Inclisiran

Autor:Dr. med. Christina I. Hirth

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 14.08.2025

This article in english

Synonym(e)

Gene silencer; PCSK9 Inhibitor, Lipidsenker; RNA Interferenz Therapeutikum (RNAi Therapeutikum); small interfering RNA (siRNA)

Kostenlose Fachkreis-Registrierung erforderlich

Bitte melden Sie sich an, um auf alle Artikel, Bilder und Funktionen zuzugreifen.

Unsere Inhalte sind ausschließlich Angehörigen medizinischer Fachkreise zugänglich. Falls Sie bereits registriert sind, melden Sie sich bitte an. Andernfalls können Sie sich jetzt kostenlos registrieren.


Kostenlose Fachkreis-Registrierung erforderlich

Bitte vervollständigen Sie Ihre Pflichtangaben:

E-Mail Adresse bestätigen
oder
Fachkreisangehörigkeit nachweisen.

Jetzt abschließen

Definition

Inclisiran ist ein PCSK9 Inhibitor auf der Basis der siRNA Intererenz, das als Lipidsenker zur LDL-C Senkung eingesetzt wird.

Es ist die erste und bisher einzige siRNA Interferenz Therapie, die bislang zur Senkung des LDL-C zugelassen wurde.

Inclisiran erlaubt es in Kombination mit Statinen und anderen Lipidsenkern auch bei hohem kardiovaskulären Risiko eine effektive LDL-C Senkung auf sehr niedrige Zielwerte zu erreichen und ermöglicht durch die Gabe alle 6 Monate einen nachhaltigen Therapieerfolg und hohe Therapieadherenz auch langfristig zu gewährleisten.

Pharmakodynamik (Wirkung)

Inclisiran ist ein PCSK9 Inhibitor, der basierend auf dem neuenartigen Wirkmechanismus der siRNA Interferenz, gezielt an der PCSK9 kodierenden mRNA wirkt, dieses ausschaltet und hierdurch die Proteinbiosynthese von PCSK9 hemmt und damit sehr effektiv zu LDL-C Senkung führt.

Wirkmechanismus: Inclisiran ist ein siRNA Therapeutikum. Es besteht aus doppelsträngige kleiner interferierender Ribonucleinsäure (small interfering ribonucleic acid, siRNA), die spezifisch auf die PCSK9 kodierende mRNA zugeschnitten ist . Am sog. Sense-Strang ist triantennäre N-Acetylgalactosamin (GalNAc) konjugiert. Dies erleichtert die Aufnahme in die Hepatozyten und bewirkt die Verteilung und spezifische Wirkung vorwiegend in der Leber.

In den Hepatozyten nutzt Inclisiran den RNA-Interferenz-Mechanismus und steuert den katalytischen Abbau der für PCSK9 (Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9) kodierenden mRNA. Hierdurch wird die Übersetzung bzw. Translation der mRNA in das Protein PCSK9 verhindert und die Proteinbiosynthese von PCSK9 gehemmt.

PCSK9 wird für den Abbau von LDL-C Rezeptoren benötigt, steuert hierdurch die Anzahl der LDL-C Rezeptoren auf der Zelloberfläche und spielt daher eine entscheidende Rolle im Fettstoffwechsel.

Durch Verringerung der Synthese von PCSK9, wird das Recycling und die Expression des LDL-C Rezeptors auf der Oberfläche der Hepatozyten erhöht, es kann vermehrt LDL-C in die Leber aufgenommen werden und der LDL-C-Spiegel im Blut sinkt.

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Inclisiran wurde in mehreren klinischen Studien geprüft: ORION8,9,10; RCT versus Placebo; Inclisiran zusätzlich zu  Statintherapie versus Placebo; nach 17 Mo Studiendauer LDL-C  Senkung bis zu 52% (Placebo korrigiert über 18 Mo) mit Inclisiran bei vergleichbarem Sicherheitsprofil mit Placebo (Raal FJ et al 2020, Ray KK et al 2020).

Langzeitverlauf: das gesamte Orion Studienprogramm umfasste insgesamt ca 60000 Patienten aus 52 Ländern; Studien über mehrere Jahre mit open-label Verlängerung: allgemein nachhaltige Senkung des LDL-C um ca. 50% bei anhaltend gutem Sicherheitsprofil.

ORION3: prospektive Langzeitstudie; fortlaufend Incliseran (Arm1) oder Wechsel von Placebo/Evolocumab zu Incliseran (Arm2); anhaltend effektive starke Senkung des LDL-C mittlere LDL-C Senkung über 4 Jahre anhaltend ca. 45% ; PCSK9 Reduktion zwischen ~62%-78%; anhaltend gute Verträglichkeit bei wiederholter Gabe über 4 Jahre (Ray KK et al 2023)

ORION8: open label Studie bei ASCVD Patienten; Inclisiran zusätzlich zu Statintherapie; anhaltende effektive LDL-C Senkung über 6 Jahre (Wright RS et al 2024).

