Ambulante Blutdruckmessung
Synonym(e)
Erstbeschreiber/Historie
Das Phänomen des Blutdrucks ist bereits seit fast 2000 Jahren bekannt, aber erst seit ca. 100 Jahren kann dieser auch gemessen werden (Vetter 1999).
Bereits im Jahre 1713 gelang Stephan Hales die erste blutige Messung des Blutdrucks (Eckert 2006).
Pouseuille entwickelte im Rahmen seiner Dissertation 1821 das erste Quecksilbermanometer (Eckert 2006).
Der Italiener Scipione Riva-Rocci stellte im Jahre 1896 ein Blutdruckmessgerät mit Oberarmmanschette und Quecksilbermanometer vor, mit dem der systolische Blutdruck durch Kompression der Arteria brachialis bestimmt werden konnte (Eckert 2006).
Die Bestimmung des diastolischen Blutdrucks gelang erstmals dem Militärarzt Nikolai Sergejev Korotkoff, der diese Methode als Teil seiner Dissertation im Jahre 1905 in Petersburg entwickelte (Eckert 2006).
Die erste Selbstmessung des Blutdrucks gelang Brown 1930. Seitdem ist bekannt, dass der zuhause gemessene Blutdruck niedriger ist als der in einer Praxis erhobene. Selbstmessungen durch Patienten fanden in den 1970er – 1980er Jahren zunehmend Verbreitung (Eckert 2006).
Definition
Bei einer Blutdruckmessung wird der arterielle Druck in den Gefäßen gemessen. Dieser ist definiert als die Blutauswurfleistung des Herzens, den Widerstand in den Gefäßen und das Fassungsvermögen bzw. die Dehnbarkeit des peripheren Gefäßsystems (Wormer 2017).
Einteilung
Der Blutdruck kann direkt oder indirekt gemessen werden (Scholz 2018):
- Blutige Messung, auch als „direkte Blutdruckmessung“ bezeichnet:
Dies ist möglich mit Hilfe eines Statham-Druckwandlers auf einer Intensivstation, während einer Operation und bei einer Herzkatheter-Untersuchung (Herold 2025).
- Unblutige Messung, auch als „indirekte Blutdruckmessung“ bezeichnet:
Hierbei handelt es sich um 3 verschiedene Messtechniken:
- die übliche sphygmomanometrische Messmethode nach Riva-Rocci (Herold 2025)
- die palpatorische Messung. Hierbei wird nach Aufpumpen der Manschette der Puls an der A. radialis ertastet. Sobald er auftritt, entspricht das dem systolischen Blutdruck (Scholz 2018).
- die sog. oszillatorische Messung durch Messautomaten oder elektronische Handmessgeräte (Scholz 2018).
Die Blutdruckmessung kann in der Praxis oder eigenständig im häuslichen Milieu erfolgen. Blutdruckmessungen sind in Ruhe oder unter Belastung möglich, ebenso als 24 Stunden-Langzeitmessung (Eckert 2006).
Allgemeine Information
Die noch heute übliche Blutdruckmessung ist erst möglich geworden durch die Kombination:
- des von Laennec entwickelten Stethoskops
- der Kompression der Arteria brachialis nach Riva-Rocci
- der Auskultation der von Korotkoff beschriebenen Geräuschphänomene (Eckert 2006).
Durchführung der Blutdruckmessung:
- Die Blutdruckmessung sollte im Liegen oder Sitzen nach einer 3–5-minütigen Ruhepause erfolgen
- Der Arm, an dem gemessen wird, sollte in Herzhöhe gelagert werden und der Ellbogen leicht angewinkelt sein (andernfalls liegen die erhobenen Messwerte ca. 10% höher)
- Der untere Rand der Blutdruckmanschette sollte ca. 2,5 cm oberhalb der Ellenbeuge platziert werden
- Ein eventuell vorhandenes Mikrofon ist oberhalb der A. brachialis zu platzieren
- Der Manschettendruck sollte bis ca.30 mmHg oberhalb des zu erwarteten systolischen Drucks aufgepumpt werden
- Anschließend wird der Druck langsam um 2mmHg pro Sekunde gesenkt (Herold 2018 / Herold 2025)
- Bei sofort hörbaren Geräuschen muss der Druck der Manschette ganz abgelassen werden und nach 1-2 min erneut auf höhere Werte aufgeblasen werden
- Beim ersten hörbaren Korotkoff-Geräusch wird der systolische Wert abgemessen, der diastolische beim Verschwinden der Korotkoff-Geräusche
- Der Blutdruck sollte an beiden Armen gemessen werden und eine mindestens einmalige Wiederholung erfolgen (Herold 2025)
Indikationen zur Blutdruckmessung:
- dient der Screeninguntersuchung einer arteriellen Hypertonie
- der Verlaufskontrolle einer arteriellen Hypertonie
- Da es sich um eine nicht-invasive Untersuchung handelt, sollte sie Bestandteil jeder körperlichen Untersuchung sein
- Eine Senkung des systolischen Blutdrucks um lediglich 2 mmHg führt bereits zu einer Reduktion der Mortalität bei KHK um 7% und einer Reduktion des Risikos, einen Apoplex zu erleiden, um 10% (Ertl 2024).
