Hyper-IgM-Syndrom D80.5

Zuletzt aktualisiert am: 03.07.2022

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Synonym(e)

Hyper IgM-Syndrom

Definition

Bei den Hyper-Immunglobulin-M-Syndromen (HIGM) handelt es sich um eine heterogene Gruppe genetischer Störungen, die auf Defekte der Immunglobulin-Klassenwechsel-Rekombination (CSR), die mit oder ohne Defekte der somatischen Hypermutation (SHM) einhergehen, zurückzuführen sind.

Einteilung

Der Phänoytp Hyper-IgM-Syndrom ist durch eine genetische Heterogenität gekennzeichnet. Bisher sind 5 HIGM-Subtypen beschrieben:

X-chromosomales HIGM (rund 70% der Fälle; Mutationen im CD40L-Gen)

  • HIGM1a: CD40LG-Gen (X-chromosomal): HIGM1 ist die häufigste Form des HIGM und liegt bei ca. 70-der männlichen Betroffenen vor. Der CD40-Ligand wird auf T-Zellen nach Antigenstimulation exprimiert; seine Interaktion mit dem CD40-Rezeptor auf B-Zellen ist essentiell für den Klassenwechsel von IgM zu IgG, IgE oder IgA. Patienten mit X-chromosomalem HIGM neigen auch zu Neutropenie sowie zu einer hohen Rate an Infektionen des Magen-Darm-Trakts und des zentralen Nervensystems, die oft zu schweren Lebererkrankungen und/oder Neurodegeneration führen.
  • HIGM1b: Ein anderer X-chromosomal vererbter Defekt mit dem Phänotyp eines Hyper-IgM Syndroms wird durch hypomorphe genetische Mutationen im IKBKG-Gen verursacht. Diese führen zu einem teilweisen Verlust der Genfunktion und verursachen das Auftreten der „Anhidrotischen ektodermalen Dysplasie mit Immundefizienz (OMIM: 300291)

Autosomal rezessive HIGM (rund 30% der Fälle; echte B-Zell-Defekte):

  • HIGM2 (OMIM: 605258): AICDA-Gen (autosomal-rezessiv):  Defekte der aktivierungsinduzierten Cytidin-Desaminase führen zu Störungen des Ig-Klassenwechsels und der somatischen Hypermutation, so dass keine spezifischen und hochaffinen Antikörper gebildet werden können. Opportunistische Infektionen wie bei kombinierten Immundefekten wurden bislang nicht beschrieben, ebenso keine Häufung von Malignomen; dagegen sind Autoimmunerkrankungen häufig. Zudem besteht eine Lymphoproliferation mit Lymphadenopathie.
  • HIGM3 (OMIM: 606843): CD40-Gen (autosomal-rezessiv):  Der CD40-Rezeptor wird konstitutiv auf B-Zellen/antigenpräsentierenden Zellen exprimiert. HIGM3 entspricht in Klinik und Schweregrad dem HIGM1.
  • HIGM4 (OMIM: 608184): HIGM4 bildet eine Gruppe von Patienten, die sich molekular keinem der anderen Subtypen zuordnen lassen. HIGM4 ist mit eingeschränktem Subklassenwechsel, aber eher milden Verläufen assoziiert. Die somatische Hypermutation ist erhalten. Klinik vergleichbar mit HiGM2, Gendefekt jedoch unbekannt (Imai K et al. 2003)
  • HHIGM5 (OMIM: 608106): UNG-Gen (autosomal-rezessiv): Das UNG-Gen kodiert für die Uracil-DNA Glycosylase, die den DNA-Reparaturmechanismus während des Klassenwechsels initiiert. Der HIGM5-Phänotyp ähnelt HIGM2.

Ätiopathogenese

Ursächlich liegen diesen Immundefektsyndromen Mutationen in folgenden Genen zugrunde: AICDA, CD40, CD40LG, UNG; IKBKG. Sie können als Defekte der Signalübertragung durch CD40 klassifiziert werden, die sowohl einen humoralen Immundefekt als auch eine Anfälligkeit für opportunistische Infektionen verursachen, oder als intrinsische Defekte in B-Zellen des CSR-Mechanismus, die zu einem reinen humoralen Immundefekt führen. Es entsteht zunächst ein humoraler Immundefekt mit einer erhöhten Suszeptibilität gegenüber bakteriellen sino-pulmonaren Infektionen. Bei einzelnen Formen der Erkrankung (HIGM1, HIGM3) besteht zusätzlich eine Defizienz der T-Zellfunktionen, so dass auch opportunistische Infektionen und ein erhöhtes Malignomrisiko hinzutreten. 

