haben (Herold 2022).

 

 

Monophasisch arbeitende Geräte:

Die Energiewahl hängt hierbei von der Rhythmusstörung ab

- 360 J beim 1. Stromstoß und auch bei weiteren Stromstößen falls folgendes Krankheitsbild vorliegt:

- Kammerflattern

- Kammerflimmern

- polymorphe Kammertachykardie (Herold 2022)

- 200 J bei:

- Vorhofflimmern

- Vorhofflattern

- monomorphe Kammertachykardie (Herold 2022)

 

 

 

Biphasisch arbeitende Geräte:

Hierbei sollten 150 – 360 J, je nach Gerätetyp beim 1. Stromstoß eingestellt werden (bei Unsicherheiten 200 J). Bei Erfolglosigkeit sind weitere Stromstöße mit steigender Energie erforderlich (Herold 2022).

 

 

Tachykardien:

Bei Tachykardien erfolgt die Stromabgabe synchronisiert, auch als herzphasengesteuert bezeichnet, damit die Stromabgabe nicht in die vulnerable Phase von T (d. h. nicht in den aufsteigenden T- Schenkel) einfällt. Die Stromabgabe erfolgt deshalb 0,02 Sekunden nach der R- Zacke (Herold 2022).

 

 

Kammerflimmern:

Beim Kammerflimmern erfolgt die Stromabgabe nicht R- Zacken- getriggert (Herold 2022).

 

 

Vorhofflimmern:

Hierbei ist eine Elektrokardioversion ambulant möglich, sofern keine strukturelle Herzerkrankung vorliegt und der Patient nach dem Eingriff für mindestens 3 h am Monitor überwacht wird. Das Vorgehen einer Elektrokardioversion wegen VHF hängt von der Dauer des Vorhofflimmerns ab (Zürn 2012):

Falls Vorhofflimmern < als 48 h besteht, ist eine Elektrokardioversion umgehend und unter Heparinschutz durchzuführen (Zürn 2012).

Bei bereits länger als 48 h bestehendem Vorhofflimmern, ist die Gefahr einer Thrombenbildung in den Vorhöfen sehr groß. Diese Patienten sollten mindestens 4 Wochen vor der Kardioversion antikoaguliert werden (INR 2 – 3 [Er 2007]). Alternativ zur Antikoagulation kann auch ein sicherer Thrombenausschluss durch TEE erfolgen.

Bei bereits bestehendem Thrombus ist eine Antikoagulation für mindestens 3 Wochen erforderlich. Anschließend sollte eine erneute TEE- Kontrolle erfolgen (Zürn 2012).

Die Elektroden sollten beim VHF antero- posterior positioniert werden, da dies mit einem höheren Erfolg der Kardioversion verbunden ist.

Sollte der Patient über einen implantierten Schrittmacher oder Defibrillator verfügen, ist ebenfalls eine biphasische Schockform zu wählen. Die Elektroden sind auch hierbei antero- posterior zu positionieren, allerdings mit einem Abstand zum Aggregat von mindestens 8 cm (Zürn 2012).

Es kann durch die Kardioversion zu einem Verlust der Reizbeantwortung kommen (sog. loss of capture). In sehr seltenen Fällen kann der Schrittmacher irreversibel geschädigt werden (Spes 2022).

 

Nach einer erfolgreichen Kardioversion sollte der Patient für 4 Wochen antikoaguliert werden (Herold 2022). In Abhängigkeit bestimmter Risikofaktoren (s. CHA2 DS2 – VASc – Score [Stierle 2017]) kann auch eine lebenslange Antikoagulation erforderlich sein (Zürn 2012).

 

 

Pharmakodynamik 

Über dem Brustkorb wird ein massiver Gleichstromstoß abgegeben. Dadurch werden gleichzeitig alle zur Reizbildung bzw. Reizweiterleitung fähigen Herzzellen zunächst depolarisiert und anschließend synchron in ihre Refraktärphase überführt. Nach dieser sog. „elektrischen Stille“ im Myokard folgt in der Sinusknotenregion in den Zellen, die die geringste Ruhemembranstabilität aufweisen, eine erste spontane Depolarisation. Potentiell ist es aber ebenfalls möglich, dass das Rhythmusgeschehen weiterhin durch Arrhythmie- induzierte ektopische Foci, sog. autonome automatische Zentren, dominiert wird (Herold 2022).

 

 

Indikation

  • Absolute Indikation:
    • hämodynamisch instabile Patienten mit Vorhofflimmern (Zürn 2012)
    • supraventrikuläre Tachykardien mit drohendem kardiogenen Schock
    • ventrikuläre Tachykardien mit drohendem kardiogenen Schock
    • Kammerflimmern
    • Kammerflattern (Herold 2022)
    • Relative Indikation:
    • Vorhofflimmern
    • Versagen der medikamentösen Therapie eines Vorhofflatterns (Herold 2022)

Laut ESC 2016 besteht für akut hämodynamisch instabile Patienten ein Empfehlungs- bzw. Evidenzgrad I / B für eine elektrische Kardioversion. Indikationen für eine elektrische Kardioversion können sein:

- erfolglose medikamentöse Kardioversion

- hämodynamische Instabilität (Sauerbruch 2018)

 

Klinisches Bild

Es besteht bei VHF nur eine geringe Korrelation zwischen Arrhythmie und Symptomen. Bis zu 60 % der Patienten sind asymptomatisch und bei 40 % der Patienten bestehen VHF- Symptome trotz Sinusrhythmus.