Kontraindikationen zur Blutdruckmessung:
Wesentliche Kontraindikationen für eine konventionelle Blutdruckmessung gibt es nicht.
Allerdings wird Patienten mit Dialyseshunt empfohlen, die Messung am kontralateralen Arm durchführen zu lassen, ebenso Patienten nach Operation bzw. Radiatio eines Mammakarzinoms mit oder ohne Lymphödem des Armes (Ertl 2024).
Besonderheiten bei der Blutdruckmessung:
- Manschettenbreite
Die Manschettenbreite spielt eine Rolle bei der Blutdruckmessung. Sie sollte mindestens 40% des Armumfangs betragen und die Länge der Manschette mindestens 80% des Armumfangs (Kasper 2015). Daraus ergeben sich folgende Manschettenmaße:
- Armumfang zwischen 24-32 cm bei 13x24 cm Manschettengröße
- Armumfang zwischen 33-41 cm bei 15x30 cm Manschettengröße (Herold 2025)
Bei wesentlich dickeren Armen würde der Druck ansonsten um ca. 10 mmHg zu hoch gemessen, bei sehr dünnen Armen um ca. 10 % zu niedrig (Herold 2025).
- Korotkoff-Töne bis 0 mmHg hörbar:
Dieses kann der Fall sein, wenn
ein erhöhtes HZV bzw. eine Hyperzirkulation vorliegen, wie es z. B. möglich ist:
- bei einer Anämie
- bei Fieber
- in der Schwangerschaft (Herold 2018)
- bei großer AV-Fistel
- bei schwerer Aortenregurgitation (Kasper 2015)
In diesem Fall sollte man den diastolischen Wert in Phase IV (s. Korotkoff-Geräusche) ablesen, d.h. sobald der Ton leiser wird (Herold 2018).
Leise Korotkoff-Geräusche
Die Auskultation kann bei sehr schlanken, schwerkranken oder älteren Patienten schwierig sein. In solchen Fällen empfiehlt es sich, vor Aufpumpen der Manschette den Arm des Patienten für ca. 30 Sekunden über die Kopfhöhe des Patienten anzuheben, während sich die Hand 5–10-mal öffnet und wieder schließt. Anschließend erfolgt die reguläre Messung. I.d.R. sind die Töne dann deutlicher zu hören, ohne dass der Blutdruck beeinflusst wird (Campbell 2023).
Messen des Blutdrucks am Oberschenkel
Bei hypertonen Blutdruckwerten sollte stets auch der Puls an der A. femoralis gemessen werden. Falls dieser abgeschwächt ist, besteht der V. a. eine Aortenisthmusstenose. Dieser Verdacht kann u.a. überprüft werden, durch eine Blutdruckmessung an den unteren Extremitäten. Dort liegt der Blutdruck generell 30-40 mmHg höher als an den oberen Extremitäten. Falls sich eine Hypotonie an den Beinen bei Hypertonie an den Armen erweist, ist das ein Hinweis auf eine Aortenisthmusstenose und bedarf der weiteren Diagnostik (Herold 2025).
Fortgeschrittene Arteriosklerose
Durch eine Arteriosklerose kommt es zu einer Steifheit der Gefäßwand, die zu einer nachweislichen Unterschätzung des systolischen Blutdrucks führt (Campbell 2023).
Pathophysiologie
Die Geräusche selbst entstehen durch die natürliche Resonanz des äquivalenten Feder-Masse-Dämpfer-Systems. Den optimalen systolischen Endpunkt stellt das Auftreten von Korotkoff-Geräuschen dar, den optimalen diastolischen Endpunkt stellt deren Verschwinden dar (Babbs 2015).
Literatur
- Babbs C F (2015) The origin of Korotkoff sounds and the accuracy of auscultatory blood pressure measurements. Journal of the American Society of Hypertension 9 (12) 935-950
- Campbell M, Sultan A, Shumway K R, Pillarisetty L S (2023) Physiology, Korotkoff Sound. Stat Pearls Treasure Island, Bookshelf ID: NBK539778. Doi: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30969600/
- Eckert S (2006) 100 Jahre Blutdruckmessung nach Riva-Rocci und Korotkoff: Rückblick und Ausblick. Austrian Journal of Hypertension 10 (3) 7-13
- Ertl G, Frantz S (2024) Referenz Kardiologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart 33-35
- Herold G et al. (2025) Innere Medizin. Herold Verlag 302-303
- Herold G et al. (2018) Innere Medizin. Herold Verlag 303-305
- Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 148, 1444, 1621-1622
- Scholz M (2018) Eine kurze Geschichte der Blutdruckmessung: Mit einem kleinen Exkurs zu Stethoskopen, Sphygmonometer und in die Veterinärmedizin. Books on Demand Norderstedt 8-10
- Vetter C (1999) 100 Jahre Blutdruckmessung nach Riva-Rocci: „Ein Geniestreich“. Deutsches Ärzteblatt 28-29
- Wormer E J (2017) Das Bluthochdruck-Buch: Alles, was Sie wissen müssen. Das können Sie selber tun. Humboldt-Verlag Hannover