Kawasaki-SyndromM30.3

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Co-Autor:Niklas Blaha

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 26.04.2024

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Synonym(e)

Akutes febriles mukokutanes Lymphadenopathiesyndrom; Kawasaki Fieber; Kawasaki-Fieber; Kawasaki-Krankheit; Lymphadenopathie-Syndrom akutes febriles mukokutanes; Morbus Kawasaki; Mukokutanes Lymphknotensyndrom

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Erstbeschreiber

Kawasaki 1967

Definition

Wahrscheinlich immunologisch vermittelte, vorwiegend im Kindesalter auftretende, diffuse Vaskulitis, die klinisch durch hohes Fieber, vergrößerte Halslymphknoten, Haut- und Schleimhautbefall gekennzeichnet ist und in 15–25% der Fälle durch Hinzutreten einer Myokarditis und Koronariitis mit konsekutiver Thrombus- und Aneurysmabildung in den Koronargefäßen kompliziert wird.

Vorkommen/Epidemiologie

Seltene Erkrankung, höchste Inzidenz in Japan (4-6.000 Erkrankungen/Jahr bzw. 140/100.000/Jahr). In Südostasien liegt die Inzidenz bei Kindern <5 Jahre bei 112/100.000/Jahr, in Europa bei 8,1/100.000/Jahr und in Deutschland bei circa 8/100.000/Jahr.

Ätiopathogenese

Ungeklärt, erregerbedingte Auslösung ist wahrscheinlich (z.B. SARS-Cov-19). Hinzu kommt eine genetische Prädisposition. Veränderung einer Aktivität einer C-Kinase, die in die Aktivierung von T-Lymphozyten eingreift (1,4,5-triphosphatase-3-Kinase C). Weiterhin sind verschiedene Suszeptibilitätsgene bekannt die bei der Pathogenese der Erkrankung eine Rolle spielen können: ITPKC, CASP3, CD40 und ORAI (Onouchi Y 2018). 


 

Manifestation

Meist bei Kleinkindern von 1-5 Jahren auftretend, selten bei jungen Erwachsenen. Leichte Betonung des männlichen Geschlechtes.

Klinisches Bild

Allgemein: Hohes, antibiotikaresistentes, länger als 5 Tage andauerndes Fieber. Konjunktivitis (>75%). Schmerzhafte, zervikale Lymphknotenschwellungen (25-75%), Pharyngitis (90%)

Integument: Hochrote, rissige Lippen, diffuse Rötung der Mund- und Rachenschleimhaut, evtl. Himbeerzunge (90%). Palmoplantarerythem (50-85%) mit ödematöser Umwandlung (50-85%); nach 2-3 Wochen Abschuppung, die halbmondförmig an den Fingerspitzen beginnt. Später Beau-Reilsche Querfurchen der Fingernägel. 

Polymorphe Exantheme: morbilli- oder skarlatiniform, Erythema exsudativum multiforme-ähnlich (70-90%).

Weitere Begleitsymptome: Gastroenteritis, Urethritis, abakterielle Meningitis, Arthralgien, Gallenblasenhydrops.

Die Reaktivierung der BCG-Impfstelle in Form von Rötung und Induration ist ein weiterer Hinweis auf die Erkrankung (allerdings ist BCG in Deutschland keine Standardimpfung mehr).

Komplikativ sind kardiale Symptome die 12-28 Tage nach der Infektion auftreten können. Sie äußern sich in Koronaritis und können als Folge zu  (Riesen-) Aneurysmen, Thrombosierungen, Arrythmien, Stenosierungen, Myokardinfarkt, Herzversagen, pAVK führen.

Labor

Leukozyturie und Proteinurie, ausgeprägte Leukozytose mit Linksverschiebung, CRP und alpha-2-Globuline erhöht. Thrombozytose ab der 2. Krankheitswoche.

Differentialdiagnose

Scharlach: Klinik, Erregernachweis, Antistreptolysintiter (AST)-Anstieg (frühestens 8–14 Tage nach einer frischen Infektion, Basis- und Kontrollwerte), Dick-Test, Auslöschphänomen.