Symptome können sein:

- Dyspnoe

- Palpitationen

- Schwindel

- Verminderung der körperlichen Belastbarkeit

- Angina pectoris

- Auftreten einer Embolie (mitunter Erstsymptom)

- selten Auftreten einer Synkope (Pinger 2019)

- Polyurie (ANP- Wirkung; atriales natriuretisches Peptid bewirkt u. a. die vermehrte Ausscheidung von Natrium und Chlorid durch die Niere)

(Herold 2022)

 

Bei Vorhofflimmern kann mit Hilfe der sog. EHRA- Klassifikation (Klassifikation der European Heart Rythm Association) der Schweregrad der Symptomatik zugeordnet werden.

Modifizierte EHRA- Klassifikation:

  • Klasse I: Hierbei besteht keinerlei Symptomatik, sog. „silent AF“
  • Klasse II: Es treten Symptome auf. Je nach Schwere der Symptome differenziert man zwischen: 
    • Klasse II a: Es bestehen nur leichte Symptome, die alltägliche Aktivität ist nicht eingeschränkt, auch „not troublesome“ genannt
    • Klasse II b: Es besteht eine mittelschwere Symptomatik, die die alltäglichen Aktivitäten jedoch nicht beeinflusst, sog. „patient troubled by symptoms“
  • Klasse III: Hierbei treten schwere Symptome auf. Die normale Alltagsaktivität ist erheblich beeinträchtigt.
  • Klasse IV: In diesem Stadium ist die normale Aktivität des Alltags nicht mehr möglich. Man spricht von sog. „disabling symptoms“ (Pinger 2019 / Kirchof 2016).

Labor

Der Erfolg einer Kardioversion hängt maßgeblich von zwei laborchemischen Auffälligkeiten ab:

- Hypokaliämie

- Hyperthyreose

Von daher sollten im Optimalfall eine Normokaliämie und eine euthyreote Stoffwechsellage vorliegen (Er 2007).

 

Komplikation(en)

Folgende Komplikationen können bei einer ECV auftreten:

- thromboembolische Ereignisse

- Auftreten von Arrhythmien

- Narkosekomplikationen (Zürn 2012)

 

Kontraindikation

Die Kardioversion ist unter einer Digitalisintoxikation bestehenden nicht lebensbedrohlichen Tachykardie kontraindiziert (Herold 2022).

Prognose

In der AFFIRM- und der RACE- Studie zeigte sich, dass die Frequenzkontrolle der Rhythmuskontrolle nicht unterlegen ist. Durch Erhalt des Sinusrhythmus bei VHF (Rhythmuskontrolle) wird die Mortalität nicht verbessert. Es kann lediglich eine Verbesserung der Symptomatik erzielt werden (Zürn 2012).

Von einer Elektrokardioversion können (jüngere) Patienten mit häufigen und schweren Symptomen besonders profitieren (Mickley 2004).

Der Erfolg einer Elektrokardioversion bei VHF kann durch vorhergehende Gabe von Antiarrhythmika gebessert werden und die Gefahr des Wiederauftretens verringern (Zürn 2012).

Hinweis(e)

Bei persistierendem Vorhofflimmern hat sich die ambulante biphasische Elektrokardioversion gegenüber einer monophasischen Schockabgabe als günstiger erwiesen. Es waren hierbei durchschnittlich niedrigere Energieniveaus (203 Joule gegenüber 570 Joule) und weniger Schockabgaben (1,5 gegenüber 2,9) erforderlich als bei bei der monophasischen Schockabgabe (Neumann 2004). Auch sind hierbei die Myokardschädigung und das Risiko für Hautverbrennungen geringer (Zürn 2012).

Die Erfolgsrate lag in Studien für biphasische Elektrokardioversion bei 100 %, für monophasische bei 73,7 % (Neumann 2004).

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Er F, Erdmann E (2007) Die Elektrokardioversion. Dtsch Med Wochenschr 132 (14) 759 - 761
  2. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 271, 287
  3. Neumann T, Erdogan A, Reiner C, Siemon G, Kurzidim K, Berkowitsch A, Kuniss M, Sperzel J, Hamm C W, Pitschner H F (2004)Ambulante Kardioversion von Vorhofflimmern mittels biphasischer versus monophasischer Schockabgabe.: Eine prospektiv randomisierte Studie. Zeitschrift für Kardiologie (93) 381 – 387
  4. Kirchof P et al. (2016) ESC Pocket Guidelines: Management von Vorhofflimmern. DGK Börm Bruckmeier Verlag 164
  5. Mickley F, Löscher S, Hartmann A (2004) Aktuelle Aspekte der Elektrokardioversion bei Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern. Medizinische Klinik (99) 18 - 23
  6. Pinger S (2019) Repetitorium Kardiologie: Für Klinik, Praxis, Facharztprüfung. Deutscher Ärzteverlag. 680 – 686
  7. Reitgruber D, Auer J (2021) Elektrokardioversion. In: Internistische Intensivmedizin für Einsteiger Springer Verlag Berlin / Heidelberg 367 – 375
  8. Sauerbruch T et al. (2018) Therapie- Handbuch: Jahrbuch 2018. Elsevier Urban und Fischer 131 – 133
  9. Spes C, Klauss V (2022) Facharztprüfung Kardiologie in Fällen, Fragen und Antworten. Elsevier München Urban und Fischer Verlag 275
  10. Weihrauch T R et al. (2020) Internistische Therapie 2020 / 2021. Elsevier GmbH München Urban und Fischer Verlag 398
  11. Zürn C S, Bauer A (2012) Vorgehen and antithrombotische Therapie bei Elektrokardioversion. Kardiologie up2date 08 (03) 221 - 232
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