Klinisches Bild

Die Symptome entwickeln sich bei den meisten Kindern mit einem HIGM-Syndrom während des ersten oder zweiten Lebensjahres. Das häufigste Problem ist ein erhöhtes Infektionsrisiko, vor allem wiederkehrende bakterielle, virale oder auch mykotische Infekte der oberen und unteren Atemwege. Bei einigen Patienten kommt es auch zu Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall und Malabsorption. Rund 50% der Patienten mit einem XHIGM-Syndrom entwickeln eine Neutropenie kombiniert mit oralen Ulzera, Entzündungen und Geschwürbildungen im Mastdarm sowie Infektionen der Haut.  Bei Patienten mit autosomal-rezessivem HIGM-Syndrom kommt es häufiger zu einer Lymphadenopathie mit vergrößerten Rachen- und Gaumenmandeln .Autoimmunerkrankungen werden bei HIGM-Patienten vermehrt beobachtet.

Diagnose

Der Verdacht auf ein HIGM-Syndrom besteht, wenn es bei einem Patienten immer wieder zu schweren Atemwegsinfekten oder zu einer opportunistischen Infektion kommt. Zusätzlich zeigen die Blutuntersuchungen einen normalen oder erhöhten IgM-Spiegel und wenig bis gar kein IgG an. Letztendlich erfolgt die Diagnose molekulargenetisch.

Therapie

CD40-Signaldefekte können eine korrigierende Therapie mit Knochenmarktransplantation erfordern. Menschen mit einem defekten CSR-Mechanismus kommen im Allgemeinen gut mit einer Immunglobulin-Ersatztherapie zurecht. Zu den Komplikationen können Autoimmunität, lymphatische Hyperplasie und in einigen Fällen eine Prädisposition für bösartige lymphatische Erkrankungen gehören.

Verlauf/Prognose

Unterschiedlich je nach Expressivität der Immundefizienz.

Bei dem X-chromosomalen Hyper-IgM-Syndrom erreichen ohne Behandlung nur 20 % der Patienten das dritte Lebensjahrzehnt.

Komplikativ ist das Auftreten verschiedener gastrointestinaler Krebsarten, darunter Cholangiokarzinom, hepatozelluläres Karzinom und Adenokarzinom häufig in Kombination mit  Cryptosporidium parvum (Protozoen, die Darminfektionen verursachen, in der Regel im Rahmen X-chromosomalen Hyper-IgM-Syndrom einer Immunsuppression oder Immunschwäche).

Literatur
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  1. Allen RC et al. (1993) CD40 ligand gene defects responsible for X-linked hyper-IgM syndrome. Science 259: 990-993.
  2. Andre P et al. (2002) CD40L stabilizes arterial thrombi by a beta(3) integrin-dependent mechanism. Nature Med. 8: 247-252.
  3. Aruffo A et al. (1993) The CD40 ligand, gp39, is defective in activated T cells from patients with X-linked hyper-IgM syndrome. Cell 72: 291-300.
  4. Aschermann Z et al. (2007) X-linked hyper-IgM syndrome associated with a rapid course of multifocal leukoencephalopathy. Arch. Neurol. 64: 273-276.
  5. Davies EG et al. (2010) Update on the hyper immunoglobulin M syndromes. Br J Haematol 149:167-180.
  6. Hasegawa S et al. (2014) Whole-exome sequence analysis of ataxia telangiectasia-like phenotype. J. Neurol. Sci. 340: 86-90.
  7. Imai K et al. (2003) Hyper-IgM syndrome type 4 with a B lymphocyte-intrinsic selective deficiency in Ig class-switch recombination. J Clin Invest 112: 136-142.
  8. Kawai T et al. (2012) Diagnosis and treatment in anhidrotic ectodermal dysplasia with immunodeficiency. Allergol Int 61:207-217.
  9. Kraakman ME et al. (1995) Identification of a CD40L gene mutation and genetic counselling in a family with immunodeficiency with hyperimmunoglobulinemia M. Clin Genet 48: 46-48.
  10. van Zelm MC et al. (2014) Human CD19 and CD40L deficiencies impair antibody selection and differentially affect somatic hypermutation. J Allergy Clin. Immun 134: 135-144.

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