Hereditäre polygenetische Hypercholesterinämie E78.0

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 24.07.2022

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Synonym(e)

Familial hypercholesterolemia; Familiäre Hyperchoelsterinämie polygene; Familiäre polygene Hypercholesterinämie; Familiäre polygenetische Hypercholesterinämie; Hereditäre polygenetische Hypercholesterinämie; Oligogenic familial hypercholesterolemia; Polygenic familial hypercholesterolemia

Definition

Die hereditäre (familiäre) polygenetische Hypercholesterinämie entsteht aus der Kombination verschiedener genetischer Defekte und dem Zusammenwirken exogener Faktoren. Entweder liegen Mutationen in noch nicht als krankheitsrelevant identifizierten Genen vor oder es handelt sich um eine polygen bzw. oligogen bedingte Hypercholesterinämie (Tada H et al. 2019).  S.a. Familiäre Hypercholesterinämie, autosomal dominante.

Vorkommen/Epidemiologie

Für die deutsche Bevölkerung wird eine Häufigkeit einer heterozygoten hereditären Hypercholesterinämie von 1/ 500 angenommen. Für Dänemark und Norwegen werden Prävalenzrate von 1/200 bis 1/300 angegeben .

Manifestation

Das Manifestationsalter kardiovaskulärer Komplikationen kann bei dieser Form der Hypercholesterinämie stark variieren. Möglich ist eine frühe Manifestation (vereinzelt < 30. Lebensjahr; Early-onset myocardial infarction), wenn weitere Risikofaktoren wie erhöhtes Lipoprotein(a), niedriges HDL-Cholesterin bzw. ein hoher polygenischer Score vorliegen (Khera AV et al. 2019). Die kardiovaskulären Komplikationen können sich aber auch erst jenseits des 50. Lebensjahr oder im höherem Alter manifestieren.

Klinisches Bild

Klinisch stehen prämature atherosklerotische Erkrankungen im Vordergrund. Die famililäre (nicht monogenetische) Hypercholesterinämie verdeutlicht eine kausale Beziehung zwischen erhöhtem LDL-Cholesterin (LDL-C) und Gefäßerkrankungen (Hovingh GK et al. 2013).

Weiterhin leichte bis mäßige Hypercholesterinämie (Cholesterinwerte zwischen 200 und 400mg/dl); Plasmatriglyzeride normal, Arcus corneae; tendinöse und kutane Xanthome sind typische, äußerlich sichtbare Zeichen der abnormen Cholesterinspeicherung; Xanthelasmen; sehr hohes KHK-Risiko.

Diagnose

Humangenetischer Ausschluss einer monogenetischen HyperchoIesterinämie. Konnte der Nachweis einer krankheitsverursachenden Mutation nicht geführt werden, so wird die Diagnose aufgrund der klinischen Charakteristika gestellt. Zunehmend erlauben jedoch bei nicht monogenetischer hereditärer Hypercholesterinämie ein genetischeren Score (oligogen/polygen) Aussagen über ein potenzielles KHK-Risiko (Tada H et al. 2019).

Komplikation(en)

Es wird auf eine 8-fache KHK-Risikoerhöhung gegenüber nicht hereditär belasteten Personen geschlossen. Das KHK-Risiko ist bei den polygenen (oligogenen) Hypercholesterinämien jedoch deutlich geringer als bei den monogenen Formen (Sharifi M et al. 2019). Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie bei denen Xanthome auftreten, haben ein 3-fach höheres KHK-Risiko als solche ohne Xanthome.

Prophylaxe

In den meisten europäischen Ländern wird eine hereditäre (familiäre) Hypercholesterinämie in nur 15 % der Fälle diagnostiziert, typischerweise erst nach einem Herzinfarkt in jungem Alter oder bei familiärer Häufung von Myokardinfarkten. Insofern empfehlen sich routinmäßige Laborkontrollen (Klose G et al. (2014).

Hinweis(e)

Die Kosten für eine genetische Diagnose fallen in voller Höhe nur einmalig beim Indexpatienten an, weil eine einmal identifizierte relevante Mutation gezielt bei Angehörigen gesucht werden kann.

Literatur
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  1. Berberich AJ et al. (2019) The complex molecular genetics of familial hypercholesterolaemia. Nat Rev Cardiol 16:9-20.
  2. Hooper AJ et al. (2018) The Present and the Future of Genetic Testing in Familial Hypercholesterolemia: Opportunities and Caveats. Curr Atheroscler Rep 20:31.
  3. Hovingh GK et al. (2013) Diagnosis and treatment of familial hypercholesterolaemia. Eur Heart J 34: 962–971.
  4. Khera AV et al. (2019) Whole-Genome Sequencing to Characterize Monogenic and Polygenic Contributions in Patients Hospitalized With Early-Onset Myocardial Infarction. Circulation 139:1593-1602.
  5. Klose G et al. (2014) Familial hypercholesterolemia: developments in diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 111: 523–529.
  6. Miname MH et al. (2019) Subclinical coronary atherosclerosis and cardiovascular risk stratification in heterozygous familial hypercholesterolemia patients undergoing statin treatment. Curr Opin Lipidol 30:82-87.
  7. Sharifi M et al. (2019) Polygenic Hypercholesterolemia and  Cardiovascular Disease Risk. Curr Cardiol Rep 21:43.
  8. Tada H et al. (2018) Oligogenic familial hypercholesterolemia, LDL cholesterol, and coronary artery disease. J Clin Lipidol 12:1436-1444.
  9. Tada H et al. (2019) Monogenic, polygenic, and oligogenic familial  hypercholesterolemia. Curr Opin Lipidol doi: 10.1097/QCO.0000000000000563.

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