Lübben Bernhard

Zuletzt aktualisiert am: 28.03.2024

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Synonym(e)

Bernhard Lübben; Bernhard Luebben

Biographische Angaben

Hinweis: Der folgende Bericht wurde von Herrn Dr. Udo Lübben, Dermatologe in Bremen verfasst. Er wird im Folgenden ungekürzt wiedergegeben.

Lübben Bernhard Dr. med (¤1911 Augustfehn -†1987 Bremen). Aufgewachsen in Nordenham, dort auch Abitur. Studium der Medizin in München, Tübingen und Kiel, wo er 1939 sein „Not-Staatsexamen“  ablegte mit anschließender Einziehung „zu einer kurzfristigen Übung“, die insgesamt 12 Jahre dauerte. Da mein Vater den als Student obligatorischen Wochenend -SA Dienst vermeiden wollte, hatte er  für ein Jahr sein Studium unterbrochen und war der Reichswehr beigetreten, (bespannte Artillerie), die er im Rang eines Sanitätsfeldwebels verließ. Dank seiner Uniform hatte er dann an den Wochenenden seine Ruhe.

Der WW2 führte ihn mit einer Sanitätseinheit u.a. über DK nach Rouen, wo er unter Prof. Schürmann im Lazarett für Geschlechtskranke seinen Dienst versah. Jeden Morgen mussten ca. 40 Go-Präparate angefertigt, durchgesehen und dem Chef vorgelegt werden. Seine Einheit residierte in einem „Chateau -Schloss“ , wie es die Landser nannten.

Völlig überraschend wurde er dann als Stabsarzt an die Ostfront versetzt. Als er an einer Bahnstation im Nirgendwo ausstieg und ihn ein Kradfahrer abholte, sah er dort als alter Artillerist eine Batterie von 8,8 Geschützen, die in alle 4 Himmelsrichtungen ausgerichtet war, was bei ihm ein ungutes Gefühl auslöste.

In der Heeresgruppe Mitte geriet er 1944  wohl in der Nähe von Witebsk in Gefangenschaft. Er lag mit einigen Soldaten in einem Graben, den die Sowjets beschossen, wobei sich durch einen Querschläger ein unterarmlanger Holzsplitter eines Zaunpfahls durch seinen Pullover an seinem Rücken bohrte, ohne ihn zu verletzen. 

Nach einigen kurzen Aufenthalten in mehreren Gefangenenlagern wurde er in ein neues Lager in  Usbekistan nahe Taschkent überstellt. Es war mitten in der Wüste gelegen mit einem kontinentalen und daher extremem Klima und von 6fach Stacheldraht umzäunt, wie er später immer wieder betonte. Bemerkenswert war noch, dass neben deutschen Soldaten auch japanische Kriegsgefangene im Lager untergebracht waren, die mein Vater wegen ihrer (Selbst)-Disziplin bewunderte. Die japanischen Kollegen führten ihre Krankenakten auf Deutsch und konnten sich mit ihm z. T. sogar auf Deutsch verständigen. („ Doktor- - russische Ärzte seeeehr schlecht!“)

Wie er mir und meinem jüngeren Bruder (Geisteswissenschaftler) nach und nach berichtete, ohne dass wir ihn danach gefragt hätten,  ergaben sich dort für ihn als einen der Lagerärzte viele Episoden, die für sich ein eigenes Buch ergeben würden. Zitat: „Jede Diagnose  < Pneumonie>  war ein Todesurteil“.  Einige Jahre vor  seinem Tod erzählte er mir, dass ihn die Bundeswehr-Akademie in Hamburg mit der Bitte kontaktiert habe, dort über seine Erlebnisse als Lagerarzt in Usbekistan einen Vortrag zu halten, was er aber abgelehnt habe. Zum einen könne er nicht öffentlich darüber sprechen, zum anderen würde man es ihm sowieso nicht glauben.

1950 konnte er in desolatem körperlichen Zustand nach Bremen zurückkehren, wo noch seine Mutter und seine Schwester lebten, sein Vater war unmittelbar nach Kriegsende verstorben. Eigentlich hatte mein Vater Pädiater werden wollen, da er aber keinerlei Facharzt -Zeit vorweisen konnte, entschied er sich, Dermatologe zu werden. Immerhin wurde ihm ein Jahr Venerologie in Rouen dank eines Schreibens von Prof. Schürmann angerechnet, welcher ihm seine damalige Tätigkeit auf seine Bitte hin dann nachträglich bescheinigte.

