Inotersen

Zuletzt aktualisiert am: 08.08.2025

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Synonym(e)

Gene silencer; RNA Interferenz Therapeutikum (RNAi Therapeutikum)

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Definition

Inotersen ist ein Orphan Drug aus der Substanzklasse der RNA Interferenz (RNAi) Therapeutika.

Inotersen ist ein Antisense-Oligonu­kleotid (ASO), das zur Behandlung der hereditären Form der Trans­thyretin-Amyloidose (hATTR) eingesetzt wird.

Antisense-Oligonukleotide sind einzelsträngige RNA Moleküle, die spezifisch, direkt an die Ziel-RNA binden und diese inaktivieren. Sie unterscheiden sich in Aufbau und Wirkmechanismus damit von den doppelsträngigen siRNA-Therapeutika (Patisiran und Vutrisran), die mittels eines in der Zelle natürlicherweise vorhandenen Mechanismus die mRNA inaktivieren, haben jedoch den gleichen Wirkeffekt der Inaktivierung der fehlerhaften mRNA und hierdurch der Hemmung der Proteinbiosynthese von fehlerhaftem TTR und dessen Ablagerung als Amyloid im Gewebe verschiedener Organe.

Inotersen wurde 2018 zunächst in Europa und Kanada, dann auch in den USA zugelassen.

Pharmakodynamik (Wirkung)

Wirkmechanismus:
Inotersen ist ein 2’-O-2-Methoxyethyl (2’-MOE) Phosphorthioat-Antisense-Oligonukleotid (ASO). Inoserten hemmt beim Menschen die Transthyretin (TTR) Produktion durch selektive Bindung, Inaktivierung und Abbau der TTR-Messenger-RNA (mRNA), sowohl der mutierten bei hATTR als auch der wildtypischen (normalen) TTR-mRNA bei wtATTR. Die Synthese von TTR-Protein in der Leber wird verhindert, was zu einer signifikanten Verringerung der Menge an mutiertem und wildtypischem TTR-Protein führt.

TTR ist ein Trägerprotein für das Retinol bindende Protein 4 (RBP4), dem Hauptträger von Vitamin A (Retinol). Es ist daher im Rahmen des Wirkmechanismus zu erwarten, daß die Reduktion des Plasma-TTR Spiegels auch zur Reduktion des Plasma-Retinolspiegels unter die Normuntergrenze führt.

Die Zulassungsstudie (RCT) NEURO-TTR an 172  Patienten mit hereditärer TTR Amyloidose mit Polyneuropathie (hATTR-PN) Stadium 1 und 2 (Randomisierung 2:1) zeigte nach 15 Monaten Behandlungszeit eine robuste Reduktion der TTR Konzentration im Blut.

Mittleren prozentuale Veränderungen gegenüber dem Ausgangswert des Serum-TTR: von Woche 13 bis Woche 65 zwischen 68,41 % und 74,03 % (Medianbereich: 74,64 % bis 78,8 %).

Im Placeboarm sank die mittlere TTR-Konzentration im Serum in Woche 3 um 8,50% und blieb konstant.

Klinische Wirksamkeit: statistisch signifikanter Vorteil (neurologische Funktion, Lebensqualität) gemessen mithilfe standartisierter neurologische Skalen zugunsten von Inoseten. (Vortherapie bzw. Hintergrundtherapie mit Tafimidis, Diflusimal und ATTR-CM wurden erfaßt).


 

Pharmakokinetik

Resorption: rasche, dosisabhängige Resorption; mediane Zeit bis zum Erreichen der maximalen Plasmakonzentration (Cmax) zwischen 2 - 4 Std.

Verteilung: starke Plasmaproteinbindung (> 94 %); nach subkutaner Anwendung umfassende Verteilung im Gewebe (umfangreiche und anhaltende Aufnahme von Inoserten wurde in allen Zelltypen und Geweben in präklinischen Studien im Tierversuch beobachtet).

Metabolismus: Inotersen ist kein Substrat für den CYP450-Stoffwechsel und wird im Gewebe durch Endonukleasen zu kürzeren inaktiven Oligonukleotiden metabolisiert, die dann Substrate für weitere Verstoffwechselung durch Exonukleasen sind. Die vorherrschende zirkulierende Komponente ist unverändertes Inotersen.

Elimination: Inotersen und seine kürzeren Oligonukleotid-Metaboliten werden im Urin ausgeschieden; eniger als 1 % des Wirkstoffs finden sich innerhalb von 24 Stunden nach der Anwendung im Urin wieder. Nach subkutaner Anwendung beträgt die Eliminationshalbwertszeit für Inotersen etwa 1 Monat.