Hinweis: Studien zur genetischen Variabilität in der Ausprägung von PCSK9 und HMGCR haben gezeigt, daß Menschen mit geringerer PCSK9 Aktivität einen niedrigeren LDL-C und ein geringeres kardiovaskuläres Risiko haben und waren Grundlage für die Entwicklung gezielter Therapeutika auf der Basis des Gene-Silencing (Ference BA et al 2016).

 

 

Pharmakokinetik

Resorption: nach Gabe der Dosis von 284 mg Spitzenkonzentrationen im Plasma nach etwa 4 Std.  erreicht; mittlere Cmax 509 ng/ml; innerhalb von 48 Std. absinken unter die Nachweisgrenze;  pharmakokinetischen Befunde nach wiederholter subkutaner Verabreichung waren mit Werten nach einmaliger Verabreichung vergleichbar.

Verteilung: Inclisiran liegt in vitro bei den relevanten klinischen Plasmakonzentrationen zu 87% proteingebunden vor; hohe Selektivität für die Leber und hohe Aufnahme in die Leber (Zielorgan für die Cholesterinsenkung) nachgewiesen (nicht-klinische Daten).

Biotransformation: Inclisiran wird vorwiegend durch Nukleasen zu kürzeren inaktiven Nukleotiden unterschiedlicher Länge metabolisiert. Inclisiran ist kein Substrat für gängige Wirkstofftransporter; es ist nicht zu erwarten, dass Inclisian ein Substrat für Cytochrom P450 ist (in vitro Studien liegen jedoch nicht vor).

Elimination: die terminale Eliminationshalbwertszeit von Inclisiran beträgt etwa 9 Std.; bei wiederholter Verabreichung kommt es nicht zu Akkumulation; 16 % werden über die Nieren ausgeschieden.

weitere Hinweise siehe Fachinfo.

Indikation

bei Erwachsenen mit primärer Hypercholesterinämie (heterozygot familiär und nicht familiär) oder gemischter Dyslipidämie in Verbindung mit Lebensstilveränderung (Ernährung, Bewegung, Gewichtsreduktion ggf. Rauchstopp)
• in Kombination mit einem Statin oder einem Statin mit anderen lipidsenkenden Therapie, wenn die mit der maximal tolerierbaren Statin-Dosis die LDL-C-Ziele nicht erreicht werden

oder

• allein oder in Kombination mit anderen lipidsenkenden Therapien bei Statin-Intoleranz oder wenn ein Statin kontraindiziert ist.

bei homozygoter FH liegen bislang noch zu wenig Studienergebnisse zu Wirksamkeit und Sicherheit vor.

bei Kindern und Jugendlichen ≤18J. liegen bislang noch zu wenig Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit vor.
 

Schwangerschaft/Stillzeit

Aus Vorsichtsgründen soll Inclisiran während der Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden.

Es liegen keine Erfahrungen zur Anwendung in der Schwangerschaft vor. Im Tierexperiment hatte Inclisiran keine direkten oder indirekten negativen Auswirkungen in Hinblick auf die Reproduktionstoxizität.

Es ist nicht bekannt, ob Inclisiran beim Menschen in die Muttermilch übergeht. Im Tierexperiment geht Inclisiran in die Muttermilch über. Inclisiran soll daher aus Vorsichtsgründen nicht während der Stillzeit angewendet werden.

Unter Berücksichtigung der Umstände sowohl für die Mutter als auch des Kindes muß entschieden werden, ob die Behandlung mit Inclisiran unterbrochen werden soll oder auf das Stillen verzichtet werden soll.

weitere Hinweise siehe Fachinfo.

Infos zu Arzneimitteln in der Schwangerschaft und Stillzeit siehe Embryotox Charité.

Dosierung und Art der Anwendung

Empfohlene Dosis ist 284 mg Inclisiran als subkutane (sc) Injektion zu Behandlungsbeginn, sowie nach 3 Mo und danach alle 6 Mo.

Versäumte Dosis:

bei weniger als 3 Mo versäumt: die geplante Dosis nachträglich verabreichen und die Behandlung entsprechend dem ursprünglichen Plan weiter fortsetzen.
bei mehr als 3 Mo versäumt, neu  mit dem Behandlungsplan beginnen: 1 Dosis Inclisiran zu Beginn, dann nach 3 Mo und danach alle 6 Mo verabreichen.

Umstellung der Behandlung von monoklonalen Antikörpern gegen PCSK9:
Inclisiran kann unmittelbar nach der letzten Verabreichung eines monoklonalen Antikörpers gegen PCSK9 gegeben werden. Um die LDL-C-Senkung aufrechtzuerhalten, Inclisiran innerhalb von 2 Wo nach der letzten Gabe eines monoklonalen Antikörpers gegen PCSK9 verabreichen.

Älteren Patienten (≥65J): Dosisanpassung ist nicht notwendig.

Leberfunktionsstörung: bei geringer (Child-Pugh-Klasse A) bis mäßiger (Child-Pugh-Klasse B) Leberfunktionsstörung ist eine Dosisanpassung nicht notwendig.

bei schwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klasse  C) liegen keine Daten vor; Inclisiran daher mit Vorsicht angewenden.