In Bremen als Hafenstadt waren nach Kriegsende sämtliche Stellen an den Kliniken durch die bei Kriegsende vor Ort verbliebenen Marine -Ärzte besetzt. Als er sich in der Bremer Hautklinik (damaliger Direktor Dr. Fölsch) vorstellte, wies dieser ihn ab,  es sei keine Stelle frei. Als er daraufhin die Klinik verließ, kam ihm der OA nachgelaufen, er hatte beim Chef erreicht („…den Mann können Sie nicht wieder wegschicken!“), dass er immerhin als „Gast- Arzt“ seine Facharzt -Ausbildung fortführen könnte. So arbeitete er für ein Sozialhilfe -Gehalt als Assistenzarzt in der Klinik. Seine Teilnahme an einer der Chef-Visiten kollidierte zeitlich mit der obligatorischen wöchentlichen Vorstellung beim Sozialamt, um sein Unterstützung abzuholen. Für die Vergabe eines zeitlich anders gelegenen Termins sah sich das Sozialamt außer Stande.

Über seine Klinikzeit gäbe es interessante Episoden zu berichten, z.B. über die damals -im wahrsten Sinne des Wortes – geschlossene Abteilung für Prostituierte mit einem US -MP auf einem Schemel am Gitter auf dem Flur (Bremen und Bremerhaven waren eine amerikanische Enklave). Er erlebte u.a. die Behandlung venerischer Infektionen mit Penicillin und die Gabe von Glucocorticoiden z.B. beim Pemphigus.  

Seine Doktorarbeit machte er bei Prof. Albin Proppe in Kiel, dazu wurden ihm aus der  Göttinger Universitätsbibliothek eine Kiste Fachbücher zugeschickt, die er nach 4 Wochen zurücksenden musste. Einige Verwandte in Bremen halfen ihm bei  der Abschrift wichtiger Passagen. Schließlich promovierte er 1953 in Kiel über das Thema: „Über Urämide mit einem casuistischen Beitrag eines Urämides mit den Erscheinungsformen eines Pemphigus vulgaris“.

1955 heiratete er meine Mutter, die er noch aus der damals gemeinsam besuchten Schule in Nordenham kannte. 1956 wurde ich, 1959 mein Bruder geboren.

In den ersten Jahren seiner Niederlassung (gewohnt wurde anfänglich in einem Hinterzimmer der Praxis)  gab er aufgrund seiner angespannten Finanzsituation einmal in der  Woche vor der regulären Sprechstunde medizinischen Unterricht für angehende Kapitäne an der Bremer Seefahrtsschule (Jetzt: „Hochschule für Nautik“).  Um seine schon lebenserfahrenen „Studenten“ zu der frühen Stunde wach zu bekommen, begann er jede Vorlesung mit einem eindeutigen Gedicht oder Witz  u.a.  aus dem Temmler- Kalender („Perlen deutscher Lyrik“, wie er es nannte). Dieser Unterrichtsbeginn war unter den Kursteilnehmern legendär, wie mir später von einem Kapitän versichert wurde, als dieser mich in meiner Praxis in Bremen wegen meines Nachnamens nach möglichen Verbindungen zur Seefahrtsschule fragte. Der jeweilige Ausbildungs- Jahrgang wurde mit einer praktischen Aufgabe abgeschlossen, bei der sich die angehenden Kapitäne mit heruntergelassener Hose im Kreis aufstellen und dem Vordermann unter Aufsicht meines Vaters eine NaCl- Injektion intraglutäal verabfolgen mussten.

Einige Jahrzehnte führte mein Vater dann seine Facharztpraxis in Bremen. Als Oberstufenschüler, bei  dem klar war, dass er in die Fußstapfen seines Vaters treten würde, konnte ich ihn gelegentlich in der Praxis besuchen und musste die ausgelegten Methylenblau-gefärbten Go-Präparate ansehen:              „ Befund? – Negativ! – Sieh noch mal genau hin…“  

Wie er mir einmal erzählte, habe ein Patient zu ihm gesagt: „Herr Doktor, waren Sie einmal beim Militär? – Ja  -Das merkt man aber…“   

Bedingt durch die ZVS bekam ich 1975 meinen Studienplatz (obwohl 1. Präferenz) nicht in Tübingen, wie es mein Vater gerne gesehen hätte, zumal ich dann dort auch in seiner Burschenschaft aktiv geworden wäre, sondern in Kiel (Platz 8). Aufgrund des deutlichen Altersunterschieds konnte ich seine Praxis nicht übernehmen, wonach ihn mehrfach Patienten bei seiner Praxisabgabe gefragt hatten.

Mein bestandenes Staatsexamen in Kiel 1981 erfüllte ihn natürlich mit Stolz, wie auch meine Promotion bei Prof. Enno Christophers 1983. Meine Facharztprüfung 1987 in Bremen hatte er leider nicht mehr erlebt. Er verstarb ein halbes Jahr vorher nach langer schwerer Krankheit. 

 

Weiterführende Artikel (1)

Proppe, Albin;

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