Hypereosinophilie-Syndrom D72.1

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 24.03.2024

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Synonym(e)

Eosinophile Retikulose; HES; Hpyereosinophile Syndrome; Hypereosinophiles Syndrom; Hypereosinophilic syndrome; Idiopathic hypereosinophilic syndrome; Idiopathsiches Hypereosinophilie-Syndrom

Erstbeschreiber

Griffin, 1919; Hardy u. Anderson, 1968

Definition

Unter der Bezeichnung "Hypereosinophilie-Syndrom", oder "Hypereosinophiles Syndrom", kurz HES, wird eine heterogene Gruppe seltener Erkrankungen (Hypereosinophilie-Syndrome) zusammengefasst mit folgenden Charakteristika:

  • hochgradige, persistierende, Blut- und Knochenmarkseosinophilie/Eosinophilie > 1500/ul im Blut für > 6 Monate/(s.u. Eosinophilie); Schädigungen unterschiedlicher Organe durch Eosinophileninfiltrationen (toixsche Wirkung von Eosinophilenprodukten wie MBP und ECP).
  • keine nachweisbare Ursache für das Auftreten der Eosinophilie (z.B. Parasitosen, Allergien) (Valent P et al. 2012).

Von Seiten der Haut (Hautbeteiligung bis zu 60% der Fälle) ist ein deutlicher, manchmal unerträglicher, permanenter Juckreiz vorhanden, häufig ein indikatives Symptom des Hypereosinophilie-Syndroms. Somit ist der  Dermatologe häufig frühzeitig diagnostisch involviert.

 

Einteilung

Folgende Varianten des Hypereosinophilie-Syndroms (HES) werden unterschieden:

Aus pathogenetischer Sicht läßt sich eine Zweiteilung vornehmen: 

  • Primäres HES: Myeloproliferatives HES im Rahmen einer klonalen myeloiden, eosinophilen oder Stammzellerkrankung (s.u. Myeloische Neoplasien mit Eosinophilie (MLN-Eo)
  • Sekundäres (reaktives) HES: ätiologisch heterogene, Zytokin-gesteuerte, reaktive, nicht-klonale Hypereosinophilie mit Organbeteiligung 

Ätiopathogenese

Unbekannt;

Beim primären HES, dem myeloproliferativen HES liegt eine intertstitielle Deletion auf Chrosmosom 4q12 vor. Diese Mutation führt zur Fusion des FIP1-like-1 und des Platelet-Derived-Growth-Factor-A-Gens (PDGFRA -Gen) führt. Das resultierende Genprodukt (FIP1L1/PDGFRA ) ist eine konstitutiv aktivierte Tyrosinkinase und ursächlich an der Eosinophilie betileigt. Weitere aktivierende Mutationen betreffen das PDGFRB-Gen, das FGFR1-Gen sowie Gain-of function (GOF)-Keimbahnmutationen in den Genen JAK1 und STAT3.   

Bei dem sekundären (reaktiven -lymphozytären- HES) sind die Stimuli für die Proliferation der Eosinophilen die Zytokine  IL-5, IL-3 und GM-CSF (granulocyte-macrophage colony factor) erhöht. Diese Zytokine steigern die Produktion und Aktivität der Eosinophilen und hemmen den primären Zelltod (Apoptose). S.a.u. Eosinophilie.

Manifestation

Weit überwiegend bei Erwachsenen (meist 20.-50. LJ) auftretend, extrem selten bei Kindern. Männer sind 9mal häufiger als Frauen befallen.

Klinisches Bild

In der Regel schwere Allgemeinsymptome: Gewichtsverlust, Fieber, Appetitlosigkeit, Lymphadenopathie. 

Haut: Hautveränderungen (60% der Betroffenen) sind vielgestaltig und wechselhaft. Konstant findet man schweren Pruritus; weiterhin urtikarielle Erytheme, Papulovesikel, gerötete Papeln und Knoten (Hypereosinophile Dermatitis). Weiterhin: eosinophile Angioödeme (s.a. Angioödem, episodisches mit Eosinophilie), Petechien und Lichenifikationen. Ein eigenständiges Krankheitsbild das im Rahmen des HES auftreten kann ist das eosinophile anuläre Erythem. In seltenen Fällen kann sich komplikativ eine Erythrodermie ausbilden.

Herz (Eosinophile Myokarditis): Herzbeteiligungen (20%) mit eosinophiler fibrosierender Endo- und Myokarditis. Die eosinophile Endomyokarditis ist die häufigste Todesursache (endomyokardiale Nekrosen im Akutstadium, später thrombotische Veränderungen; im Spätstadium Endomyokardfibrose mit fakultativer Mitral- oder Trikuspidalklappeninsuffizienz. Die Erfassung dieser Veränderungen sind durch Endomyokardbiopsie und Dopplerechokardiographie möglich).

