Wittlich`sche Formel

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 24.10.2017

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Synonym(e)

Wittlich Formel

Definition

Formel zur Berechnung der beruflichen (versicherten) UV-Exposition (Hb) in einer definierten Zeiteinheit. Die Formel findet breite Anwendung bei den Unfallversicherungsträgern.

Allgemeine Information

Bemerkung: Die nachfolgenden Ausführungen entsprechen einer gekürzten und variierten Fassung der "Technischen Information BK-Fälle BK Nr. 5103" des IFA vom Februar 2015 (s. Lit.)   

Die Wittlich`sche Formel ist so strukturiert, dass an einem Referenzwert - Hb/a (ref)- Zuschläge oder Abschläge durch individuelle Faktoren vorgenommen werden. Diese Faktoren lassen sich unterteilen:

  • Zeitfaktoren
  • geographische Faktoren
  • persönliche Faktoren

zur Berechnung der arbeitstechnischen Voraussetzungen lassen sich zwei Wege verfolgen: die Tätigkeits Verhältnisse in Wochentagen oder Monaten oder diejenige in Arbeitsschichten pro Jahr.

  • Hb/a =∑fWT  x  fMS  x fb  x fTZ   x  fLAT x  fHöhe x  fReflex  x  fKörper x  fSchutz   x Hb/a(ref)  
  • ∑fWT  x  fMS x fJZ x x fb fTZ  = Zeitfaktoren nach Tagen Stunden
  • ∑ fLAT x  fHöhe = geographische Faktoren
  • ∑ fKörper x  fSchutz =persönliche Faktoren

Hb

Hb - definiert als „ jährliche berufliche (versicherte) Bestrahlung „ - setzt sich zusammen als Summe (∑) aller Bestrahlungen, die im Rahmen von versicherten Tätigkeiten innerhalb eines Jahres erworben wurden. Jede Tätigkeit in diesem Zeitraum ist besonders zu ermitteln, darzustellen und zu berechnen,. Die Gesamtbelastung wird durch Addition der einzelnen Zeiträume ermittelt.

a = Alter des Versicherten in Jahren am Tag der Sicherung der Diagnose.

Zeitfaktoren:

∑fWT  x  fMS x fJZ x x fb x fTZ  = Zeitfaktoren nach Tagen/Stunden: Mit Hilfe der Zeitfaktoren (f) lassen sich in die bei einer bestimmten Tätigkeit geleisteten Arbeitstage, als auch die sonstigen im Freien verbrachten Stunden berücksichtigen. Hierzu stehen sowohl für Tage (fMS bzw. fJS) als auch für Stunden (fb bzw. fTZ) jeweils zwei Faktoren zur Verfügung. Zusätzlich kann über einen Faktor berücksichtigt werden, wie viele Tage pro Woche eine Tätigkeit ausgeübt worden ist (fMT).

 

fWT:

Der Faktor „f“ für Arbeitstage pro Woche (fWT) entspricht bei einer 5-Tage-Woche derzeit 1,0. Leistet der Versicherte Mehrarbeit so erfolgt eine Anpassung nach oben. Leistet der Versicherte eine geringere Arbeitzeit, so erfolgt eine Anpassung nach unten. Für tageweise Zuschläge oder Abschläge wird entsprechend 1/5 addiert oder abgezogen.

Bei einem geleisteten Arbeitstag ergibt sich ein fWT von 0,2, bei 2 Arbeitstagen ein fWT von 0,4 bei 5 Arbeitstagen ein fWT von 1,0 usw.  

 

fMS:

Der Faktor „f“ für M= Montage/ S= Saisonarbeit bezieht sich auf eine Tätigkeit, die nicht über das gesamte Jahr ausgeübt wird. Mit dem Faktor fMS wird der entsprechende Anteil angegeben. Bei einem geleisteten Arbeitsmonat ergibt sich ein fMS von 0,08 - bei 2 Arbeitsmonaten ein fMS von 0,17 bei 12 Arbeitsmonaten ein fMS von 1,0. Die Faktoren fMS und fJZ (Jahreszeitfaktor) stehen in direkter Verbindung. Wird einer der beiden Faktoren verwendet, so ist der andere Faktor auf 1,0 zu setzen. Damit kommt er rechnerisch nicht zur Geltung.

