Granulozyt neutrophiler

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 19.01.2018

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Synonym(e)

Neutrophile; neutrophile Granulozyten; neutrophiler Granulozyt; PMN; polymorphkernige Neutrophile; polymorphonuclear neutrophils

Erstbeschreiber

Definition

Neutrophile Granulozyten sind hochspezialisierte , kurzlebige (Lebenszeit in der Blutbahn 5 Tage, am Entzündungsort 2 Tage), sich nicht weiter teilende weiße Blutkörperchen. Sie stellen als profesionelle Phagozten, eine zentrale Säule des angeborenen Immunsystems dar und spielen bei der antibakteriellen und antifugalen Immunabwehr die entscheidende Rolle.

Neutrophile Granulozyten  werden  „neutrophil“  genannt, weil sie sich weder mit basischen noch mit Eosinfarbstoffen stark anfärben, also "neutral" sind. Andere Leukozytenspezies werden auf Grund ihres Färbeverhaltens „basophil“ (basophile Granulozyten)  oder  „eosinophil“(eosinophile Granulozyten)  genannt.

Auch der Ausdruck "polymorphkernige Leukozyten (PMN)" ist gebräuchlich, weil der Kern der Zellen vielgestaltig segmentiert ist. Hypersegmentierte (Kern in mehr als 5 Segmente aufgeteilt) Kerne bei neutrophilen Granulozyten sind v.a. bei Vitamin B12- oder Folsäure-Mangel vermehrt anzutreffen (häufigste Ursache Alkoholismus). Als Linksverschiebung wird die Vermehrung von unreifen Vorstufen der Granulozyten (Stabkernige, Metamyelozyten, Myelozyten, Promyelozyten) bezeichnet. Eine Linksverschiebung ist meist Ausdruck einer akuten Entzündungsreaktion des Organismus.

Reifzellige segmentkernige PMNs machen den Hauptteil der zirkulierenden Neutrophilen Granulozyten aus. Stabkernige (stäbchenartiger Kern: Normwert bis 4%)  PMNs sind junge neutrophile Granulozyten. Sie können bei akuten Entzündungen vermehrt auftreten (Linksverschiebung).

Ähnlich wie Makrophagen können neutrophile Granulozyten in 3 Funktionsstadien auftreten: ruhend, präakktiviert (primed) und aktiviert. Aktivierte neutrophile Granulozyten weisen die stärkste antimikrobielle und zytotoxische Aktivität auf.  

Allgemeine Information

PMNs werden wie alle Leukozyten im Knochenmark aus pluripotenten hämatopoetischen Stammzellen gebildet. Hierbei ist der Wachstumsfaktor G-CSF (Granulocyte –Colony-Stimulating-Factor) von wesentlicher Bedeutung. Nach ihrer Ausreifung im Knochenmark werden die PMNs in den Blutstrom abgegeben. Dort zirkulieren sie wenige Tage.

Neutrophile Granulozyten enthalten versch. Granulae. Diese Granulae sind für die Zerstörung phagozytierter Antigene innerhalb der Phagolyyssomen zuständig. Sie werden aber auch in de Extrzellularraum freigesetzt, wobei Nekrose verursacht wird. Dei Umgebung schützt sich durch Plasmaprotine wie alpha2-Makroglobuin sowie alpha1-Antitrypsin. Die Granulae der neutrophilen Ganulozyten werden in 3 Klassen unterteilt:

  • primäre oder azurophile Granula (enthalten: Cathepsin G, Myeloperoxidase, neutrophile Elastasen, Proteasen ). Sie sind v.a. für das Zerstörung von Mikroorganismen und deren Phagozytose verantwortlich .
  • spezifische (sekundäre) Granula ( (Lactoferrin), Lysozym, Kolagenase, Phosdpholipase A2, CR3, CR4, Lamininrezeptoren u.a.
  • tertiäre Granula (kleine Lager-Granula) (Gelatinase - Matrix-Metalloproteinase), Kathepsin B und D, Plasminogenaktivator, alpha-Mannosidase..

 

Ätiologie

Neutrophile Granulozyten sind die ersten Zellen die an einem Entzündungsort aus der Blutbahn einwandern.  Eiter besteht zum größten Teil aus neutrophilen Granulozyten. Im Einzelnen wird die neutrophile Infiltration eines Entzündungsortes durch eine Expression verschiedener Adhäsionsmoleküle (E-und P-Selektine) an der luminalen Seite  von Gefäßen inflammierter Areale eingeleitet. P-Selektin ist in den alpha-Granula von Thrombozyten und in den Weibel-Palade-Körperchen von Endothelzellen gespeichert. Nach Aktivierung gelangt P-Selektin an die Oberflache von Thrombozyten und Endothelzellen.  Dies hat zur Folge, dass PMNs nicht mehr frei zirkulieren sondern  langsam an der inneren Gefäßwand entlang rollen. Die hierdurch aktivierten PMNs exprimieren IntegrineAdhäsionsmoleküle die sie fest an der Gefäßwand verankern. Indem sie chemotaktischen  Signalen aus dem entzündeten Gewebe (z.B. Interleukin-8 oder TNF-alpha) folgen, treten sie durch die Gefäßwand hindurch (Extravasation) und infiltrieren  das perivaskuläre Gewebe. Am Ort der Entzündung werden versch. Effektorfunktionen der PMNs aktiviert.  Hierzu gehören:

  • Phagozytose: PMN sind Phagozyten die über Mustererkennungsrezeptoren  (Pattern Recognition Receptor auch  PRR)   
  • Granula-Exozytose:  Neutrophilen Granulozyten besitzen, durch ihre Fähigkeit der Phagozytose, eine wichtige Funktion bei der unspezifischen Abwehr. Nach Opsonisierung eines Fremdorganismus, wird dieser in die phagozytäre Vakuole aufgenommen und meist umgehend zerstört. Hierbei Verschmelzen Lysosomen mit der phagozytären Vakuole. Bei diesem Vorgang werden reaktive Sauerstoffverbindungen (ROS) frei.
  • Netose: Eine weitere wichtige Funktion der neutrophilen Granulozyten besteht in der Ausbildung von sog. NETs (Akronym für Neutrophil Extracellular Traps), netzartigen DNA-Strukturen die sich bei dem Zelltod der Granulozyten bilden. In diesem filigranen DNA-Netz können verschiedene Mikroorganismen gefangen und abgetötet werden. Diese besondere Art des Zelltodes wird als Netose bezeichnet. Sie unterscheidet sich allein durch die  Akuität  des Prozesses (NETs treten innerhalb von 10 min. auf ) deutlich von dem Vorgang der Apoptose.
  • Oxidativer Burst: Hierbei wird eine große Menge an Sauerstoffradikalen freigesetzt, die mikrobielle oder onkologische Pathogene zerstören.  Dabei werden auch immer normale Zellen geschädigt.
  • Zytokin-und Chemokinfreisetzung: PMNs können eine Vielzahl proinflammatorischer Moleküle freisetzen, womit andere Immunzellen aktiviert werden.

Literatur
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