Stauungssyndrom arthrogenes I87.2-

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 24.10.2016

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Erstbeschreiber

Arthrogenes Stauungssyndrom

Definition

Chronische venöse Insuffizienz mit/ohne degenerative(n) Hautveränderungen der unteren Extremität auf Grund einer unterschiedlich stark ausgeprägten Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenkes.

Bewegungseinschränkungen des Sprunggelenkes bis hin zu kompletten Versteifungen (z.B. in Spitzfußstellung) führen zu einem inkompletten oder kompletten  Ausfall der Muskelpumpenfunktionen (Fußmukelpumpe, Sprungegelenkmuskelpumpe, Wadenmuskelpumpe) und damit zu einem Ausfall der distalen Antriebskräfte der venösen Hämodynamik.

Einteilung

Hinsichtlich der Pathophysiologie sind 2 Formen des arthrogenen Stauungssyndroms zu unterscheiden.

a) das arthrogene Stauungssyndrom, welches als Folge einer schweren chronischen venösen Insuffizienz auftritt. Bei einem fortgeschrittenen Venenleiden (ab dem klinischen Stadium 4) kommt es zu Veränderungen der Haut und des Unterhautfettgewebes. Es handelt sich um eine progrediente Entzündungsreaktion, die in einen sklerosierenden Prozess übergeht. Im weiteren Verlauf kommt es zur Beteiligung der Faszien und somit zur Dermatolipofasziosklerose . In der Folge ist auch der Bandapparat des oberen Sprunggelenks mitbetroffen. Der degenerative Umbau der Gelenkstrukturen sowie der Achillessehne kann über die zunehmende Bewegungseinschränkung bis zur vollständigen Fixierung des oberen Sprunggelenks in Spitzfußstellung führen. Zusätzlich trägt das Vorhandensein eines schmerzhaften Ulcus cruris selbst durch Schonhaltung des Fußes in Plantarflexion zur Ausbildung eines fixierten Spitzfußes bei. Im schlimmsten Fall beträgt die Gelenkmotilität im oberen Sprunggelenk 0 – 40 – 40° (Dorsalextension – 0 – Plantarflexion). Mit der Versteifung des oberen Sprunggelenks atrophiert die Wadenmuskulatur. Hiermit geht die Funktionsfähigkeit der wichtigsten Venenpumpe, nämlich der kruralen Venenpumpe verloren. Die Sprunggelenkspumpe sowie die Muskelpumpe des kräftigen M. triceps surae aus der oberflächlichen Flexorenloge und die Muskelpumpen der tiefen Flexoren (M. tibialis posterior, M. flexor digitorum longus, M. flexor hallucis longus) verlieren ihre Funktion. Der fixierte Spitzfuß bedingt außerdem eine Rekurvation des Kniegelenks beim aufrechtstehenden und gehenden Patienten . Durch die Rekurvation werden die Venen auf Höhe des Kniegelenks gegen den Tibiakopf gedrückt und eingeengt. Dies beeinträchtigt zusätzlich den venösen Abstrom. Infolge der zunehmenden venösen Stauung verschlechtert sich die Krankheitssituation, es kommt zu einer weiteren Gewebeschädigung, welche die Entstehung, die Erhaltung und die Ausdehnung chronischer Ulzerationen begünstigt. Dieser Circulus vitiosus, in dem sich die venöse Stauung einerseits und die Motilität der Gelenke – besonders des oberen Sprunggelenks - andererseits als pathophysiologische Prozesse gegenseitig ungünstig beeinflussen, wurde bereits von Schmeller 1990 treffend beschrieben. Charakteristischerweise bilden sich im Verlauf schwerheilende Manschettenulzera und Nekrosen.

b) das arthrogene Stauungssyndrom, welches bei primär venengesunden als funktionelle venöse Insuffizienz bei Störungen der Venen-Muskel-Pumpe des Beines auftritt. Von besonderer Bedeutung scheint hier die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk. Einfluss auf den venösen Abfluss haben aber auch Bewegungsstörungen des Knies, des unteren Sprunggelenks sowie Hohl- und Senkfuß.

Literatur
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  12. Uhl JF et al. (2012) Static foot disorders: a major risk factor for chronic venous disease? Phlebology 27:13-18.

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Muskelpumpe;

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