 

fJZ:

der Faktor – fJZ  -„Jahreszeitenfaktor“ definiert den Zeitraum der Tätigkeit innerhalb eines Jahres. Er trägt damit, dem in den verschiedenen Jahreszeiten unterschiedlichen Sonnenstand, und damit einer unterschiedlichen Bestrahlung, Rechnung. Obwohl dieser Faktor „Breitengrad“ abhängig ist, sind die für die einzelnen Monate errechneten Faktoren für den 50. Breitengrad (zum Beispiel Deutschland) berechnet. Diese Werte sind definitionsgemäß derzeit auch für alle Orte der Welt gültig. Um eine über mehrere Monate andauernde Beschäftigung zu berücksichtigen, werden die Einzelwerte der Monate addiert. Bei Tätigkeiten auf der Südhalbkugel müssen die um ein halbes Jahr verschobenen Jahreszeiten berücksichtigt werden.

Stunden

Tätigkeiten, die nicht ganztägig im Freien durchgeführt werden, werden durch die Stundenfaktoren fb  und  fTZ  (Tageszeitfaktor) bewertet. Beide Faktoren bedingen sich gegenseitig. 

fb

Der Faktor – fb  – dient dazu, Anteile der Arbeitszeit im Freien anzugeben, wenn diese nicht konkret auf bestimmte Stunden am Tag bezogen werden können. Wird die Tätigkeit während der gesamten Arbeitszeit im Freien ausgeführt, so ist der Faktor mit 1,0 zu bewerten.  4 Arbeitsstunden bei einem 8-stündigen Arbeitstag würden mit dem Faktor – fb  = 0,5 bewertet werden.

 

fTZ

der Tageszeitfaktor - fTZ – berücksichtigt den genauen Zeitraum der Arbeit im Freien an einem Tag. Hierbei wird berücksichtigt, dass sich die Intensität der UV Strahlung über den Tag mit den unterschiedlichen Sonnenständen ändert. Er unterscheidet zwischen Sommer-und Winterzeit und weist von Stunde zu Stunde unterschiedliche Werte aus. Wird die Tätigkeit über mehrere Stunden hinweg ausgeübt, dann ergibt sich der einzusetzende Faktor für TZ als Addition der Einzelwerte. Für Expositionszeiten von 8 Stunden pro Tag, wird ein - fTZ – von 1,0 angesetzt. Bei ganzjähriger Beschäftigung werden ausschließlich die Tageszeit Faktoren der Sommerzeit verwendet (Begründung: die maßgebende Bestrahlung findet in der Sommerzeit statt)

 

Geographische Faktoren

Die geographischen Faktoren

  • fLAT (Breitengradfaktor)
  • fHöhe (Höhenfaktor)

bewerten den veränderten Sonnenzenit (hierdurch wird die Bestrahlung stärker verändert) in anderen Breitengraden (fLAT), bei größerer Höhe (fHöhe) sowie mit dem Reflexionsfaktor (fReflex) die Reflexionen der UV-Strahlen durch unterschiedliche Oberflächen wie Wasser, Schnee, Sand oder Gras.

Für den Breitengradfaktor wird der Referenzwerte Deutschland mit 1,0 festgesetzt. Weiterhin wurde festgelegt das Tätigkeiten in nördlicheren Gebieten(höher als der 55. Breitengrad) ebenfalls mit 1,0 bewertet werden.

Tätigkeiten in unterschiedlichen  Höhen über dem Meeresspiegel werden durch den Höhenfaktor- fHöhe - berücksichtigt. Für Deutschland gilt ein Höhenfaktor von 1,0 mit Ausnahme der höher gelegenen Bergregionen.

 

fReflex

Der Reflexionsfaktor - fReflex- berücksichtigt die durch reflektierende Oberflächen zusätzlich auftretende Strahlung. Er definiert  sich als Summe aus der direkten Strahlung (hierfür gilt der Faktor 1,0) sowie aus der zusätzlichen (indirekten) Bestrahlung durch reflektierende Oberflächen. In der Referenzbestrahlung - s. Hb/a(ref) - sind bereits unspezifische Anteile von reflektierenden Oberflächen vorhanden. Die zusätzliche Reflexion ist nur zu beachten, wenn die Reflexionen 30 % oder > 30 % betragen ( fReflex=0,3 bzw. 1,3) und die Tätigkeit überwiegend auf dieser Oberfläche stattgefunden hat.