Masern: Klinisches Bild mit typischem Exanthem und Enanthem (Gaumen, Tonsillen, Uvula). Titeranstieg um 2 Stufen beim Hämagglutinationshemmtest

Infektiöse Mononukleose: generalisierte Lymphadenopathie, Splenomegalie, morbilliformes Exxanthem, + Serologie

Bruzellosen; M. Weil: selten

Multisystemisches Entzündungssyndrom in VerbindungCOVID-19 (Nachweis einer bereits durchgemachten oder noch aktiven COVID-19-Erkrnakung) 

Akutes rheumatisches Fieber: Karditis, Polyarthritis (migratorische), Chorea minor (Sydenham), Erythema marginatum rheumaticum (früher auch Eythema anulare rheumaticum), und subkutane Knoten (Rheumatische Knötchen). Nebenkriterien: Fieber, Arthralgien.

Hand-Fuß-Mund-Krankheit: Fieber, i.A. kein schweres Krankheitsgefühl, Bläschen schmerzhaft   

Still-Syndrom: langzeitiger  Verlauf mit rezidivierenden Fieberschüben

Erythema exsudativum multiforme: typische klinsiche Morphologie des Exanthems mit Kokarden

Multisystemisches Entzündungssyndrom in Verbindung mit COVID-19. Häufig schwer verlaufendes Krankheitsbild bei Kindern und Jungendlichen. Der Phänotyp ähnelt dem Kawasaki-Syndrom. Dermatologisch zeigten sich bei schwerer fieberhafter Allgemeinsymptomatik makulo-papulöse Exantheme, Konkunktivits, Cheilits, Palmarerytheme sowie Hand- und Fußödeme 

Komplikation(en)

In 20% der Fälle führt die Vaskulitis zur Aneurysmabildung vorwiegend im Bereich der Koronararterien. Nach Monaten meist Rückbildung.

Therapie

S. Tabelle 1.

Verlauf/Prognose

Wichtig ist eine frühe Diagnose und Therapie.

Unbehandelt kann die Erkrankung innerhalb von 12-28 Tagen komplett abheilen.

Die häufigen (gefürchteten) kardialen Komplikationen treten 12-28 Tage nach Krankheitsbeginn auf.   

Die Letaliät liegt bei ca. 1-2%, v.a. durch Herzinfarkte.

Entscheidend für Verlauf und Prognose ist das Ausmaß der Gefäßbeteiligung. 

Tabellen

Therapie-Empfehlungen beim Kawasaki-Syndrom (modifiziert nach Cremer)

Medikation

Beispielpräparat

Indikation

Dosierung

Dauer

Gammaglobulin und Acetylsalicylsäure

Intratect

Standardtherapie

Gammaglobulin-Präparat mit intaktem Fc-Segment 2 g/kg KG als Kurzinfusion in 5% Glukose Lsg.

Einmaldosis über 12 Std. i.v.

In Kombination mit:

 

ASS

Acetylsalicylsäure in einer Dosis von mindestens 100 mg/kg KG (bei kleineren Kindern häufig bis zu 150 mg/kg KG, bei älteren Kindern evtl. weniger). Häufige ASS-Spiegelbestimmungen (therapeutischer Spiegel zwischen 15–30 mg/dl bzw. 1,1–2,2 mmol/l). Ab dritter Krankheitswoche bzw. eine Woche nach Entfieberung ASS auf 3 mg/kg KG reduzieren.

Gesamtdauer 3 Monate. Längere Therapie (mind. 2 Jahre) für Patienten mit nachgewiesenen Veränderungen der Herzkranzgefäße.

 

Gammaglobulin und Acetylsalicylsäure

Intratect

Standardtherapie, falls Therapiebeginn in der ersten Krankheitswoche möglich ist, v.a. bei Risikokindern (< 2 Jahren).

Gammaglobulin-Präparat mit intaktem Fc-Segment, 400 mg/kg KG als Kurzinfusion in 5% Glukose Lsg.

Über 5 Tage.

In Kombination mit:

ASS

Acetylsalicylsäure 30-50 mg/kg KG bis zur Entfieberung, danach 5 mg/kg KG.

 

Prednisolon und Acetylsalicylsäure

Decortin H Tbl.

Alternativ-Therapie, falls nicht in der 1. Phase der Krankheit mit Gammaglobulin begonnen werden konnte oder es unter dieser Therapie nicht zur Entfieberung gekommen ist.