Aufgrund vorliegender Daten ist keine klinisch relevante veränderte Pharmakokinetik zu erwarten bei leichter und mittlerer Einschränkung der Nierenfunktion; keine Daten liegen vor bei schwere Nierenfunktionseinschränkung.

Pharmakokinetik bei Einschränkungen der Leberfunktion wurde nicht untersucht; keine Daten liegen vor bei Lebertransplantation (Anwendung nicht empfohlen möglw. sogar kontraindiziert!).

Indikation

Indiziert zur Behandlung von Polyneuropathie der Stadien 1 oder 2 bei erwachsenen Patienten mit hereditärer Transthyretin Amyloidose (hATTR).

Die Behandlung und Überwachung sollte durch einen in der Behandlung der Amyloidose erfahrenen Arzt erfolgen.

Vor der Behandlung sind umfaßende Untersuchung und Erhebung der Biomarker der Leber, Niere, Hämatologie und Immunsystem erforderlich, die auch während der Behandlung regelmäßig überwacht werden sollten, um schwerwiegende NW frühzeitig zu erkennen!

Schwangerschaft/Stillzeit

Inotersen ist kontraindiziert während Schwangerschaft und Stillzeit!

Schwangerschaft: 

Inotersen reduziert den Plasmaspiegel von Vitamin A, das für die normale Entwicklung des Fetus entscheidend ist. Es ist nicht bekannt, ob eine Vitamin A-Supplementierung ausreicht, um das Risiko für den Fetus zu verringern.

Während der ersten 60 Tage der Schwangerschaft können sowohl zu hohe als auch zu niedrige Vitamin A-Spiegel mit einem erhöhten Risiko für fetale Fehlbildungen verbunden sein.

Vor Einleitung der Therapie muß eine Schwangerschaft sicher ausgeschlossen werden, und Frauen im gebärfähigen Alter müssen eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. 

Wenn eine Frau beabsichtigt schwanger zu werden, sind Inotersen und die Vitamin A-Supplementierung abzusetzen und die Plasma-Vitamin A-Spiegel sollten überwacht werden und sollten sich vor einer Empfängnis wieder normalisiert haben.

Stillzeit:

Es ist nicht bekannt ob Inotersen/Metaboliten in die Muttermilch übergehen. Pharmakodynamischen/toxikologischen Daten vom Tier zeigten, dass Metaboliten von Inotersen in die Milch übergehen. Ein Risiko für das gestillte Neugeborene/ Kind kann nicht ausgeschlossen werden. Bei der Entscheidung, ob das Stillen unterbrochen werden soll oder ob auf die Behandlung verzichtet werden soll bzw. diese unterbrochen werden soll, ist sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind, als auch der Nutzen der Therapie für die Frau zu berücksichtigen und abzuwägen.

Dosierung und Art der Anwendung

Die empfohlene Dosis beträgt 284 mg Inotersen; subkutane (sc) Injektion; einmal pro Woche; für konstante Dosierung sollte die Injektion jede Woche am gleichen Tag erfolgen. Anwendung ausschließlich sc und unter Einhaltung der Anwendungsvorschriften (s. Fachinfo) durch qualifiziertes bzw. geschultes Personal.

Erforderliche Vitamin A Supplementierung: zusätzlich zu Inoserten sollte orale Supplementierung von etwa 3 000 IE Vitamin A pro Tag erfolgen, um das potenzielle Risiko einer okulären Toxizität aufgrund von Vitamin A-Mangel zu reduzieren.

Dosisanpassung bei Verringerung der Thrombozytenzahl:

Inotersen verringert die Thrombozytenzahl mit mögl. Gefahr der Thrombozytopenie, daher ggf. Dosisanpassung entspr. der Laborwerte wie folgt:
> 100 Überwachung: alle 2 Wochen; wöchentliche Dosierung  fortsetzen.
≥ 75 bis < 100* Überwachung: wöchentlich; Dosierungsfrequenz sollte auf 284 mg alle 2 Wochen reduziert werden.
< 75* Überwachung: zweimal wöchentlich, bis 3 aufeinander folgende Werte über 75 erreicht werden, dann wöchentliche Überwachung; Dosierung unterbrechen bis 3 aufeinanderfolgende  Werte > 100 erreicht worden sind, bei Wiederaufnahme der Behandlung Dosierungsfrequenz auf 284 mg alle 2 Wochen reduzieren.
< 50‡† Überwachung: zweimal wöchentlich, bis 3 aufeinander folgende Werte über 75 erreicht werden, dann wöchentliche Überwachung; bei Vorliegen  zusätzlicher Risikofaktoren für Blutungen ggf. häufigere Überwachung; Dosierung unterbrechen bis 3 aufeinanderfolgende  Werte > 100 erreicht worden sind, bei Wiederaufnahme der Behandlung Dosierungsfrequenz auf 284 mg alle 2 Wochen reduzieren; bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren für Blutungen ggf. Gabe von Corticosteroiden erwägen.
< 25† Überwachung: täglich, bis 2 aufeinander folgende Werte über 25 erreicht werden, dann Überwachung zweimal wöchentlich, bis 3 aufeinander folgende Werte über 75 erreicht werden, anschließend wöchentliche Überwachung bis zur Stabilisierung; Behandlung sollte abgebrochen werden. Gabe von Corticosteroiden wird empfohlen.

