Herpeskeratitis B00.5

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 06.09.2019

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Synonym(e)

Augenherpes; Herpes simplex virus keratitis (e); Herpetic keratitis; Keratitis dendritica; Keratitis disciformis; Keratitis interstitialis; Recurrent herpetic Keratitis

Definition

Die Herpeskeratitis ist eine Hornhautinfektion mit dem Herpes-simplex-Virus. Sie kann die Iris involvieren. Symptome und Beschwerden sind Fremdkörpergefühl, Tränenträufeln, Photophobie und konjunktivale Hyperämie. Rezidive sind häufig und können zu Hornhauthypoästhesie, Ulzerationen, permanenter Narbenbildung und vermindertem Sehvermögen führen. Patienten mit schweren Autoimmunerkrankungen (z.B. SLE) bzw. mit Immundefizienzen (z.B. AIDS-Patienten) können zu schweren komplikativen Herpes-simplex-Infektionen des Auges führen (Li TH et al. 2019).

Einteilung

Einteilung (Holland EJ et al. 1999)

Oberflächliche Form mit Befall des Hornhautepithels (Keratitis dendritica)

Tiefe Inflammation des Hornhautstromas (Keratitis interstitialis)

HSV-Infektion des Hornhautendothels Endotheliitis (disciform, diffus, linear.)

Klinisches Bild

Primärinfektion: Die initiale (Primär-)Infektion ist meist eine unspezifische, selbstlimitierende Konjunktivitis, oft in der frühen Kindheit und in der Regel ohne Beteiligung der Hornhaut. Wenn die Hornhaut involviert ist, umfassen frühe Symptome ein Jucken oder Brennen im Auge mit Fremdkörpergefühl, vermehrtem Tränenfluss, Photophobie und konjunktivale Hyperämie. Manchmal stellt sich zugleich eine herpetische Blepharitis ein. Die Bläschen heilen nach rund einer Woche, ohne Narben zu hinterlassen, ab.

Rezidivierende Infektion: Rezidive treten meistens wiederum in Form einer epithelialen Keratitis mit Tränenträufeln, Fremdkörpergefühl und einer charakteristischen Läsion des Hornhautepithels auf. Die Hornhautläsionen ähneln einem verzweigten Ast (dendritisch oder serpentinenartig) mit knopfartigen Enden. Sie lassen sich mit Fluorescein anfärben. Mehrfache Rezidive führen zu Hornhauthypoästhesie oder Hornhautanästhesie (nachweislich ist eine Abnahme der kornealen Nervenfasern (corneal nerve fibre density, corneal nerve branch density, corneal nerve fibre length und corneal nerve total branch density) in läsionaler Hornhaut (Danileviciene V et l. 2019), Hornhautulzera, permanenter Narbenbildung mit vermindertem Sehvermögen.

Stromabeteiligung: Die disziforme Keratitis involviert das Hornhautendothelium vorrangig. Die disziforme Keratitis charakterisiert sich durch ein tieferes, scheibenförmiges, umschriebenes, ödematöses und getrübtes Hornhautareal. Begleitend ist eine Uveitis anterior. Die disziforme Keratitis verursacht häufig Schmerzen sowie einen Verlust der Sehschärfe .

Die tiefe Entzündung des Hornhautstromas (stromale Keratitis oder Keratitis interstitialis) kann eine Nekrose des Stromas und schwere Schmerzen, Photophobie, Fremdkörpergefühl und verminderte Sehschärfe verursachen.

Der rezidivierende Verlauf der HSV-Infektion des Auges mit Narbenbildung, Trübung bis hin zur Erblindung stellt die eigentliche Problematik der Infektion dar (Harris KD 2019).

Als weitere Komplikationen der herpetischen Keratitis können Katarakt oder Glaukom auftreten.

Diagnose

Spaltlampenuntersuchung: verzweigte dendritische oder serpentinenartige Hornhautläsionen (Befund der dendritischen Keratitis); möglich ist auch ein scheibenförmiges, lokalisiertes Hornhautödem und eine Hornhauttrübung mit anteriorer Uveitis (Befund der disziformen Keratitis).

Therapie

Systemisch: Additiv zur Lokaltherapie orales Aciclovir p.o. oder i.v. bzw. Valaciclovir p.o. In seltenen Fällen v.a. bei immuninkompetenten Patienten können Resistenzen gegen Aciclovir auftreten (Robinet-Perrin A et al). In diesen Fällen empfiehlt sich das Ausweichen auf Valaciclovir (Basak SK et al. 2019).

Chirurgisch: Vor Beginn der medikamentösen Therapie vorsichtiges Débridement mit einem Wattestäbchen.