Prednisolon 2 mg/kg KG/Tag (1. Woche) in 3-4 ED.

Über 3 Wochen, dann Ausschleichen innerhalb von 1 Woche. 4 Wochen über das Absetzen der Prednisolon-Therapie hinaus. Therapie erst beenden, wenn Echokardiographie unauffällig und Thrombozyten und BSG normalisiert.

In Kombination mit:

ASS

Acetylsalicylsäure 30-50 mg/kg KG/Tag bis zur Entfieberung, danach 5 mg/kg KG/Tag

 

Monotherapie mit Acetylsalicylsäure

ASS

Nur bei sehr leichten Verlaufsformen!

60-100 (-130) mg/kg KG/Tag in 4 ED. Anzustrebender Acetylsalicylsäurespiegel 20-25 mg/dl. Bei Entfieberung Dosisreduktion in 2. Woche auf 50 mg/kg KG/Tag. Ab 3. Woche (Thrombozytose!) 3-5 mg/kg KG/Tag 1mal/Tag zur Thrombozytenhemmung.

Therapiebeendigung nach 6 Wochen, falls Echokardiographie unauffällig und Thrombozyten und BKS normalisiert.

 

Hinweis(e)

Weltweit schien die Coronavirus-Erkrankung 2019 (COVID-19), verursacht durch das schwere akute respiratorische Syndrom Coronavirus 2 (SARS-CoV-2), bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen einen milderen klinischen Verlauf zu nehmen. Europäische und US-amerikanische Pädiater bemerkten zunehmend  Fälle von Myokarditis, die einige klinische Merkmale mit dem toxischen Schocksyndrom, dem Kawasaki-Syndrom und dem Makrophagen-Aktivierungssyndrom bei ansonsten gesunden Patienten teilen (Berardicurti O et al. 2020). Das Spektrum des Schweregrades reichte von der Standard-Hospitalisierung bis zur Behandlung auf der pädiatrischen Intensivstation (Ebina-Shibuya R et al. 2020). Für dieses neue Kawasaki-artige Syndrom wurde die Bezeichnung Multisystemisches Entzündungssyndrom in VerbindungCOVID-19 eingeführt.

Literatur

  1. Berardicurti O et al. (2020) The wide spectrum of Kawasaki-like disease associated with SARS-CoV-2 infection. Expert Rev Clin Immunol 16:1205-1215.
  2. Cheung YF et al. (2004) Novel and traditional cardiovascular risk factors in children after Kawasaki disease: implications for premature atherosclerosis. J Am Coll Cardiol 43: 120-124
  3. Cremer H (1990) Das Kawasaki-Syndrom (Mukokutanes Lymphknoten-Syndrom). Dt Ärztebl 87: 1526-1531
  4. Dajani AS, Taubert KA, Gerber MA et al. (1993) Diagnosis and therapy of Kawasaki disease in children. Circulation 87: 1776-1780
  5. Ebina-Shibuya R et al. (2020) Multisystem Inflammatory Syndrome in Children (MIS-C) with COVID-19: Insights from simultaneous familial Kawasaki Disease cases. Int J Infect Dis 97:371-373.
  6. Kawasaki T (1967) Acute febrile mucocutaneous syndrome with lymphoid involvement with specific desquamation of the finger and toes in children. Jap J Allerg 16: 178.
  7. Lee CS, Lim HW (2003) Cutaneous diseases in Asians. Dermatol Clin 21: 669-677
  8. Machet L et al. (1990) Kawasaki disease in a young adult with perineal rash. Br J Dermatol 123: 413
  9. Nadel S, Levin M (1993) Kawasaki disease. Curr Opin Pediatr 5: 29-34
  10. Onouchi Y (2018) The genetics of Kawasaki disease. Int J Rheum Dis 21:26-30.
  11. Shaukat N, Ashraf S, Mebewu A et al. (1993) Myocardial infarction in a young adult due to Kawasaki disease. A case report and review of the late cardiological sequelae of Kawasaki disease. Int J Cardiol 39: 222-226
  12. Teraki Y et al. (1994) In Japan beschriebene Dermatosen. Hautarzt 45: 125-131
  13. Wortman DW (1992) Kawasaki syndrome. Semin Dermatol 11: 37-47

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