*Wenn der nachfolgende Test das anfängliche Testergebnis bestätigt, sollten die Überwa-
chungsfrequenz und die Dosierung wie in der Tabelle empfohlen angepasst werden.
‡ Weitere Risikofaktoren für Blutungen sind Alter > 60 Jahre, Einnahme von Antikoagulanzien 
oder Thrombozytenaggregationshemmern und/oder schwere Blutungsereignisse in der Vor-
geschichte.

† Sofern Corticosteroide nicht kontraindiziert sind, wird eine Glucocorticoidtherapie dringend empfohlen, um den Thrombozytenrückgang umzukehren.

Patienten, die die Therapie mit  Inotersen aufgrund von Thrombozytenzahlen unter 25 × 109/l abbrechen, sollten die Therapie nicht wieder aufnehmen.

Versäumte Dosis: Dosis so bald wie möglich nachholen, es sei denn, die nächste Dosis ist innerhalb von zwei Tagen geplant, dann versäumte Dosis auslassen und die nächste Dosis wie geplant angewenden.

Nierenfunktionseinschränkung: keine Dosisanpassung bei leichter und mittlerer Einschränkung. Nicht anwenden bei Protein-Kreatinin-Quotient im Urin (UPCR) ≥113mg/mmol (1 g/g) oder (eGFR) < 45 ml/min/ 1,73 m2.

Leberfunktionseinschränkung: keine Dosisanpassung bei leichter und mittlerer Einschränkung. Nicht anwenden bei schwerer Leberfunktionsstörung und bei Lebertransplantation.

Zu weiteren Einzelheiten siehe Fachinfo!

Unerwünschte Wirkungen

Inotersen hat erhebliches Potential für schwerwiegende hämatotoxische und nephrotoxische Nebenwirkungen und erfordert daher überlegte und vorsichtige Indikationsstellung und Überwachung.

sehr häufig: Verringerung der Thrombozytenzahl mit Gefahr der Thrombozytopenie; Regelmäßige Überwachung (mind. alle 2 Wo bis 8 Wo nach Behandlungsende) der Thrombozytenwerte und Patienten anweisen sich bei klinischen Zeichen (Petechien, Blutungen Augen, Nase, Zahfleisch, Blut im Urin/Stuhl, Nackensteifigkeit, Kopfschmerzen u.a.) sofort beim Arzt vorzustellen.

!Bei älteren Patienten und Patienten mit Antithrombotika, Thrombozytenaggregationshemmer oder Arzneimittel, die die Thrombozytenzahl senken können und bei Patienten mit schweren Blutungsereignissen in der Vorgeschichte ist besondere Vorsicht geboten!

häufig: Eosinophilie

häufig: erhöhtes Risiko einer Glomerulonephritis und eines möglichen Rückgangs der Nierenfunktion; UPCR und eGFR müssen während der Behandlung überwacht werden; bei Auftreten akuter Glomerulonephritis und Verschlechterung der Nierenfunktion ist die dauerhafte Einstellung der Behandlung zu erwägen.

!Bei nephrotoxischen Arzneimitteln und anderen potenziell die Nierenfunktion beeinträchtigenden Arzneimitteln ist Vorsicht geboten!

Aufgrund des Wirkmechanismus senkt Inotersen den Vitamin A- (Retinol) Spiegel im Plasma auch unter den Normalwert. Vor Einleitung der Inotersen-Gabe sollten Plasmakonzentrationen von Vitamin A (Retinol) unterhalb der Normuntergrenze korrigiert worden sein und etwaige okuläre Symptome oder Anzeichen eines Vitamin-A-Mangels abgeklungen sein.

