Purpura thrombozytopenische idiopathische D69.3

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 09.05.2022

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Synonym(e)

chronische Immunthrombozytopenie; Chronische immunthrombozytopenische Purpura; chronische ITP; essentielle Thrombozytopenie; Idiopathic thrombocytopenic purpura; Idiopathische thrombocytopenische Purpura; ITP; Morbus maculosus haemorrhagicus Werlhof; Morbus maculosus Werlhof; Morbus Werlhof; Thrombozytopenie essentielle; Werlhof M.

Erstbeschreiber

Erstmals beschrieben wurde die idiopathische thrombozytopenische Purpura von Paul Gottlieb Werlhof (1699-1767). 1735 beschrieb er die "Purpura haemorrhagica" oder auch "Morbus maculosis Werlhofii".

Definition

Akut oder chronisch verlaufendes Blutungsleiden mit Thrombozytopenie ohne erkennbare Ursache. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine Verkürzung der Überlebenszeit der Thrombozyten.

Bei Kindern beginnt die idiopathische thrombozytopenische Purprua (ITP) meist akut, oft verbunden mit Virusinfekten wie Masern, Röteln und Mumps oder nach Impfungen. In ca. 80-90% der Fälle kommt es innerhalb von bis zu sechs Monaten zu einer Remission, eine Therapie ist in diesem Fall nicht nötig. Selten geht die ITP bei Kindern in eine chronische Form über (0,46/10.000 Kinder/Jahr).

Bei Erwachsenen entwickelt sich die ITP allmählich und ohne vorangegangenen Infekt. Die klinische Symptomatik variiert von leichten Schleimhautblutungen bis hin zu diffusen Blutungen im ganzen Körper. Frauen im gebärfähigen Alter sind am stärksten betroffen. Die Diagnostik beruht auf dem Ausschluss anderer hämorrhagischer Diathesen. Die Knochenmarkszytologie zeigt eine reaktive Vermehrung der Megakaryozyten bis auf das Fünffache der Norm.

Vorkommen/Epidemiologie

Die Inzidenz liegt bei 6-7 Neuerkrankungen/ 100.000 Einwohner pro Jahr.

Ätiopathogenese

Ungeklärt. Bei der chronischen Form sind bei 60-80% der Fälle Autoantikörper, meist vom IgG-Typ nachweisbar. Sie binden an die GPIIb-GPIIIa-Rezeptoren der Thrombozyten. Die sensibilisierten Thrombozyten werden durch die Fcy-Erkennung, überwiegend durch Makrophagen, in der Milz zerstört. Die Thrombozyten-Überlebenszeit wird auf wenige Stunden verkürzt. Laborchemisch kann auf der Oberfläche der Thrombozyten das Antithrombozyten-IgG nachgewiesen werden.
Der Nachweis der Antikörper erfolgt mit einem ELISA, mithilfe eines Immunfluoreszenstests oder mit einem Komplementfixationstest.

Manifestation

Erkrankung > 6 Monate. Bevorzugt Erwachsene! w:m=3:1

Klinisches Bild

Petechiale oder flächenhafte Blutungen treten erst bei Thrombozytenwerten < 30.000/ul auf.

Akute Form: Hämorrhagien an Haut und Schleimhaut, Blutungen aus dem Mund bzw. Nasen-Rachen-Raum, Melaena, Hämaturie.

Chronische Form: Meist schleichender Beginn. Nasen- und/oder Zahnfleischblutungen. Menorrhagien, Metrorrhagien, Petechien an den Unterschenkeln, petechiale und flächenhafte Hautblutungen.

Labor

Akute Form: Stark erniedrigte Thrombozytenzahl, kurze Plättchenüberlebenszeit.

Chronische Form: Anämie, Vermehrung der Megakaryozyten im Knochenmark, selten Verminderung infolge Erschöpfung. Verkürzte Plättchenüberlebenszeit. Zum Ausschluss einer EDTA-induzierten Pseudothrombozytopenie sollte eine Kontrolle mit Zitratblut erfolgen.

Nachweis von freien Plättchen-assoziierten IgG-Antikörperen (PA IgG) bei >80% der Patienten.  

Differentialdiagnose

Hereditäre Thrombozytopenie; medikamentös oder infektiös ausgelöste Thrombozytopenie; Bildungsstörungen im Knochenmark; hämolytisch-urämisches Syndrom; Hypersplenismus.

Therapie

Kortikosteroide (1-1,5 mg/kg Körpergewicht), Ansprechen 80%.

Bei Nichtansprechen der Therapie hoch dosiert intravenöse Immunglobuline (400-1000 mg/kg über 5 Tage). Wirkungsprinzip: Blockade der Fc-Rezeptoren auf den Makrophagen.

Bei weiterer Therapieresistenz und Thrombozytopenien von < 50.000 besteht die Indikation zur Splenektomie (vorher Impfung mit Pneumovac).

Bei weiterhin nicht ausreichendem Ansprechen: Immunsuppression mit z.B. Vincristin, Endoxan, Azathioprin, Ciclosporin (10-15 mg/kg/Tag). Hierauf sprechen 20-40% der Patienten an.

Ein weiterer Versuch der Therapie der ITP ist die Verabreichung des CD20-Antikörpers Rituximab mit Ansprechraten von 20-25%.

Die Transfusion von Thrombozyten sollte möglichst zurückhaltend gehandhabt werden, da hierdurch die Antikörperproduktion weiter stimuliert werden kann.

Verlauf/Prognose

Akute Form: Ausheilung, Rezidive oder Übergang in eine chronische Form (10%) sind möglich. Chronische Form: Schubweise-rezidivierender Verlauf.

Literatur
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  1. Ancona KG et al. (2002) Randomized trial of high-dose methylprednisolone versus intravenous immunoglobulin for the treatment of acute idiopathic thrombocytopenic purpura in children. J Pediatr Hematol Oncol 24: 540-544
  2. Bolton-Maggs PH et al. (2000) Idiopathic thrombocytopenic purpura. Arch Dis Child 83: 220-222
  3. Jones HW, Tocantis LM (1933) The history of purpura hemorragica. Ann Med Hist 5: 349
  4. Junca J (2000) The relationship between idiopathic thrombocytopenic purpura and pernicious anaemia. Br J Haematol 111: 513-516
  5. Rosthoj S et al. (2003) Duration and morbidity of newly diagnosed idiopathic thrombocytopenic purpura in children: A prospective nordic study of an unselected cohort. J Pediatr 143: 302-307
  6. Schulz et al. (2006) Generalisierte Purpura als dermatologische Manifestation einer Thrombozytopenie. Hautarzt 57: 697-700
  7. Werlhof PG (1735) Opera medica collegit et auxit. Wichmann (Hrsg), Hannoverae impensis fratrum Helwingiorum, Hannover, S. 748
  8. Williams JA (2003) Combination therapy for refractory idiopathic thrombocytopenic purpura in adolescents. J Pediatr Hematol Oncol 25: 232-235

Weiterführende Artikel (4)

Autoantikörper; CD20; Hämorrhagie; Rituximab;

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