Lunge (Eosinophile Pneumonie): unproduktiver Husten, Atemnot, diffuse oder umschriebene eosinophile Lungeninfiltrate (bei rund 40% der Pat. nachweisbar), eosinophile Pleuraergüsse.

Gefäße: Beschrieben wurden Raynaud-Syndrom und digitale Nekrosen. Oft ist eine Abnahme der intellektuellen Leistungsfähigkeit wahrzunehmen, wahrscheinlich infolge von eosinophilen Arteriitiden und zerebralen thromboembolischen Prozessen.

Nervensystem: Periphere Neuropathien oder Mononeuritis multiplex.

Magen-Darm-Trakt: Gastrointestinaler Befall mit Abdominalbeschwerden und Hepatosplenomegalie. Weiterhin können Ösophaguns und Pankreas beteiligt sein: Eosinophile ÖsophagitisEosinophile Pankreatitis

Muskulatur: Polymyositis eosinophile 

Diagnose

Das HES ist eine Ausschlussdiagnose. Voraussetzung sind die vorliegenden obligaten Kriterien:

  • Bluteosinophilie > 1500/μl; Persistenz > 6 Monate (alternativ: Nachweis einer Bluteosinophilie > 1500/μl 2x in Abständen von 4 Wochen (Valent P et a. 2012). Wichtig ist das Absetzen von externen (Resorption) wie auch systemischen Glucocorticoiden!  
  • Ausschluss anderer Ursachen (helminthische Infektionen; fortgeschrittene HIV-Infektion; chronische Graft-versus-host-disease, Arzneimittelreaktionen, atopische Diathese, versch. Autoimmunerkrankungen (Dermatomyositis, SLE, Sjögren-Syndrom, Primär biliäre Zirrhose, Bullöses Pemhigoid, allergische bronchopulmonalee Aspergillose). Weitere reaktive Hypereosinophilien werden als paraneoplastische Reaktionen, bei hämatologischen Neoplasien (T- oder B-Zell-Lymphome, Hodgkin-Lymphome)   
  • Nachweis symptomatischer Organbeteiligungen.
  • Eine exakte Charakerisierung der Hypereosinophilie ist bedeutsam, da dies erhebliche therapeutische Konsequenzen hat. Beispielhaft ist der Nachweis der Fusionsproteine FIP1L1-PDGFRA mittels PCR oder FiSH, da FIP1L1-PDGFRA-positive myelodysplastische Neoplasien sehr gut auf Tyrosinkinasehemmer wie Imatinib reagieren.     

Differentialdiagnose

Parasitosen der Haut; Eosinophilenleukämie; Malignome mit sekundärer Eosinophilie; Churg-Strauss-Syndrom.

Externe Therapie

Symptomatisch. Ggf. topische Glukokortikoide.

Bestrahlungstherapie

Neuerdings werden gute Erfolge unter PUVA-Therapie beschrieben. In therapieresistenten Fällen kann eine Knochenmarkstranplantation in Betracht gezogen werden.

Interne Therapie

  • Die Therapie ist symptomatisch und richtet sich nach der internen Beteiligung, insbes. nach dem Ausmaß der Endomyokardfibrose, die zu appositionellen Thromben führt. Richtungsgebend ist die Senkung der Eosinophilenzahlen. Erfolge werden beschrieben mit Prednison (z.B. Decortin H) 1,0 mg/kg KG/Tag sowie mit der Kombination von Prednison und Hydroxycarbamid (Litalir) z.B. 20-30 mg/kg KG/Tag.
  • Alternativ Cytarabin (z.B. Alexan).
  • Auch die Kombination von Vincristin und Mercaptopurin (Puri-Nethol) ist wirksam.
  • Bei Versagen anderer Therapieoptionen können auch Interferone ( Interferon alfa-2a oder Interferon alfa-2b; Dosierung 8 Mio IE/Tag s.c.) eingesetzt werden.
  • Wegen der Gefahr der embolischen Komplikationen ist eine orale Antikoagulation mit systemischen Cumarinen wie Phenprocoumon (z.B. Marcumar) zu empfehlen. Bei schwerer Herzbeteiligung (u.U. Klappeninsuffizienz) Therapie durch Kardiologen.
  • Gute therapeutische Ergebnisse zeigten sich in einer multizentrischen Studie mit einer "targeted" Therapie mit Mepolizumab, einem Anti-IL-5-Antikörper (s.u. Interleukin-5).
  • Bei Patienten mit Hypereosinophilie unbekannter Signifikanz und bei der familiären Hypereosinophilie, sind regelmäßige Kontrollen bzgl. einer Endorganschädigung angezeigt, ansonsten ist eine zuwartende Haltung gerechtfertigt (Gotlib J 2017).
  • Die Behandlung der lymphozytären Formen der Hypereosinophilie-Syndromen mit klonalen oder aberranten T-Zellpopulationen erfordert häufig hohe Dosen von Glucocorticoiden. 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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