Zusätzlich zu Inoserten sollte orale Supplementierung von etwa 3 000 IE Vitamin A pro Tag erfolgen, um das potenzielle Risiko einer okulären Toxizität aufgrund von Vitamin A-Mangel zu reduzieren. Okuläre Symptome, die einem Vitamin A-Mangel entsprechen, wie: vermindertes Nachtsehen oder Nachtblindheit, anhaltend trockene Augen, Augenentzündung, Entzündung oder Ulzeration der Cornea, verdickte oder perforierte Hornhaut erfordert ophtalmologische Abklärung!

Vitamin A erfordert besondere Vorsicht in Hinblick auf eine Schwangerschaft (siehe Schwangerschaft und Stillzeit)!

Häufigkeit von Nebenwirkungen bei der Behandlung mit Inotersen:

sehr häufig: Thrombozytopenie, Anämie,Thrombozytenzahl vermindert; häufig: Eosinophilie; häufig: Glomerulonephritis, Proteinurie, Nierenversagen, akute Nierenschädigung, eingeschränkte, Nierenfunktion; daneben möglich: Arzneimittelinduzierter Leberschaden

andere häufige NW: Reaktionen an der Injektionsstelle (50,9 %), Übelkeit (31,3 %), Kopfschmerz (23,2 %), Fieber (19,6 %), peripheres Ödem (18,8 %), Schüttelfrost (17,9 %), Erbrechen (15,2 %).

Bei 30,4 % der mit Inotersen behandelten Patienten war nach 15 Monaten Behandlung der Test für Anti-Drug-Antikörper positiv, ohne wesentliche Auswirkungen auf Sicherheit und Effektivitât der Behandlung.

Wechselwirkungen

Systematische Untersuchungen zu Wechselwirkungen liegen nicht vor.

Vorsicht ist geboten bei antithrombotischen Arzneimitteln, Thrombozytenaggregationshemmern und Arzneimitteln, die die Thrombozytenzahl senken können, bspw. Acetylsalicylsäure, Clopidogrel, Warfarin, Heparin, niedermolekularen Heparinen, Faktor-Xa-Inhibitoren wie Rivaroxaban und Apixaban und Thrombin-Inhibitoren wie Dabigatran.

Vorsicht ist geboten bei begleitend angewendeten nephrotoxischen Arzneimitteln und anderen Arzneimitteln, die die Nierenfunktion beeinträchtigen können, wie Sulfonamide, Aldosteronantagonisten, Anilide, natürliche Opiumalkaloide und andere Opioide. Es wurde keine systematische Beurteilung der gleichzeitigen Anwendung von Inotersen und potenziell nephrotoxischen Arzneimitteln durchgeführt.

weitere Einzelheiten siehe Fachinfo!

Kontraindikation

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.
  • Thrombozytenzahl < 100 × 10 9 /l vor der Behandlung.
  • Protein-Kreatinin-Quotient im Urin (UPCR) ≥ 113 mg/mmol (1 g/g) vor der Behandlung.
  • eGFR < 45 ml/min/1,73 m2 .
  • Schwere Leberfunktionsstörung. Bei Lebertransplantation.
  • Schwangerschaft und Stillzeit (siehe Abschnitt Schwangerschaft und Stillzeit).

besondere Hinweise und Vorsichtsmaßnahmen:

Patienten, die die Therapie mit  Inotersen aufgrund von Thrombozytenzahlen unter 25 × 109/l abbrechen, sollten die Therapie nicht wieder aufnehmen.

Präparate

Tegsedi®  284 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze (Sobi)

Literatur

Benson MD, Waddington-Cruz M, Berk JL et al (2018). Inotersen Treatment for Patients with Hereditary Transthyretin Amyloidosis. N Engl J Med 379(1):22-31  doi/full/10.1056/NEJMoa1716793

Brannagan TH, Coelho T, Wang AK et al for NEURO-T. T. R. Open-Label Extension Investigators. (2022). Long-term efficacy and safety of inotersen for hereditary transthyretin amyloidosis: NEURO-TTR open-label extension 3-year update. J Neurol. 269(12):6416-6427. doi 10.1007/s00415-022-11276-8.

Gertz, M. A., Scheinberg, M., Waddington-Cruz et al. (2019). Inotersen for the treatment of adults with polyneuropathy caused by hereditary transthyretin-mediated amyloidosis. Expert Review of Clinical Pharmacology, 12(8), 701–711. doi 10.1080/17512433.2019.1635008.

Fachinfo Inoserten Tegsedi® (Sobi).

Zuletzt aktualisiert am: 08.08.2025