Nierenfunktionsstörung: bei geringer, mäßiger oder 
schwerer Nierenfunktionsstörung oder terminaler Niereninsuffizienz ist eine Dosisanpassung nicht notwendig; bei schwerer Nierenfunktionsstörung liegen nur wenige Daten vor, daher nur mit Vorsicht anwenden. 

Zu beachten bei Hämodialyse: Wirkung einer Hämodialyse auf die Pharmakokinetik von Inclisiran wurde nicht untersucht. Da Inclisiran renal eliminiert wird, sollte eine Hämodialyse frühestens 72 Stunden nach Anwendung von Inclisiran erfolgen.

Kinder und Jugendliche
Sicherheit und Wirksamkeit von Inclisiran bei Kindern im Alter von unter 18 J ist bisher noch nicht erwiesen. Es liegen keine Daten vor.

 

Unerwünschte Wirkungen

Inclisiran ist nach bisheriger Datenlage allgemein gut verträglich.

Einzige bisher bekannte NW sind Reaktionen (Schmerzen, Erythem, Ausschlag) an der Injektionsstelle. Diese waren häufig aber leicht bis mäßig ausgeprägt, vorübergehend und klangen ohne Folgeschäden ab.

Immunogenität:
Anti-Drug-Antikörper wurden in RCT bei 1,8 % 
(33/1.830) der Patienten vor Behandlungsbeginn und 4,9 % (90/1.830) der Patienten während der 18-monatigen Behandlung mit Inclisiran gefunden; es wurden hierdurch keine klinisch relevanten Unterschiede im Hinblick auf die klinische Wirksamkeit, Sicherheit oder auf das pharmakodynamische Profil von Inclisiran festgestellt.

Laborwerte:
Erhöhungen der Serum-Transaminasen zwischen > 1x des Upper limit of normal (ULN) und ≤ 3x ULN wurden in RCTs häufiger festgestellt; jedoch nicht über die klinisch relevante Schwelle ≥3-fache der oberen Normgrenze hinaus, waren asymptomatisch und nicht mit Nebenwirkungen oder anderen Anzeichen einer Leberfunktionsstörung verbunden.

Meldung des Verdachts auf Nebenwirkungen:

Inclisiran unteriegt erhöhter Pharmakovigilanz. NW, die während der Behandlung auftreten bitte umgehend melden über nebenwirkungen.bund.de.

Wechselwirkungen

Es liegen keine spezifischen Untersuchungen zu Wechselwirkungen vor.

Es gibt keine Hinweise darauf, daß Inclisiran ein Substrat für Cyp450 Enzymsyteme oder wesentliche Transportsysteme ist oder diese induziert oder inhibiert.

Daher sind keine klinisch relevanten Wechselwirkungen zwischen Inclisiran und anderen Arzneimitteln zu erwarten.

Aufgrund der bisher noch begrenzten Datenlage sind klinisch relevante Wechselwirkungen mit Statinen nicht zu erwarten.

 

Kontraindikation

Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile.

nicht anwenden in der Schwangerschaft und Stillzeit

nicht anwenden bei Kindern und Jugendlichen ≤18J.

nur mit Vorsicht anwenden bei schwerer Leberfunktionsstörung und schwerer Nierenfunktionsstörung.

 

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen:

Wirkung einer Hämodialyse auf die Pharmakokinetik von Inclisiran wurde nicht untersucht. Da Inclisiran renal eliminiert wird, sollte eine Hämodialyse frühestens 72 Stunden nach Anwendung von Inclisiran erfolgen.

Präparate

Leqvio® 284 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze (Novartis Pharma).

Literatur

  1. Ference BA, Robinson JG, Brook RD et al. (2016). Variation in PCSK9 and HMGCR and Risk of Cardiovascular Disease and Diabetes. N Engl J Med 375:2144-53.  doi/full/10.1056/NEJMoa1604304
  2. Raal FJ, Kallend D, Kausik K R et al. for the ORION-9 Investigators (2020). Inclisiran for the Treatment of Heterozygous Familial Hypercholesterolemia. N Engl J Med 382:1520-30.  doi/full/10.1056/NEJMoa1913805  
  3. Ray KK, Wright RS, Kallend D, Koenig W, et al for the ORION-10 and ORION-11 Investigators. (2020). Two Phase 3 Trials of Inclisiran in Patients with Elevated LDL Cholesterol. N Engl J Med 382:1507-1519 doi/full/10.1056/NEJMoa1912387.
  4. Ray KK, Troquay RPT, Visseren FLJ et al  (2023). Long term efficacy and safety of inclisiran in patients with high cardiovascular risk and elevated LDL cholesterol (ORION-3): results from the 4-year open-label extension of the ORION-1 trial. Lancet Diabetes Endocrinol. 11(2):109-119. doi.10.1016/S2213-8587(22)00353-9
  5. Wright RS, Raal FJ, Koenig W et al (2024). Inclisiran administration potently and durably lowers LDL-C over an extended-term follow-up: the ORION-8 trial. Cardiovasc Res. 120 (12):1400-1410. doi: 10.1093/cvr/cvae109.  

 

Fachinfo Inclisiran:  Leqvio® 284 mg Injektionslösung®

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 14.08.2025