 

Persönliche Faktoren

Die persönlichen Faktoren  fKörper x  fSchutz  beziehen sich auf einen Körperstellenfaktor  „fKörper“   der die unterschiedlichen Expositionen einzelner Körperareale berücksichtigt. Der Faktor „fSchutz“  wird angewendet, wenn Schutzmaßnahmen durch belegbar sind.

 

 fKörper  (Körperstellenfaktor)

Der Körperstellenfaktor  „fKörper“ bewertet die UV Exposition der verschiedenen Körperareale. Die Einwirkung der UV-Strahlung auf die Körperoberfläche hängt von deren Auftreffwinkel ab. fKörper beschreibt das Verhältnis der mittleren Exposition einer betroffenen Körperpartie in Bezug auf die Brustposition (Referenzstelle). Unbeachtete der unterschiedlichen Expositionsfaktoren wird bei den Berechnungen der Körperstellenfaktor bis auf Weiteres auf 1,0 gesetzt.

fSchutz  (Einflussfaktor für Schutzmaßnahmen)

Der Einflussfaktor für Schutzmaßnahmen „fSchutz“  ist anzuwenden, wenn eine Schutzmaßnahme eindeutig belegt werden kann. In diesem Faktor gehen persönliche Schutzfaktoren aber auch andere Schutzmechanismen (z.B. Glasscheiben) mit ein. Für die Definition des Schutzfaktors gilt:  ein Faktor 0 wird angegeben, wenn an der Lokalisation der Erkrankung eine Schutzmaßnahme eindeutig belegt wurde. Wurde keine Schutzmaßnahme belegt, ist der Faktor mit 1,0 zu bewerten. Wird der UPF (UV protection factor) verwendet (Faktor wird teilweise in der Kleidung ausgewiesen), dann errechnet sich der Schutzfaktor „fSchutz“  als Kehrwert aus dem UPF (1/UPF).

 

Hb/a =∑nn   x Hb/a(ref)  

  • Hb/a(ref) Referenzwert
  • Hb = berufliche Langzeitbestrahlung eines in Deutschland Beschäftigten
  • a: Alter der versicherten Person in Jahren am Tag der Sicherung der Diagnose

Als Jahres-Referenzwert für die ganztägigen Deutschland im Freien beschäftigten wird ein Wert von 300 SED (SED= Standarderythemdosis, 1 SED= 100J/qm erythemgewichtete Bestrahlung) festgelegt. In diesem Wert ist ein für Deutschland üblicher Wettereinfluss berücksichtigt. Er gilt für die Brustposition. 

 

Wertung der UV-Exposition als Berufskrankheit

Berufskrankheiten sind laut §9(1) SGB VII Erkrankungen, die durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch Ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Volk ausgesetzt sind. In der Rechtsprechung geht man vielfach davon aus, dass dieses Kriterium bei einer Risikoverdopplung erfüllt ist. Es ist akzeptiert, dass es aufgrund einer „überadditiven“ Dosis-Wirkung-Beziehung bei einer zusätzlichen beruflichen Exposition von 40 %, zu einem zusätzlichen Risiko von 100 % (Verdopplung) kommt.

Die arbeitstechnischen Voraussetzungen gelten als erfüllt, wenn zur privaten Exposition Hp mindestens ein versicherter Lebenszeitanteil Hb,min von  40 % hinzukommt. Hb/min =   0,4 x a x fKörp x 130 SED  

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Braakhuis BJ et al. (2003) A genetic explanation of Slaughter's concept of field cancerization: evidence and clinical implications. Cancer Res 63: 1727-1730
  2. Diepgen TL et al. (2015) Minderung der Erwerbsfähigkeit bei BK 5103 „ Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung „ Dermatologie in Beruf und Umwelt 63: 3-7
  3. DGUV-Arbeitshilfe "Hautkrebs durch UV-Strahlung". www.dguv.de/ifa
  4. Slaughter DP et al. (1953) Field cancerization in oral stratified squamous epithelium; clinical implications of multicentric origin. Cancer 6: 963-968
  5. Wittlich M (2015) IFA (Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Technische Information zur Ermittlung in Berufskrankheiten(BK.) - fällen vor dem Hintergrund der neuen Berufskrankheit mit der BK-Nr. 5103 "Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung". www.dguv.de/ifa   

Verweisende Artikel (1)

Berufskrankheit der Haut nach BK 5103;
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