Bei rezidivierenden Verlauf mit Hornhauttrübung ist u.U. eine Hornhauttransplantation notwendig.

Rezidivierende Herpes-simplex-Keratitis: Aciclovir 400 mg p.o. 5x/Tag; alternativ: Valaciclovir 1000 mg p.o. 2x/Tag.

Externe Therapie

Lokale Virustatika: Topisches Ganciclovir. Eine topische Therapie mit Ganciclovir (0,15%iges Gel alle 3 h im Wachzustand; 5-mal/Tag) ist in der Regel wirksam. Alternativ: topische Therapie mit Aciclovir bzw. Trifluridin. Charakteristische Befunde umfassen eine sich verzweigende dendritische oder serpentinenartige Hornhautläsion (was eine dendritische Keratitis nahelegt) oder ein scheibenförmiges, lokalisiertes Hornhautödem und -trübung mit anteriorer Uveitis (was eine disziforme Keratitis nahelegt).

Kortikosteroidexterna: Kortikosteroidexterna sind bei epithelialer Keratitis kontraindiziert. In einem späteren Stadium sind sie zur Behandlung einer herpetischen Stromabeteiligung (disziforme oder stromale Keratitis) oder bei einer Uveitis jedoch indiziert (z.B. Prednisolonacetat 1% initial alle 2 h; nach 2-3Tagen alle 4–8 h).

Adjuvant bei Photophobie: Atropin 1% oder Scopolamin 0,25% 3x/Tag.

Prophylaxe

In keinen Fall sollten bestehende Bläschen, etwa an der Lippe, aufkratzt werden. Auf strikte Hygiene ist zu achten. Nutzung eigener Handtücher und eigener Waschlappen in der Familie. Am besten werden Einmal-Handtücher und –Waschlappen benutzt, um die Viren nicht weiter zu verschleppen.

Kontaktlinsenträger: Zu achten ist bei einer Herpes-simplex-Infektion z.B. der Lippen, dass Kontaktlinsen nicht mit den Herpes-simplex-Viren kontaminiert werden. Bevor Kontaktlinsen mit den Fingern berührt werden, sollte die die Hände gründlich gewaschen werden und mit einem frischen, unbenutzten Handtuch abgetrocknet werden

Hinweis(e)

Jede dendritische Erosion der Kornea bei Patienten > 5 Jahre (die Primärinfektion erfolgt nahezu ausschließlich in der frühen Kindheit) entspricht mit großer Wahrscheinlichkeit einer herpetisch bedingten Keratitis (Bodack MI 2019). Bei unklarem Lokalbefund, kann Virus-DNA mittels PCR aus Gewebematerial nachgewiesen werden (Guda SJM et al. 2019). Ebenfalls möglich ist eine Viruskultur aus der fraglichen dendritischen Läsion die Diagnose bestätigen.

Bei Verdacht auf eine Herpes-simplex-Infektion des Auges sollte ein Ophthalmologe das Therapieregime übernehmen. Bei einer Beteiligung des Hornhautstromas oder der Uvea ist die Behandlung durch einen Ophthalmologen obligatorisch.

Literatur
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  1. Basak SK et al. (2019) Recurrence of herpes simplex virus endotheliitis in a Descemet membrane endothelial keratoplasty graft: mimicking fungal interface infection. BMJ Case Rep 6:12.
  2. Bodack MI (2019) Case Series: Pediatric Herpes Simplex Keratitis. Optom Vis Sci 96:221-226.
  3. Danileviciene V et l. (2019) Corneal Sub-Basal Nerve Changes in Patients with Herpetic Keratitis During Acute  Phase and after 6 Months.Medicina (Kaunas) pii: E214. doi: 10.3390/medicina55050214.
  4. Guda SJM et al. (2019) Evaluation of multiplex real-time polymerase chain reaction for the detection of  herpes simplex virus-1 and 2 and varicella-zoster virus in corneal cells from normal subjects and patients with keratitis in India. Indian J Ophthalmol 67:1040-1046.
  5. Harris KD (2019) Herpes Simplex Virus Keratitis. Home Healthc Now 37:281-284. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31483360
  6. Holland EJ et al. (1999) Classification of herpes simplex virus keratitis. Cornea 18:144-154.
  7. Li TH et al. (2019) Risk of severe herpes simplex virus infection in systemic lupus erythematosus: analysis of epidemiology and risk factors analysis in Taiwan. Ann Rheum Dis 78:941-946.
  8. Robinet-Perrin A et al. (2019) Input of recombinant phenotyping for the characterization of a novel acyclovir-resistance mutation identified in a patient with recurrent herpetic keratitis. Antiviral Res 168:183-186.

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Keratitis dendritica;

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